chen, schoß lebhafter als je durch sein Ge- hirn. Noch erschütterte ihn die Vorstel- lung davon. Mit heftigen Schritten, wü- thenden Gebehrden, unter fürchterlichen Ausrufungen, gieng er in seinem Zimmer auf und ab, und kämpfte mit seinen innern, aufrührerischen Kräften. Kühn strebten die- se, das Dunkel zu durchbrechen, das uns umhüllt, noch schaudert sein Geist vor dem Entschluß; aber nun wägt der Lüsterne die Befriedigung der unersättlichen Begierden seines Herzens, die längst gewünschte Ge- nüße der ganzen Natur, gegen die Vor- urtheile der Jugend, die Armuth und die Verachtung der Menschen. Schon schwankt die Zunge der Wage. Die Glocke schlägt elf auf dem nahen Thurme. Schwarze Nacht liegt auf der Erde. Der Sturm heult aus Norden, die Wolken verhüllen den vollen Mond, die Natur ist im Auf- ruhr. Eine herrliche Nacht, die empörte Einbildungskraft zu verwildern. Noch schwankt die Zunge der Wage. In dieser
Scha-
Fausts Leben. B
chen, ſchoß lebhafter als je durch ſein Ge- hirn. Noch erſchuͤtterte ihn die Vorſtel- lung davon. Mit heftigen Schritten, wuͤ- thenden Gebehrden, unter fuͤrchterlichen Ausrufungen, gieng er in ſeinem Zimmer auf und ab, und kaͤmpfte mit ſeinen innern, aufruͤhreriſchen Kraͤften. Kuͤhn ſtrebten die- ſe, das Dunkel zu durchbrechen, das uns umhuͤllt, noch ſchaudert ſein Geiſt vor dem Entſchluß; aber nun waͤgt der Luͤſterne die Befriedigung der unerſaͤttlichen Begierden ſeines Herzens, die laͤngſt gewuͤnſchte Ge- nuͤße der ganzen Natur, gegen die Vor- urtheile der Jugend, die Armuth und die Verachtung der Menſchen. Schon ſchwankt die Zunge der Wage. Die Glocke ſchlaͤgt elf auf dem nahen Thurme. Schwarze Nacht liegt auf der Erde. Der Sturm heult aus Norden, die Wolken verhuͤllen den vollen Mond, die Natur iſt im Auf- ruhr. Eine herrliche Nacht, die empoͤrte Einbildungskraft zu verwildern. Noch ſchwankt die Zunge der Wage. In dieſer
Scha-
Fauſts Leben. B
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chen, ſchoß lebhafter als je durch ſein Ge-
hirn. Noch erſchuͤtterte ihn die Vorſtel-
lung davon. Mit heftigen Schritten, wuͤ-
thenden Gebehrden, unter fuͤrchterlichen
Ausrufungen, gieng er in ſeinem Zimmer
auf und ab, und kaͤmpfte mit ſeinen innern,
aufruͤhreriſchen Kraͤften. Kuͤhn ſtrebten die-
ſe, das Dunkel zu durchbrechen, das uns
umhuͤllt, noch ſchaudert ſein Geiſt vor dem
Entſchluß; aber nun waͤgt der Luͤſterne die
Befriedigung der unerſaͤttlichen Begierden
ſeines Herzens, die laͤngſt gewuͤnſchte Ge-
nuͤße der ganzen Natur, gegen die Vor-
urtheile der Jugend, die Armuth und die
Verachtung der Menſchen. Schon ſchwankt
die Zunge der Wage. Die Glocke ſchlaͤgt
elf auf dem nahen Thurme. Schwarze
Nacht liegt auf der Erde. Der Sturm
heult aus Norden, die Wolken verhuͤllen
den vollen Mond, die Natur iſt im Auf-
ruhr. Eine herrliche Nacht, die empoͤrte
Einbildungskraft zu verwildern. Noch
ſchwankt die Zunge der Wage. In dieſer
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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