Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

üppigen, heißhungrigen Gebährm[ut]ter für
himmlische Begeistrung, siehst seelige Gefüh-
le in den Augen der Matrone, während ih-
re Fantasie mit Bildern der Wollust buhlt.
Drang nach edler Thätigkeit auf der Stir-
ne des Jünglings, während der Löwe Tem-
perament
in ihm brüllt. Wie willst du
die Kraft des Menschen abwägen, da du
den gefährlichen, wilden Kampf, den sie im
Innern erregt, nie gefühlt hast? wie be-
stimmen, welcher Versuchung er unterliegen
muß, da du dich bloß mit Schatten ge-
nährt hast? Was meinst du, wenn einer die
Floskeln, womit du deine Unerfahrenheit
und Unwissenheit deckst, in schlichten Men-
schensinn auflöste? Was würde übrig blei-
ben als Seifenblasen?

Der Teufel nahm das Wort: Und
wie, wenn dir alle die Schatten, womit du
dein dickes Buch ausgepuzt hast, in ihrer
wahren Gestalt erschienen, wie ich dir nun
erscheinen will? Ich habe gesehen, daß du
auch den Teufel portraitirt und gemustert hast,

es

uͤppigen, heißhungrigen Gebaͤhrm[ut]ter fuͤr
himmliſche Begeiſtrung, ſiehſt ſeelige Gefuͤh-
le in den Augen der Matrone, waͤhrend ih-
re Fantaſie mit Bildern der Wolluſt buhlt.
Drang nach edler Thaͤtigkeit auf der Stir-
ne des Juͤnglings, waͤhrend der Loͤwe Tem-
perament
in ihm bruͤllt. Wie willſt du
die Kraft des Menſchen abwaͤgen, da du
den gefaͤhrlichen, wilden Kampf, den ſie im
Innern erregt, nie gefuͤhlt haſt? wie be-
ſtimmen, welcher Verſuchung er unterliegen
muß, da du dich bloß mit Schatten ge-
naͤhrt haſt? Was meinſt du, wenn einer die
Floskeln, womit du deine Unerfahrenheit
und Unwiſſenheit deckſt, in ſchlichten Men-
ſchenſinn aufloͤſte? Was wuͤrde uͤbrig blei-
ben als Seifenblaſen?

Der Teufel nahm das Wort: Und
wie, wenn dir alle die Schatten, womit du
dein dickes Buch ausgepuzt haſt, in ihrer
wahren Geſtalt erſchienen, wie ich dir nun
erſcheinen will? Ich habe geſehen, daß du
auch den Teufel portraitirt und gemuſtert haſt,

es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0247" n="236"/>
u&#x0364;ppigen, heißhungrigen Geba&#x0364;hrm<supplied>ut</supplied>ter fu&#x0364;r<lb/>
himmli&#x017F;che Begei&#x017F;trung, &#x017F;ieh&#x017F;t &#x017F;eelige Gefu&#x0364;h-<lb/>
le in den Augen der Matrone, wa&#x0364;hrend ih-<lb/>
re Fanta&#x017F;ie mit Bildern der Wollu&#x017F;t buhlt.<lb/>
Drang nach edler Tha&#x0364;tigkeit auf der Stir-<lb/>
ne des Ju&#x0364;nglings, wa&#x0364;hrend der Lo&#x0364;we <hi rendition="#fr">Tem-<lb/>
perament</hi> in ihm bru&#x0364;llt. Wie will&#x017F;t du<lb/>
die Kraft des Men&#x017F;chen abwa&#x0364;gen, da du<lb/>
den gefa&#x0364;hrlichen, wilden Kampf, den &#x017F;ie im<lb/>
Innern erregt, nie gefu&#x0364;hlt ha&#x017F;t? wie be-<lb/>
&#x017F;timmen, welcher Ver&#x017F;uchung er unterliegen<lb/>
muß, da du dich bloß mit Schatten ge-<lb/>
na&#x0364;hrt ha&#x017F;t? Was mein&#x017F;t du, wenn einer die<lb/>
Floskeln, womit du deine Unerfahrenheit<lb/>
und Unwi&#x017F;&#x017F;enheit deck&#x017F;t, in &#x017F;chlichten Men-<lb/>
&#x017F;chen&#x017F;inn auflo&#x0364;&#x017F;te? Was wu&#x0364;rde u&#x0364;brig blei-<lb/>
ben als Seifenbla&#x017F;en?</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#fr">Teufel</hi> <hi rendition="#g">nahm das Wort:</hi> Und<lb/>
wie, wenn dir alle die Schatten, womit du<lb/>
dein dickes Buch ausgepuzt ha&#x017F;t, in ihrer<lb/>
wahren Ge&#x017F;talt er&#x017F;chienen, wie ich dir nun<lb/>
er&#x017F;cheinen will? Ich habe ge&#x017F;ehen, daß du<lb/>
auch den Teufel portraitirt und gemu&#x017F;tert ha&#x017F;t,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0247] uͤppigen, heißhungrigen Gebaͤhrmutter fuͤr himmliſche Begeiſtrung, ſiehſt ſeelige Gefuͤh- le in den Augen der Matrone, waͤhrend ih- re Fantaſie mit Bildern der Wolluſt buhlt. Drang nach edler Thaͤtigkeit auf der Stir- ne des Juͤnglings, waͤhrend der Loͤwe Tem- perament in ihm bruͤllt. Wie willſt du die Kraft des Menſchen abwaͤgen, da du den gefaͤhrlichen, wilden Kampf, den ſie im Innern erregt, nie gefuͤhlt haſt? wie be- ſtimmen, welcher Verſuchung er unterliegen muß, da du dich bloß mit Schatten ge- naͤhrt haſt? Was meinſt du, wenn einer die Floskeln, womit du deine Unerfahrenheit und Unwiſſenheit deckſt, in ſchlichten Men- ſchenſinn aufloͤſte? Was wuͤrde uͤbrig blei- ben als Seifenblaſen? Der Teufel nahm das Wort: Und wie, wenn dir alle die Schatten, womit du dein dickes Buch ausgepuzt haſt, in ihrer wahren Geſtalt erſchienen, wie ich dir nun erſcheinen will? Ich habe geſehen, daß du auch den Teufel portraitirt und gemuſtert haſt, es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/247
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/247>, abgerufen am 24.11.2024.