Man saß beym Abendessen, die Becher giengen wacker herum, als auf einmal der Teufel befahl, die verdeckte Schüssel, die die Neugierde der Anwesenden so lange ge- foltert hatte, zu öffnen. Dann nahm er den Adelsbrief von der Schüssel, überreich- te ihn dem Bürgermeister, mit den Worten: "Würdiger Herr, Seine Majestät der Kai- "ser, mein Herr, geruhet, Euch durch die- "sen Adelsbrief um Eurer Treue und Ver- "dienste willen, zum Ritter des heiligen "Römischen Reichs zu schlagen. Ich forde- "re Euch auf, aus Dankbarkeit und Pflicht, "nie in dem Eifer für das hohe Kaiserliche "Haus zu erkalten, und bringe Euch, Herr "Ritter, die erste Gesundheit zu!"
Diese Worte rollten wie der Donner in den Ohren der Gäste. Der Betrunkne ward nüch- tern, der Nüchterne betrunken, den Weibern zitterten die von Zorn blauen Lippen beym Glückwunsch, der Schlag traf den Schöppen, er saß ohne Bewegung auf dem Stuhl, und
sein
4.
Man ſaß beym Abendeſſen, die Becher giengen wacker herum, als auf einmal der Teufel befahl, die verdeckte Schuͤſſel, die die Neugierde der Anweſenden ſo lange ge- foltert hatte, zu oͤffnen. Dann nahm er den Adelsbrief von der Schuͤſſel, uͤberreich- te ihn dem Buͤrgermeiſter, mit den Worten: „Wuͤrdiger Herr, Seine Majeſtaͤt der Kai- „ſer, mein Herr, geruhet, Euch durch die- „ſen Adelsbrief um Eurer Treue und Ver- „dienſte willen, zum Ritter des heiligen „Roͤmiſchen Reichs zu ſchlagen. Ich forde- „re Euch auf, aus Dankbarkeit und Pflicht, „nie in dem Eifer fuͤr das hohe Kaiſerliche „Haus zu erkalten, und bringe Euch, Herr „Ritter, die erſte Geſundheit zu!“
Dieſe Worte rollten wie der Donner in den Ohren der Gaͤſte. Der Betrunkne ward nuͤch- tern, der Nuͤchterne betrunken, den Weibern zitterten die von Zorn blauen Lippen beym Gluͤckwunſch, der Schlag traf den Schoͤppen, er ſaß ohne Bewegung auf dem Stuhl, und
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4.
Man ſaß beym Abendeſſen, die Becher
giengen wacker herum, als auf einmal der
Teufel befahl, die verdeckte Schuͤſſel, die
die Neugierde der Anweſenden ſo lange ge-
foltert hatte, zu oͤffnen. Dann nahm er
den Adelsbrief von der Schuͤſſel, uͤberreich-
te ihn dem Buͤrgermeiſter, mit den Worten:
„Wuͤrdiger Herr, Seine Majeſtaͤt der Kai-
„ſer, mein Herr, geruhet, Euch durch die-
„ſen Adelsbrief um Eurer Treue und Ver-
„dienſte willen, zum Ritter des heiligen
„Roͤmiſchen Reichs zu ſchlagen. Ich forde-
„re Euch auf, aus Dankbarkeit und Pflicht,
„nie in dem Eifer fuͤr das hohe Kaiſerliche
„Haus zu erkalten, und bringe Euch, Herr
„Ritter, die erſte Geſundheit zu!“
Dieſe Worte rollten wie der Donner in den
Ohren der Gaͤſte. Der Betrunkne ward nuͤch-
tern, der Nuͤchterne betrunken, den Weibern
zitterten die von Zorn blauen Lippen beym
Gluͤckwunſch, der Schlag traf den Schoͤppen,
er ſaß ohne Bewegung auf dem Stuhl, und
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/115>, abgerufen am 24.11.2024.
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