Versammlung an ihrem Pförtchen, und Klärchen beantwortete naiv, die noch naive- ren Fragen der Schwestern. Die Trompe- ten des jüngsten Gerichts können einst in Mainz nicht mehr Schrecken und Verwir- rung verbreiten, als diese Geschichte.
Da der Prior der Dominikaner diesen Vorfall erfuhr, rannte er nach dem ver- sammelten Kapitul, und gab durch diesen Bericht auf einmal der Sache eine neue Wendung. Der Erzbischof hätte nun gern den ganzen Handel unterdrückt; aber jezt lag dem Kapitul dran, ihn auszubrei- ten, und alle Domherrn stimmten einmüthig darauf, die bedenkliche Sache müßte dem heiligen Vater in Rom vorgelegt werden. Man schrie, raste, tobte, drohte, und nun die Mittagsglocke konnte die Streitenden auseinander bringen. Die offne Feyde ver- wandelte sich bald in eine feinere. Von Hofe aus fing man an zu bestechen, im Ka- pitul zu intriguiren, und ganz Mainz, Mönch und Laie, zerfiel auf einige Jahre
in
Verſammlung an ihrem Pfoͤrtchen, und Klaͤrchen beantwortete naiv, die noch naive- ren Fragen der Schweſtern. Die Trompe- ten des juͤngſten Gerichts koͤnnen einſt in Mainz nicht mehr Schrecken und Verwir- rung verbreiten, als dieſe Geſchichte.
Da der Prior der Dominikaner dieſen Vorfall erfuhr, rannte er nach dem ver- ſammelten Kapitul, und gab durch dieſen Bericht auf einmal der Sache eine neue Wendung. Der Erzbiſchof haͤtte nun gern den ganzen Handel unterdruͤckt; aber jezt lag dem Kapitul dran, ihn auszubrei- ten, und alle Domherrn ſtimmten einmuͤthig darauf, die bedenkliche Sache muͤßte dem heiligen Vater in Rom vorgelegt werden. Man ſchrie, raſte, tobte, drohte, und nun die Mittagsglocke konnte die Streitenden auseinander bringen. Die offne Feyde ver- wandelte ſich bald in eine feinere. Von Hofe aus fing man an zu beſtechen, im Ka- pitul zu intriguiren, und ganz Mainz, Moͤnch und Laie, zerfiel auf einige Jahre
in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0025"n="14"/>
Verſammlung an ihrem Pfoͤrtchen, und<lb/>
Klaͤrchen beantwortete naiv, die noch naive-<lb/>
ren Fragen der Schweſtern. Die Trompe-<lb/>
ten des juͤngſten Gerichts koͤnnen einſt in<lb/>
Mainz nicht mehr Schrecken und Verwir-<lb/>
rung verbreiten, als dieſe Geſchichte.</p><lb/><p>Da der Prior der Dominikaner dieſen<lb/>
Vorfall erfuhr, rannte er nach dem ver-<lb/>ſammelten Kapitul, und gab durch dieſen<lb/>
Bericht auf einmal der Sache eine neue<lb/>
Wendung. Der Erzbiſchof haͤtte nun gern<lb/>
den ganzen Handel unterdruͤckt; aber<lb/>
jezt lag dem Kapitul dran, ihn auszubrei-<lb/>
ten, und alle Domherrn ſtimmten einmuͤthig<lb/>
darauf, die bedenkliche Sache muͤßte dem<lb/>
heiligen Vater in Rom vorgelegt werden.<lb/>
Man ſchrie, raſte, tobte, drohte, und nun<lb/>
die Mittagsglocke konnte die Streitenden<lb/>
auseinander bringen. Die offne Feyde ver-<lb/>
wandelte ſich bald in eine feinere. Von<lb/>
Hofe aus fing man an zu beſtechen, im Ka-<lb/>
pitul zu intriguiren, und ganz Mainz,<lb/>
Moͤnch und Laie, zerfiel auf einige Jahre<lb/><fwplace="bottom"type="catch">in</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0025]
Verſammlung an ihrem Pfoͤrtchen, und
Klaͤrchen beantwortete naiv, die noch naive-
ren Fragen der Schweſtern. Die Trompe-
ten des juͤngſten Gerichts koͤnnen einſt in
Mainz nicht mehr Schrecken und Verwir-
rung verbreiten, als dieſe Geſchichte.
Da der Prior der Dominikaner dieſen
Vorfall erfuhr, rannte er nach dem ver-
ſammelten Kapitul, und gab durch dieſen
Bericht auf einmal der Sache eine neue
Wendung. Der Erzbiſchof haͤtte nun gern
den ganzen Handel unterdruͤckt; aber
jezt lag dem Kapitul dran, ihn auszubrei-
ten, und alle Domherrn ſtimmten einmuͤthig
darauf, die bedenkliche Sache muͤßte dem
heiligen Vater in Rom vorgelegt werden.
Man ſchrie, raſte, tobte, drohte, und nun
die Mittagsglocke konnte die Streitenden
auseinander bringen. Die offne Feyde ver-
wandelte ſich bald in eine feinere. Von
Hofe aus fing man an zu beſtechen, im Ka-
pitul zu intriguiren, und ganz Mainz,
Moͤnch und Laie, zerfiel auf einige Jahre
in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/25>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.