es ist hohe Zeit, daß er dir erscheine. Sieh mich an! ich will nun mein Inneres auf mein Aeußeres ziehen, und du sollst in Staub vor dem Ideal hinsinken, das deine Fanta- sie in mir gesehen hat. Davon sahst du nichts, daß dieser hier in deinen Schafstall gebrochen ist, und deine geistige Lämmer er- würgt hat. Sieh, er dampft vom Genuß der Wollust -- und nun blick' auf, und sage dann, du habest einmal ein Ding in seiner wahren Gestalt gesehen.
Hier zog der Teufel sein Inneres in der fürchterlichsten Maske der Hölle hervor, stell- te sich vor Fausten, daß er ihn nicht beob- achten konnte. Der Mönch sank zusam- men, und der Teufel wandte sich zu Faust in seiner vorigen Gestalt.
Teufel. Nun sage, du hättest den Teu- fel gesehen, und mahle ihn, wenn du die Kraft dazu hast. Oft würdest du so zu- sammensinken, wenn du das wahre Innere derer sähest, die du als Engel gemahlt hast.
Faust.
es iſt hohe Zeit, daß er dir erſcheine. Sieh mich an! ich will nun mein Inneres auf mein Aeußeres ziehen, und du ſollſt in Staub vor dem Ideal hinſinken, das deine Fanta- ſie in mir geſehen hat. Davon ſahſt du nichts, daß dieſer hier in deinen Schafſtall gebrochen iſt, und deine geiſtige Laͤmmer er- wuͤrgt hat. Sieh, er dampft vom Genuß der Wolluſt — und nun blick’ auf, und ſage dann, du habeſt einmal ein Ding in ſeiner wahren Geſtalt geſehen.
Hier zog der Teufel ſein Inneres in der fuͤrchterlichſten Maske der Hoͤlle hervor, ſtell- te ſich vor Fauſten, daß er ihn nicht beob- achten konnte. Der Moͤnch ſank zuſam- men, und der Teufel wandte ſich zu Fauſt in ſeiner vorigen Geſtalt.
Teufel. Nun ſage, du haͤtteſt den Teu- fel geſehen, und mahle ihn, wenn du die Kraft dazu haſt. Oft wuͤrdeſt du ſo zu- ſammenſinken, wenn du das wahre Innere derer ſaͤheſt, die du als Engel gemahlt haſt.
Fauſt.
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es iſt hohe Zeit, daß er dir erſcheine. Sieh
mich an! ich will nun mein Inneres auf
mein Aeußeres ziehen, und du ſollſt in Staub
vor dem Ideal hinſinken, das deine Fanta-
ſie in mir geſehen hat. Davon ſahſt du
nichts, daß dieſer hier in deinen Schafſtall
gebrochen iſt, und deine geiſtige Laͤmmer er-
wuͤrgt hat. Sieh, er dampft vom Genuß
der Wolluſt — und nun blick’ auf, und
ſage dann, du habeſt einmal ein Ding in
ſeiner wahren Geſtalt geſehen.
Hier zog der Teufel ſein Inneres in der
fuͤrchterlichſten Maske der Hoͤlle hervor, ſtell-
te ſich vor Fauſten, daß er ihn nicht beob-
achten konnte. Der Moͤnch ſank zuſam-
men, und der Teufel wandte ſich zu Fauſt
in ſeiner vorigen Geſtalt.
Teufel. Nun ſage, du haͤtteſt den Teu-
fel geſehen, und mahle ihn, wenn du die
Kraft dazu haſt. Oft wuͤrdeſt du ſo zu-
ſammenſinken, wenn du das wahre Innere
derer ſaͤheſt, die du als Engel gemahlt
haſt.
Fauſt.
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/248>, abgerufen am 24.11.2024.
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