das Licht der Welt erblickte. Sie, das un- glückliche Opfer deiner augenblicklichen Lust, ward eingezogen, und öffentlich als Kinder- mörderin hingerichtet. Du hättest sie sehen sollen im lezten Augenblick ihres Lebens -- sehen sollen, wie ihr reines Blut den weißen Talar befleckte --
Faust öffnete seine starre Augen und sah gen Himmel.
Teufel. Er ist taub gegen dich! Sey stolz auf den Gedanken, einen Augenblick gelebt zu haben, der das Vergehen der Teu- fel leicht machen könnte, wenn das Gericht über sie nicht geschlossen wäre! Noch rauscht er in den düstern Gefilden der Ewigkeit. Ich rede von jenem, da du mich zwingen wolltest, den Schleier zu heben, der Euch den Ewigen verbirgt. Der Engel der euer Schuldbuch führt, erbebte auf seinem glän- zenden Sitze, und strich deinen Namen mit weggewandtem Angesicht aus dem Buche des Lebens.
Faust.
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das Licht der Welt erblickte. Sie, das un- gluͤckliche Opfer deiner augenblicklichen Luſt, ward eingezogen, und oͤffentlich als Kinder- moͤrderin hingerichtet. Du haͤtteſt ſie ſehen ſollen im lezten Augenblick ihres Lebens — ſehen ſollen, wie ihr reines Blut den weißen Talar befleckte —
Fauſt oͤffnete ſeine ſtarre Augen und ſah gen Himmel.
Teufel. Er iſt taub gegen dich! Sey ſtolz auf den Gedanken, einen Augenblick gelebt zu haben, der das Vergehen der Teu- fel leicht machen koͤnnte, wenn das Gericht uͤber ſie nicht geſchloſſen waͤre! Noch rauſcht er in den duͤſtern Gefilden der Ewigkeit. Ich rede von jenem, da du mich zwingen wollteſt, den Schleier zu heben, der Euch den Ewigen verbirgt. Der Engel der euer Schuldbuch fuͤhrt, erbebte auf ſeinem glaͤn- zenden Sitze, und ſtrich deinen Namen mit weggewandtem Angeſicht aus dem Buche des Lebens.
Fauſt.
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das Licht der Welt erblickte. Sie, das un-
gluͤckliche Opfer deiner augenblicklichen Luſt,
ward eingezogen, und oͤffentlich als Kinder-
moͤrderin hingerichtet. Du haͤtteſt ſie ſehen
ſollen im lezten Augenblick ihres Lebens —
ſehen ſollen, wie ihr reines Blut den weißen
Talar befleckte —
Fauſt oͤffnete ſeine ſtarre Augen und ſah
gen Himmel.
Teufel. Er iſt taub gegen dich! Sey
ſtolz auf den Gedanken, einen Augenblick
gelebt zu haben, der das Vergehen der Teu-
fel leicht machen koͤnnte, wenn das Gericht
uͤber ſie nicht geſchloſſen waͤre! Noch rauſcht
er in den duͤſtern Gefilden der Ewigkeit.
Ich rede von jenem, da du mich zwingen
wollteſt, den Schleier zu heben, der Euch
den Ewigen verbirgt. Der Engel der euer
Schuldbuch fuͤhrt, erbebte auf ſeinem glaͤn-
zenden Sitze, und ſtrich deinen Namen mit
weggewandtem Angeſicht aus dem Buche
des Lebens.
Fauſt.
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/402>, abgerufen am 24.11.2024.
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