dem sonst die Plane eines Cäsar und Alexan- der geboren wurden. Was ist nun dieser Pal- last, der eine ganze Welt und einen Himmel in sich schließt; dieses Feenschloß, in dem der Liebe Wunder bezaubernd gaukeln; dieser Mikrokosmus, in dem alles was groß und herrlich, und alles Schreckliche und Furchtbare im Keime nebeneinander liegt, der Tempel gebar und Götter, Inquisitionen und Teufel; dieses Schwanzstück der Schöpfung -- das Menschenhaupt! -- -- die Behausung eines Wurmes. -- O was ist die Welt, wenn das- jenige was sie dachte nichts ist und alles darin nur vorüberfliegende Phantasie! -- Was sind die Phantasieen der Erde, der Frühling und die Blumen, wenn die Phantasie in diesem kleinen Rund verweht, wenn hier im innern Pantheon alle Götter von ihren Fußgestellen stürzen, und Würmer und Verwesung einzie- hen. O rühmt mir nichts von der Selbststän- digkeit des Geistes -- hier liegt seine zerschla- gene Werkstatt, und die tausend Fäden, wo-
dem ſonſt die Plane eines Caͤſar und Alexan- der geboren wurden. Was iſt nun dieſer Pal- laſt, der eine ganze Welt und einen Himmel in ſich ſchließt; dieſes Feenſchloß, in dem der Liebe Wunder bezaubernd gaukeln; dieſer Mikrokosmus, in dem alles was groß und herrlich, und alles Schreckliche und Furchtbare im Keime nebeneinander liegt, der Tempel gebar und Goͤtter, Inquiſitionen und Teufel; dieſes Schwanzſtuͤck der Schoͤpfung — das Menſchenhaupt! — — die Behauſung eines Wurmes. — O was iſt die Welt, wenn das- jenige was ſie dachte nichts iſt und alles darin nur voruͤberfliegende Phantaſie! — Was ſind die Phantaſieen der Erde, der Fruͤhling und die Blumen, wenn die Phantaſie in dieſem kleinen Rund verweht, wenn hier im innern Pantheon alle Goͤtter von ihren Fußgeſtellen ſtuͤrzen, und Wuͤrmer und Verweſung einzie- hen. O ruͤhmt mir nichts von der Selbſtſtaͤn- digkeit des Geiſtes — hier liegt ſeine zerſchla- gene Werkſtatt, und die tauſend Faͤden, wo-
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dem ſonſt die Plane eines Caͤſar und Alexan-
der geboren wurden. Was iſt nun dieſer Pal-
laſt, der eine ganze Welt und einen Himmel
in ſich ſchließt; dieſes Feenſchloß, in dem der
Liebe Wunder bezaubernd gaukeln; dieſer
Mikrokosmus, in dem alles was groß und
herrlich, und alles Schreckliche und Furchtbare
im Keime nebeneinander liegt, der Tempel
gebar und Goͤtter, Inquiſitionen und Teufel;
dieſes Schwanzſtuͤck der Schoͤpfung — das
Menſchenhaupt! — — die Behauſung eines
Wurmes. — O was iſt die Welt, wenn das-
jenige was ſie dachte nichts iſt und alles darin
nur voruͤberfliegende Phantaſie! — Was ſind
die Phantaſieen der Erde, der Fruͤhling und
die Blumen, wenn die Phantaſie in dieſem
kleinen Rund verweht, wenn hier im innern
Pantheon alle Goͤtter von ihren Fußgeſtellen
ſtuͤrzen, und Wuͤrmer und Verweſung einzie-
hen. O ruͤhmt mir nichts von der Selbſtſtaͤn-
digkeit des Geiſtes — hier liegt ſeine zerſchla-
gene Werkſtatt, und die tauſend Faͤden, wo-
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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/292>, abgerufen am 21.11.2024.
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