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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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Halt! dort wacht ein Kranker -- auch in
Träumen, wie der Poet, in wahren Fieber-
träumen!

Der Mann war ein Freigeist von jeher,
und er hält sich stark in seiner letzten Stunde,
wie Voltaire. Da sehe ich ihn durch den Ein-
schnitt im Fensterladen; er schaut blaß und ru-
hig in das leere Nichts, wohin er nach einer
Stunde einzugehen gedenkt, um den traum-
losen Schlaf auf immer zu schlafen. Die Ro-
sen des Lebens sind von seinen Wangen abge-
fallen, aber sie blühen rund um ihn auf den
Gesichtern dreier holder Knaben. Der jüngste
droht ihm kindlich unwissend in das blasse
starre Antlitz, weil es nicht mehr lächeln will,
wie sonst. Die andern beiden stehen ernst be-
trachtend, sie können sich den Tod noch nicht
denken in ihrem frischen Leben.

Das junge Weib dagegen mit aufgelößtem
Haar und offner schöner Brust, blickt verzwei-

Halt! dort wacht ein Kranker — auch in
Traͤumen, wie der Poet, in wahren Fieber-
traͤumen!

Der Mann war ein Freigeiſt von jeher,
und er haͤlt ſich ſtark in ſeiner letzten Stunde,
wie Voltaire. Da ſehe ich ihn durch den Ein-
ſchnitt im Fenſterladen; er ſchaut blaß und ru-
hig in das leere Nichts, wohin er nach einer
Stunde einzugehen gedenkt, um den traum-
loſen Schlaf auf immer zu ſchlafen. Die Ro-
ſen des Lebens ſind von ſeinen Wangen abge-
fallen, aber ſie bluͤhen rund um ihn auf den
Geſichtern dreier holder Knaben. Der juͤngſte
droht ihm kindlich unwiſſend in das blaſſe
ſtarre Antlitz, weil es nicht mehr laͤcheln will,
wie ſonſt. Die andern beiden ſtehen ernſt be-
trachtend, ſie koͤnnen ſich den Tod noch nicht
denken in ihrem friſchen Leben.

Das junge Weib dagegen mit aufgeloͤßtem
Haar und offner ſchoͤner Bruſt, blickt verzwei-

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[5/0007] Halt! dort wacht ein Kranker — auch in Traͤumen, wie der Poet, in wahren Fieber- traͤumen! Der Mann war ein Freigeiſt von jeher, und er haͤlt ſich ſtark in ſeiner letzten Stunde, wie Voltaire. Da ſehe ich ihn durch den Ein- ſchnitt im Fenſterladen; er ſchaut blaß und ru- hig in das leere Nichts, wohin er nach einer Stunde einzugehen gedenkt, um den traum- loſen Schlaf auf immer zu ſchlafen. Die Ro- ſen des Lebens ſind von ſeinen Wangen abge- fallen, aber ſie bluͤhen rund um ihn auf den Geſichtern dreier holder Knaben. Der juͤngſte droht ihm kindlich unwiſſend in das blaſſe ſtarre Antlitz, weil es nicht mehr laͤcheln will, wie ſonſt. Die andern beiden ſtehen ernſt be- trachtend, ſie koͤnnen ſich den Tod noch nicht denken in ihrem friſchen Leben. Das junge Weib dagegen mit aufgeloͤßtem Haar und offner ſchoͤner Bruſt, blickt verzwei-

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/7>, abgerufen am 21.11.2024.