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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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Thränen um Vergebung, daß sie gezwun-
gen seine heilige Augen beleidigt hätte;
that dabey so wehmüthig und untröstlich,
faßte seine Hände so warm, ließ sich end-
lich vor ihm auf die Knie nieder, und da in
diesem Augenblick ihre Brust sich öfnete,
und der silberne Mond ihren schimmernden
Busen erleuchtete, der leise Wind ihre schwar-
zen Locken darauf hin und her bewegte, so
erwachte das Gefühl der unterdrückten Na-
tur so stürmend in dem Eremiten, daß er
an diesen blendenden Busen sank, ohne zu
wissen, wie ihm geschah. Die Pilgerin
führte ihn unmerklich von einer Stufe
der Lust zu der andern, und da er eben hoff-
te, sich seinem Wunsche zu nahen, so lispel-
te sie ihm leise in's Ohr: "Sie würde ewig
"die seinige seyn, wenn er sie zuvor an die-
"sen Frechen rächen, und sich ihres Scha-
"tzes bemächtigen wollte, durch dessen Be-
"sitz sie beyde ein seeliges, wollüstiges Le-
"ben, bis an ihr Ende führen könnten."

Der

Thraͤnen um Vergebung, daß ſie gezwun-
gen ſeine heilige Augen beleidigt haͤtte;
that dabey ſo wehmuͤthig und untroͤſtlich,
faßte ſeine Haͤnde ſo warm, ließ ſich end-
lich vor ihm auf die Knie nieder, und da in
dieſem Augenblick ihre Bruſt ſich oͤfnete,
und der ſilberne Mond ihren ſchimmernden
Buſen erleuchtete, der leiſe Wind ihre ſchwar-
zen Locken darauf hin und her bewegte, ſo
erwachte das Gefuͤhl der unterdruͤckten Na-
tur ſo ſtuͤrmend in dem Eremiten, daß er
an dieſen blendenden Buſen ſank, ohne zu
wiſſen, wie ihm geſchah. Die Pilgerin
fuͤhrte ihn unmerklich von einer Stufe
der Luſt zu der andern, und da er eben hoff-
te, ſich ſeinem Wunſche zu nahen, ſo liſpel-
te ſie ihm leiſe in’s Ohr: „Sie wuͤrde ewig
„die ſeinige ſeyn, wenn er ſie zuvor an die-
„ſen Frechen raͤchen, und ſich ihres Scha-
„tzes bemaͤchtigen wollte, durch deſſen Be-
„ſitz ſie beyde ein ſeeliges, wolluͤſtiges Le-
„ben, bis an ihr Ende fuͤhren koͤnnten.“

Der
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[120/0131] Thraͤnen um Vergebung, daß ſie gezwun- gen ſeine heilige Augen beleidigt haͤtte; that dabey ſo wehmuͤthig und untroͤſtlich, faßte ſeine Haͤnde ſo warm, ließ ſich end- lich vor ihm auf die Knie nieder, und da in dieſem Augenblick ihre Bruſt ſich oͤfnete, und der ſilberne Mond ihren ſchimmernden Buſen erleuchtete, der leiſe Wind ihre ſchwar- zen Locken darauf hin und her bewegte, ſo erwachte das Gefuͤhl der unterdruͤckten Na- tur ſo ſtuͤrmend in dem Eremiten, daß er an dieſen blendenden Buſen ſank, ohne zu wiſſen, wie ihm geſchah. Die Pilgerin fuͤhrte ihn unmerklich von einer Stufe der Luſt zu der andern, und da er eben hoff- te, ſich ſeinem Wunſche zu nahen, ſo liſpel- te ſie ihm leiſe in’s Ohr: „Sie wuͤrde ewig „die ſeinige ſeyn, wenn er ſie zuvor an die- „ſen Frechen raͤchen, und ſich ihres Scha- „tzes bemaͤchtigen wollte, durch deſſen Be- „ſitz ſie beyde ein ſeeliges, wolluͤſtiges Le- „ben, bis an ihr Ende fuͤhren koͤnnten.“ Der

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/131>, abgerufen am 09.05.2024.