Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

ihnen genau die Grade der Tortur bestimmt,
damit der arme Schelm, obgleich geradebrecht,
doch mit dem Leben zulezt noch davon gehen
kann; als ob das Leben das Höchste wäre,
und nicht vielmehr der Mensch, der doch wei-
ter geht als das Leben, das grade nur den
ersten Akt und den inferno in der divina co-
media,
durch die, er um sein Ideal zu su-
chen, hinwandelt, ausmacht. --

Mein Mann, der hier nahe vor mir auf
dem Grabsteine kniete, einen blankgeschliffe-
nen Dolch, den er aus einer schön gearbeite-
ten Scheide gezogen, in der Hand, schien mir
ächt tragischer Natur zu sein, und fesselte mich
in seine Nähe.

Feuerlärm hatte ich eben nicht Lust zu ma-
chen, im Falle er etwas Ernsthaftes unter-
nehmen würde, eben so wenig wollte ich als
Vertrauter in der Koulisse stehen, um im
fünften Akte bei dem Stichworte zu rechter

ihnen genau die Grade der Tortur beſtimmt,
damit der arme Schelm, obgleich geradebrecht,
doch mit dem Leben zulezt noch davon gehen
kann; als ob das Leben das Hoͤchſte waͤre,
und nicht vielmehr der Menſch, der doch wei-
ter geht als das Leben, das grade nur den
erſten Akt und den inferno in der divina co-
media,
durch die, er um ſein Ideal zu ſu-
chen, hinwandelt, ausmacht. —

Mein Mann, der hier nahe vor mir auf
dem Grabſteine kniete, einen blankgeſchliffe-
nen Dolch, den er aus einer ſchoͤn gearbeite-
ten Scheide gezogen, in der Hand, ſchien mir
aͤcht tragiſcher Natur zu ſein, und feſſelte mich
in ſeine Naͤhe.

Feuerlaͤrm hatte ich eben nicht Luſt zu ma-
chen, im Falle er etwas Ernſthaftes unter-
nehmen wuͤrde, eben ſo wenig wollte ich als
Vertrauter in der Kouliſſe ſtehen, um im
fuͤnften Akte bei dem Stichworte zu rechter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="54"/>
ihnen genau die Grade der Tortur be&#x017F;timmt,<lb/>
damit der arme Schelm, obgleich geradebrecht,<lb/>
doch mit dem Leben zulezt noch davon gehen<lb/>
kann; als ob das Leben das Ho&#x0364;ch&#x017F;te wa&#x0364;re,<lb/>
und nicht vielmehr der Men&#x017F;ch, der doch wei-<lb/>
ter geht als das Leben, das grade nur den<lb/>
er&#x017F;ten Akt und den <hi rendition="#aq">inferno</hi> in der <hi rendition="#aq">divina co-<lb/>
media,</hi> durch die, er um &#x017F;ein Ideal zu &#x017F;u-<lb/>
chen, hinwandelt, ausmacht. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Mein Mann, der hier nahe vor mir auf<lb/>
dem Grab&#x017F;teine kniete, einen blankge&#x017F;chliffe-<lb/>
nen Dolch, den er aus einer &#x017F;cho&#x0364;n gearbeite-<lb/>
ten Scheide gezogen, in der Hand, &#x017F;chien mir<lb/>
a&#x0364;cht tragi&#x017F;cher Natur zu &#x017F;ein, und fe&#x017F;&#x017F;elte mich<lb/>
in &#x017F;eine Na&#x0364;he.</p><lb/>
        <p>Feuerla&#x0364;rm hatte ich eben nicht Lu&#x017F;t zu ma-<lb/>
chen, im Falle er etwas Ern&#x017F;thaftes unter-<lb/>
nehmen wu&#x0364;rde, eben &#x017F;o wenig wollte ich als<lb/>
Vertrauter in der Kouli&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tehen, um im<lb/>
fu&#x0364;nften Akte bei dem Stichworte zu rechter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0056] ihnen genau die Grade der Tortur beſtimmt, damit der arme Schelm, obgleich geradebrecht, doch mit dem Leben zulezt noch davon gehen kann; als ob das Leben das Hoͤchſte waͤre, und nicht vielmehr der Menſch, der doch wei- ter geht als das Leben, das grade nur den erſten Akt und den inferno in der divina co- media, durch die, er um ſein Ideal zu ſu- chen, hinwandelt, ausmacht. — Mein Mann, der hier nahe vor mir auf dem Grabſteine kniete, einen blankgeſchliffe- nen Dolch, den er aus einer ſchoͤn gearbeite- ten Scheide gezogen, in der Hand, ſchien mir aͤcht tragiſcher Natur zu ſein, und feſſelte mich in ſeine Naͤhe. Feuerlaͤrm hatte ich eben nicht Luſt zu ma- chen, im Falle er etwas Ernſthaftes unter- nehmen wuͤrde, eben ſo wenig wollte ich als Vertrauter in der Kouliſſe ſtehen, um im fuͤnften Akte bei dem Stichworte zu rechter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/56
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/56>, abgerufen am 21.11.2024.