Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

sie her gewunden, und in das Saitenspiel, das
sie, noch schlummernd, an die Brust lehnte,
schlangen sich braune Lockenkränze. Juans
Lippen entfuhr unwillkührlich der Name seines
Bruders, da glaubte er plözlich in der Schla-
fenden die Furie zu erblicken, die zwischen
ihnen beiden aufgestiegen, und die Locken die
das schöne Antliz umwallten, schienen sich in
Schlangen zu verwandeln. Dann war sie aber
wieder das Weib seiner Liebe, und er sank,
außer sich, zu ihren Füßen nieder, und drükte
seine heißen Lippen in ihre Brust. Sie tau-
melte erschrocken empor, erkannte ihn beim
Scheine des Nachtlichts, stieß ihn mit heftiger
Kraft von sich, und ihr Blik drückte Schauder
und Entsezen aus.

Der einzige Blick zerschmetterte ihn, doch
erhob sich schnell sein böser Dämon, und er
stürzte fort, bewußtlos was er thun wollte --
ein blutiger Vorsatz lag dunkel vor seiner
Seele.


ſie her gewunden, und in das Saitenſpiel, das
ſie, noch ſchlummernd, an die Bruſt lehnte,
ſchlangen ſich braune Lockenkraͤnze. Juans
Lippen entfuhr unwillkuͤhrlich der Name ſeines
Bruders, da glaubte er ploͤzlich in der Schla-
fenden die Furie zu erblicken, die zwiſchen
ihnen beiden aufgeſtiegen, und die Locken die
das ſchoͤne Antliz umwallten, ſchienen ſich in
Schlangen zu verwandeln. Dann war ſie aber
wieder das Weib ſeiner Liebe, und er ſank,
außer ſich, zu ihren Fuͤßen nieder, und druͤkte
ſeine heißen Lippen in ihre Bruſt. Sie tau-
melte erſchrocken empor, erkannte ihn beim
Scheine des Nachtlichts, ſtieß ihn mit heftiger
Kraft von ſich, und ihr Blik druͤckte Schauder
und Entſezen aus.

Der einzige Blick zerſchmetterte ihn, doch
erhob ſich ſchnell ſein boͤſer Daͤmon, und er
ſtuͤrzte fort, bewußtlos was er thun wollte —
ein blutiger Vorſatz lag dunkel vor ſeiner
Seele.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="90"/>
&#x017F;ie her gewunden, und in das Saiten&#x017F;piel, das<lb/>
&#x017F;ie, noch &#x017F;chlummernd, an die Bru&#x017F;t lehnte,<lb/>
&#x017F;chlangen &#x017F;ich braune Lockenkra&#x0364;nze. Juans<lb/>
Lippen entfuhr unwillku&#x0364;hrlich der Name &#x017F;eines<lb/>
Bruders, da glaubte er plo&#x0364;zlich in der Schla-<lb/>
fenden die Furie zu erblicken, die zwi&#x017F;chen<lb/>
ihnen beiden aufge&#x017F;tiegen, und die Locken die<lb/>
das &#x017F;cho&#x0364;ne Antliz umwallten, &#x017F;chienen &#x017F;ich in<lb/>
Schlangen zu verwandeln. Dann war &#x017F;ie aber<lb/>
wieder das Weib &#x017F;einer Liebe, und er &#x017F;ank,<lb/>
außer &#x017F;ich, zu ihren Fu&#x0364;ßen nieder, und dru&#x0364;kte<lb/>
&#x017F;eine heißen Lippen in ihre Bru&#x017F;t. Sie tau-<lb/>
melte er&#x017F;chrocken empor, erkannte ihn beim<lb/>
Scheine des Nachtlichts, &#x017F;tieß ihn mit heftiger<lb/>
Kraft von &#x017F;ich, und ihr Blik dru&#x0364;ckte Schauder<lb/>
und Ent&#x017F;ezen aus.</p><lb/>
        <p>Der einzige Blick zer&#x017F;chmetterte ihn, doch<lb/>
erhob &#x017F;ich &#x017F;chnell &#x017F;ein bo&#x0364;&#x017F;er Da&#x0364;mon, und er<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rzte fort, bewußtlos was er thun wollte &#x2014;<lb/>
ein blutiger Vor&#x017F;atz lag dunkel vor &#x017F;einer<lb/>
Seele.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0092] ſie her gewunden, und in das Saitenſpiel, das ſie, noch ſchlummernd, an die Bruſt lehnte, ſchlangen ſich braune Lockenkraͤnze. Juans Lippen entfuhr unwillkuͤhrlich der Name ſeines Bruders, da glaubte er ploͤzlich in der Schla- fenden die Furie zu erblicken, die zwiſchen ihnen beiden aufgeſtiegen, und die Locken die das ſchoͤne Antliz umwallten, ſchienen ſich in Schlangen zu verwandeln. Dann war ſie aber wieder das Weib ſeiner Liebe, und er ſank, außer ſich, zu ihren Fuͤßen nieder, und druͤkte ſeine heißen Lippen in ihre Bruſt. Sie tau- melte erſchrocken empor, erkannte ihn beim Scheine des Nachtlichts, ſtieß ihn mit heftiger Kraft von ſich, und ihr Blik druͤckte Schauder und Entſezen aus. Der einzige Blick zerſchmetterte ihn, doch erhob ſich ſchnell ſein boͤſer Daͤmon, und er ſtuͤrzte fort, bewußtlos was er thun wollte — ein blutiger Vorſatz lag dunkel vor ſeiner Seele.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/92
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/92>, abgerufen am 21.11.2024.