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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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den Tafeln standen die Namen verstorbener
Fürsten.

"Hier können wir etwas verziehen; sagte
er, denn über den Gräbern steht nichts als
Stein und Denkmal, und drunten im Boden
mag höchstens noch eine Handvoll Staub, ne-
ben den Kronen und Zeptern zu finden sein;
solche große Herren vergehen schnell, weil sie
im Ueberflusse genießen und schon im Leben
eine große Masse erdigter Theile in sich auf-
nehmen."

Ich sah ihn erstaunt an, da fuhr er fort:
"Ihr haltet mich wohl gar für toll; aber
darin irrt Ihr! Ich betrete diese Orte nicht
gern, denn ich habe einen wunderbaren Sinn
mit auf die Welt gebracht, und erblicke wider
meinen Willen auf Gräbern die darunter lie-
genden Todten mehr oder minder deutlich,
nach den Graden ihrer Verwesung*). So lange

*) Ein Beispiel dieser originellen Geisterseherei
findet sich, wenn ich nicht irre, in Moritz
Magazin der Erfahrungsseelenkunde.

den Tafeln ſtanden die Namen verſtorbener
Fuͤrſten.

„Hier koͤnnen wir etwas verziehen; ſagte
er, denn uͤber den Graͤbern ſteht nichts als
Stein und Denkmal, und drunten im Boden
mag hoͤchſtens noch eine Handvoll Staub, ne-
ben den Kronen und Zeptern zu finden ſein;
ſolche große Herren vergehen ſchnell, weil ſie
im Ueberfluſſe genießen und ſchon im Leben
eine große Maſſe erdigter Theile in ſich auf-
nehmen.“

Ich ſah ihn erſtaunt an, da fuhr er fort:
„Ihr haltet mich wohl gar fuͤr toll; aber
darin irrt Ihr! Ich betrete dieſe Orte nicht
gern, denn ich habe einen wunderbaren Sinn
mit auf die Welt gebracht, und erblicke wider
meinen Willen auf Graͤbern die darunter lie-
genden Todten mehr oder minder deutlich,
nach den Graden ihrer Verweſung*). So lange

*) Ein Beiſpiel dieſer originellen Geiſterſeherei
findet ſich, wenn ich nicht irre, in Moritz
Magazin der Erfahrungsſeelenkunde.
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[284/0286] den Tafeln ſtanden die Namen verſtorbener Fuͤrſten. „Hier koͤnnen wir etwas verziehen; ſagte er, denn uͤber den Graͤbern ſteht nichts als Stein und Denkmal, und drunten im Boden mag hoͤchſtens noch eine Handvoll Staub, ne- ben den Kronen und Zeptern zu finden ſein; ſolche große Herren vergehen ſchnell, weil ſie im Ueberfluſſe genießen und ſchon im Leben eine große Maſſe erdigter Theile in ſich auf- nehmen.“ Ich ſah ihn erſtaunt an, da fuhr er fort: „Ihr haltet mich wohl gar fuͤr toll; aber darin irrt Ihr! Ich betrete dieſe Orte nicht gern, denn ich habe einen wunderbaren Sinn mit auf die Welt gebracht, und erblicke wider meinen Willen auf Graͤbern die darunter lie- genden Todten mehr oder minder deutlich, nach den Graden ihrer Verweſung *). So lange *) Ein Beiſpiel dieſer originellen Geiſterſeherei findet ſich, wenn ich nicht irre, in Moritz Magazin der Erfahrungsſeelenkunde.

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/286>, abgerufen am 24.11.2024.