Hoho! rief es jetzt dicht an meinem Ohre, und als ich mich umdrehete, schaute mir ein hölzerner Hanswurst keck und trotzig ins Antlitz. "Er ist mein Patron! sagte ein großer Kerl, der ihn mir entgegenhielt, und neben sich ei- nen großen Kasten stehen hatte. Er hat Talente zum Hanswurst, und ich brauche eben einen, denn der meinige ist mir heute verstorben. Hat er Lust, so schlage er ein; der Posten ist einträglich, und wirft mehr ab, als Wur- zeln fressen!" --
Der hölzerne Spaßmacher schaute mich da- bei vertraulich an, und ich fühlte mich zu ihm hingezogen, wie zu einem Freunde. "Der Kerl ist in Venedig geschnitzt, -- sagte der Puppenspieler wie zur Aufmunterung -- und ich wette, er macht seine Sache besser, als irgend ein anderer; schaue er nur, er geht und steht, wie auf lebendigen Beinen, legt die Hand aufs Herz, trinkt und ißt, wenn ich am Faden ziehe, und kann lachen und wei-
Hoho! rief es jetzt dicht an meinem Ohre, und als ich mich umdrehete, ſchaute mir ein hoͤlzerner Hanswurſt keck und trotzig ins Antlitz. „Er iſt mein Patron! ſagte ein großer Kerl, der ihn mir entgegenhielt, und neben ſich ei- nen großen Kaſten ſtehen hatte. Er hat Talente zum Hanswurſt, und ich brauche eben einen, denn der meinige iſt mir heute verſtorben. Hat er Luſt, ſo ſchlage er ein; der Poſten iſt eintraͤglich, und wirft mehr ab, als Wur- zeln freſſen!“ —
Der hoͤlzerne Spaßmacher ſchaute mich da- bei vertraulich an, und ich fuͤhlte mich zu ihm hingezogen, wie zu einem Freunde. „Der Kerl iſt in Venedig geſchnitzt, — ſagte der Puppenſpieler wie zur Aufmunterung — und ich wette, er macht ſeine Sache beſſer, als irgend ein anderer; ſchaue er nur, er geht und ſteht, wie auf lebendigen Beinen, legt die Hand aufs Herz, trinkt und ißt, wenn ich am Faden ziehe, und kann lachen und wei-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0263"n="261"/><p>Hoho! rief es jetzt dicht an meinem Ohre,<lb/>
und als ich mich umdrehete, ſchaute mir ein<lb/>
hoͤlzerner Hanswurſt keck und trotzig ins Antlitz.<lb/>„Er iſt mein Patron! ſagte ein großer Kerl,<lb/>
der ihn mir entgegenhielt, und neben ſich ei-<lb/>
nen großen Kaſten ſtehen hatte. Er hat Talente<lb/>
zum Hanswurſt, und ich brauche eben einen,<lb/>
denn der meinige iſt mir heute verſtorben.<lb/>
Hat er Luſt, ſo ſchlage er ein; der Poſten<lb/>
iſt eintraͤglich, und wirft mehr ab, als Wur-<lb/>
zeln freſſen!“—</p><lb/><p>Der hoͤlzerne Spaßmacher ſchaute mich da-<lb/>
bei vertraulich an, und ich fuͤhlte mich zu ihm<lb/>
hingezogen, wie zu einem Freunde. „Der<lb/>
Kerl iſt in Venedig geſchnitzt, —ſagte der<lb/>
Puppenſpieler wie zur Aufmunterung — und<lb/>
ich wette, er macht ſeine Sache beſſer, als<lb/>
irgend ein anderer; ſchaue er nur, er geht<lb/>
und ſteht, wie auf lebendigen Beinen, legt<lb/>
die Hand aufs Herz, trinkt und ißt, wenn<lb/>
ich am Faden ziehe, und kann lachen und wei-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[261/0263]
Hoho! rief es jetzt dicht an meinem Ohre,
und als ich mich umdrehete, ſchaute mir ein
hoͤlzerner Hanswurſt keck und trotzig ins Antlitz.
„Er iſt mein Patron! ſagte ein großer Kerl,
der ihn mir entgegenhielt, und neben ſich ei-
nen großen Kaſten ſtehen hatte. Er hat Talente
zum Hanswurſt, und ich brauche eben einen,
denn der meinige iſt mir heute verſtorben.
Hat er Luſt, ſo ſchlage er ein; der Poſten
iſt eintraͤglich, und wirft mehr ab, als Wur-
zeln freſſen!“ —
Der hoͤlzerne Spaßmacher ſchaute mich da-
bei vertraulich an, und ich fuͤhlte mich zu ihm
hingezogen, wie zu einem Freunde. „Der
Kerl iſt in Venedig geſchnitzt, — ſagte der
Puppenſpieler wie zur Aufmunterung — und
ich wette, er macht ſeine Sache beſſer, als
irgend ein anderer; ſchaue er nur, er geht
und ſteht, wie auf lebendigen Beinen, legt
die Hand aufs Herz, trinkt und ißt, wenn
ich am Faden ziehe, und kann lachen und wei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/263>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.