einander zu zerren, und wenn euch das un- mögliche Werk nicht gelänge, Euch euer strenger Herr und Richter doch zur Rechen- schaft dafür aufforderte? Wenn er nun, gleich einem Despoten, Eurem Herzen da- rum solche zweydeutige Gesetze, und wider- sprechende Neigungen eingedrückt hätte, um sich die Erklärung des dunklen Sin[n]s der- selben vorzubehalten, und nach Gefallen zu strafen und zu belohnen?
Faust. Bey welchem Philosophen bist du in die Schule gegangen, daß du mir ein Wenn nach dem andern auftischest? Ha, ich fühle es, der Mensch soll und muß in der Finsterniß tappen, sein Herz durch die Er- scheinungen zerreissen lassen, und wenn er's auch mit dem Teufel versucht, Licht und Klarheit zu erringen.
Teufel. Schüttle diese Zweifel ab, kei- nem in Fleisch gehüllt ist es gegeben, diesen Knoten zu lösen, und tausende werden sich daran erwürgen. Vergiß den Zweck nicht, den wir uns bey unsrer erstern Zusammen-
kunft
einander zu zerren, und wenn euch das un- moͤgliche Werk nicht gelaͤnge, Euch euer ſtrenger Herr und Richter doch zur Rechen- ſchaft dafuͤr aufforderte? Wenn er nun, gleich einem Deſpoten, Eurem Herzen da- rum ſolche zweydeutige Geſetze, und wider- ſprechende Neigungen eingedruͤckt haͤtte, um ſich die Erklaͤrung des dunklen Sin[n]s der- ſelben vorzubehalten, und nach Gefallen zu ſtrafen und zu belohnen?
Fauſt. Bey welchem Philoſophen biſt du in die Schule gegangen, daß du mir ein Wenn nach dem andern auftiſcheſt? Ha, ich fuͤhle es, der Menſch ſoll und muß in der Finſterniß tappen, ſein Herz durch die Er- ſcheinungen zerreiſſen laſſen, und wenn er’s auch mit dem Teufel verſucht, Licht und Klarheit zu erringen.
Teufel. Schuͤttle dieſe Zweifel ab, kei- nem in Fleiſch gehuͤllt iſt es gegeben, dieſen Knoten zu loͤſen, und tauſende werden ſich daran erwuͤrgen. Vergiß den Zweck nicht, den wir uns bey unſrer erſtern Zuſammen-
kunft
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einander zu zerren, und wenn euch das un-
moͤgliche Werk nicht gelaͤnge, Euch euer
ſtrenger Herr und Richter doch zur Rechen-
ſchaft dafuͤr aufforderte? Wenn er nun,
gleich einem Deſpoten, Eurem Herzen da-
rum ſolche zweydeutige Geſetze, und wider-
ſprechende Neigungen eingedruͤckt haͤtte, um
ſich die Erklaͤrung des dunklen Sinns der-
ſelben vorzubehalten, und nach Gefallen zu
ſtrafen und zu belohnen?
Fauſt. Bey welchem Philoſophen biſt du
in die Schule gegangen, daß du mir ein
Wenn nach dem andern auftiſcheſt? Ha, ich
fuͤhle es, der Menſch ſoll und muß in der
Finſterniß tappen, ſein Herz durch die Er-
ſcheinungen zerreiſſen laſſen, und wenn er’s
auch mit dem Teufel verſucht, Licht und
Klarheit zu erringen.
Teufel. Schuͤttle dieſe Zweifel ab, kei-
nem in Fleiſch gehuͤllt iſt es gegeben, dieſen
Knoten zu loͤſen, und tauſende werden ſich
daran erwuͤrgen. Vergiß den Zweck nicht,
den wir uns bey unſrer erſtern Zuſammen-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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