Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

mal um mein Nachtwächteramt gebracht, in-
dem es mir in der lezten Stunde des Säku-
lums einfiel mit dem jüngsten Tage vorzuspu-
ken und statt der Zeit die Ewigkeit auszuru-
fen, worüber viele geistliche und weltliche
Herren erschrocken aus ihren Federn fuhren
und ganz in Verlegenheit kamen, weil sie so
unerwartet nicht darauf vorbereitet waren.

Drollig genug machte sich die Szene bei
diesem falschen jüngsten Tages Lerm, wobei
ich den einzigen ruhigen Zuschauer abgab, in-
deß alle Anderen mir als leidenschaftliche Ak-
teurs dienen mußten. -- O man hätte sehen
sollen was das für ein Getreibe und Gedränge
wurde unter den armen Menschenkindern und
wie der Adel ängstlich durch einanderlief, und
sich doch noch zu rangiren suchte vor seinem
Herrgott; eine Menge Justiz- und andere
Wölfe wollten aus ihrer Haut fahren und be-
müheten sich in voller Verzweiflung sich in
Schaafe zu verwandeln, indem sie hier den in

mal um mein Nachtwaͤchteramt gebracht, in-
dem es mir in der lezten Stunde des Saͤku-
lums einfiel mit dem juͤngſten Tage vorzuſpu-
ken und ſtatt der Zeit die Ewigkeit auszuru-
fen, woruͤber viele geiſtliche und weltliche
Herren erſchrocken aus ihren Federn fuhren
und ganz in Verlegenheit kamen, weil ſie ſo
unerwartet nicht darauf vorbereitet waren.

Drollig genug machte ſich die Szene bei
dieſem falſchen juͤngſten Tages Lerm, wobei
ich den einzigen ruhigen Zuſchauer abgab, in-
deß alle Anderen mir als leidenſchaftliche Ak-
teurs dienen mußten. — O man haͤtte ſehen
ſollen was das fuͤr ein Getreibe und Gedraͤnge
wurde unter den armen Menſchenkindern und
wie der Adel aͤngſtlich durch einanderlief, und
ſich doch noch zu rangiren ſuchte vor ſeinem
Herrgott; eine Menge Juſtiz- und andere
Woͤlfe wollten aus ihrer Haut fahren und be-
muͤheten ſich in voller Verzweiflung ſich in
Schaafe zu verwandeln, indem ſie hier den in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="95"/>
mal um mein Nachtwa&#x0364;chteramt gebracht, in-<lb/>
dem es mir in der lezten Stunde des Sa&#x0364;ku-<lb/>
lums einfiel mit dem ju&#x0364;ng&#x017F;ten Tage vorzu&#x017F;pu-<lb/>
ken und &#x017F;tatt der Zeit die Ewigkeit auszuru-<lb/>
fen, woru&#x0364;ber viele gei&#x017F;tliche und weltliche<lb/>
Herren er&#x017F;chrocken aus ihren Federn fuhren<lb/>
und ganz in Verlegenheit kamen, weil &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
unerwartet nicht darauf vorbereitet waren.</p><lb/>
        <p>Drollig genug machte &#x017F;ich die Szene bei<lb/>
die&#x017F;em fal&#x017F;chen ju&#x0364;ng&#x017F;ten Tages Lerm, wobei<lb/>
ich den einzigen ruhigen Zu&#x017F;chauer abgab, in-<lb/>
deß alle Anderen mir als leiden&#x017F;chaftliche Ak-<lb/>
teurs dienen mußten. &#x2014; O man ha&#x0364;tte &#x017F;ehen<lb/>
&#x017F;ollen was das fu&#x0364;r ein Getreibe und Gedra&#x0364;nge<lb/>
wurde unter den armen Men&#x017F;chenkindern und<lb/>
wie der Adel a&#x0364;ng&#x017F;tlich durch einanderlief, und<lb/>
&#x017F;ich doch noch zu rangiren &#x017F;uchte vor &#x017F;einem<lb/>
Herrgott; eine Menge Ju&#x017F;tiz- und andere<lb/>
Wo&#x0364;lfe wollten aus ihrer Haut fahren und be-<lb/>
mu&#x0364;heten &#x017F;ich in voller Verzweiflung &#x017F;ich in<lb/>
Schaafe zu verwandeln, indem &#x017F;ie hier den in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0097] mal um mein Nachtwaͤchteramt gebracht, in- dem es mir in der lezten Stunde des Saͤku- lums einfiel mit dem juͤngſten Tage vorzuſpu- ken und ſtatt der Zeit die Ewigkeit auszuru- fen, woruͤber viele geiſtliche und weltliche Herren erſchrocken aus ihren Federn fuhren und ganz in Verlegenheit kamen, weil ſie ſo unerwartet nicht darauf vorbereitet waren. Drollig genug machte ſich die Szene bei dieſem falſchen juͤngſten Tages Lerm, wobei ich den einzigen ruhigen Zuſchauer abgab, in- deß alle Anderen mir als leidenſchaftliche Ak- teurs dienen mußten. — O man haͤtte ſehen ſollen was das fuͤr ein Getreibe und Gedraͤnge wurde unter den armen Menſchenkindern und wie der Adel aͤngſtlich durch einanderlief, und ſich doch noch zu rangiren ſuchte vor ſeinem Herrgott; eine Menge Juſtiz- und andere Woͤlfe wollten aus ihrer Haut fahren und be- muͤheten ſich in voller Verzweiflung ſich in Schaafe zu verwandeln, indem ſie hier den in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/97
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/97>, abgerufen am 16.05.2024.