Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

"Kette der Nothwendigkeit gezwungen zu
"handeln, so muß man seine Handlungen
"und Thaten dem höchsten Wesen selbst zu-
"schreiben, und sie hören dadurch auf straf-
"bar zu seyn. Kann von einem vollkomm-
"nen Wesen etwas anders als Gutes und
"Vollkommnes fließen? Nun so sind es un-
"sre Handlungen, so scheußlich sie uns auch
"vorkommen mögen, und wir sind ihr Opfer,
"ohne abzusehen warum. Sind sie sträf-
"lich, und das was sie uns scheinen, so ist
"dieses Wesen ungerecht gegen uns, denn
"es straft Greuel an uns, deren Quelle es
"selbst ist. Teufel, löse mir diese Räthsel
"auf, ich will wissen, warum der Gerechte
"leidet, und der Ruchlose belohnt wird?"

Teufel. Faust, du hast zwey Fälle gesezt,
wie, wenn es noch einen dritten gäbe? Nehm-
lich, daß ihr auf die Erde geworfen wärt, wie
Staub und das Gewürme, ohne Vorsicht
und Unterschied. Einem dunklen Wirrwarr
überlassen, den man euch, wie einen ver-
worrnen Knäul übergeben hätte, ihn aus-

einander
N 2

„Kette der Nothwendigkeit gezwungen zu
„handeln, ſo muß man ſeine Handlungen
„und Thaten dem hoͤchſten Weſen ſelbſt zu-
„ſchreiben, und ſie hoͤren dadurch auf ſtraf-
„bar zu ſeyn. Kann von einem vollkomm-
„nen Weſen etwas anders als Gutes und
„Vollkommnes fließen? Nun ſo ſind es un-
„ſre Handlungen, ſo ſcheußlich ſie uns auch
„vorkommen moͤgen, und wir ſind ihr Opfer,
„ohne abzuſehen warum. Sind ſie ſtraͤf-
„lich, und das was ſie uns ſcheinen, ſo iſt
„dieſes Weſen ungerecht gegen uns, denn
„es ſtraft Greuel an uns, deren Quelle es
„ſelbſt iſt. Teufel, loͤſe mir dieſe Raͤthſel
„auf, ich will wiſſen, warum der Gerechte
„leidet, und der Ruchloſe belohnt wird?“

Teufel. Fauſt, du haſt zwey Faͤlle geſezt,
wie, wenn es noch einen dritten gaͤbe? Nehm-
lich, daß ihr auf die Erde geworfen waͤrt, wie
Staub und das Gewuͤrme, ohne Vorſicht
und Unterſchied. Einem dunklen Wirrwarr
uͤberlaſſen, den man euch, wie einen ver-
worrnen Knaͤul uͤbergeben haͤtte, ihn aus-

einander
N 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0206" n="195"/>
&#x201E;Kette der Nothwendigkeit gezwungen zu<lb/>
&#x201E;handeln, &#x017F;o muß man &#x017F;eine Handlungen<lb/>
&#x201E;und Thaten dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten We&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t zu-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chreiben, und &#x017F;ie ho&#x0364;ren dadurch auf &#x017F;traf-<lb/>
&#x201E;bar zu &#x017F;eyn. Kann von einem vollkomm-<lb/>
&#x201E;nen We&#x017F;en etwas anders als Gutes und<lb/>
&#x201E;Vollkommnes fließen? Nun &#x017F;o &#x017F;ind es un-<lb/>
&#x201E;&#x017F;re Handlungen, &#x017F;o &#x017F;cheußlich &#x017F;ie uns auch<lb/>
&#x201E;vorkommen mo&#x0364;gen, und wir &#x017F;ind ihr Opfer,<lb/>
&#x201E;ohne abzu&#x017F;ehen warum. Sind &#x017F;ie &#x017F;tra&#x0364;f-<lb/>
&#x201E;lich, und das was &#x017F;ie uns &#x017F;cheinen, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
&#x201E;die&#x017F;es We&#x017F;en ungerecht gegen uns, denn<lb/>
&#x201E;es &#x017F;traft Greuel an uns, deren Quelle es<lb/>
&#x201E;&#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t. Teufel, lo&#x0364;&#x017F;e mir die&#x017F;e Ra&#x0364;th&#x017F;el<lb/>
&#x201E;auf, ich will wi&#x017F;&#x017F;en, warum der Gerechte<lb/>
&#x201E;leidet, und der Ruchlo&#x017F;e belohnt wird?&#x201C;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Teufel</hi>. Fau&#x017F;t, du ha&#x017F;t zwey Fa&#x0364;lle ge&#x017F;ezt,<lb/>
wie, wenn es noch einen dritten ga&#x0364;be? Nehm-<lb/>
lich, daß ihr auf die Erde geworfen wa&#x0364;rt, wie<lb/>
Staub und das Gewu&#x0364;rme, ohne Vor&#x017F;icht<lb/>
und Unter&#x017F;chied. Einem dunklen Wirrwarr<lb/>
u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, den man euch, wie einen ver-<lb/>
worrnen Kna&#x0364;ul u&#x0364;bergeben ha&#x0364;tte, ihn aus-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 2</fw><fw place="bottom" type="catch">einander</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0206] „Kette der Nothwendigkeit gezwungen zu „handeln, ſo muß man ſeine Handlungen „und Thaten dem hoͤchſten Weſen ſelbſt zu- „ſchreiben, und ſie hoͤren dadurch auf ſtraf- „bar zu ſeyn. Kann von einem vollkomm- „nen Weſen etwas anders als Gutes und „Vollkommnes fließen? Nun ſo ſind es un- „ſre Handlungen, ſo ſcheußlich ſie uns auch „vorkommen moͤgen, und wir ſind ihr Opfer, „ohne abzuſehen warum. Sind ſie ſtraͤf- „lich, und das was ſie uns ſcheinen, ſo iſt „dieſes Weſen ungerecht gegen uns, denn „es ſtraft Greuel an uns, deren Quelle es „ſelbſt iſt. Teufel, loͤſe mir dieſe Raͤthſel „auf, ich will wiſſen, warum der Gerechte „leidet, und der Ruchloſe belohnt wird?“ Teufel. Fauſt, du haſt zwey Faͤlle geſezt, wie, wenn es noch einen dritten gaͤbe? Nehm- lich, daß ihr auf die Erde geworfen waͤrt, wie Staub und das Gewuͤrme, ohne Vorſicht und Unterſchied. Einem dunklen Wirrwarr uͤberlaſſen, den man euch, wie einen ver- worrnen Knaͤul uͤbergeben haͤtte, ihn aus- einander N 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/206
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/206>, abgerufen am 21.11.2024.