Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
pfangen mit Friedenskronen. Komm, sei still!
Laß uns über den Tod reden! Jch bin vertraut
mit ihm, und will Dir seine Apologie halten, die
ganz kurz ist. Guelfo, er ist ein guter Freund,
heilt schnell alles Unglück. Du fühlst Dich matt,
als hättest Du eine weite beschwerliche Reise ge-
than, schlummerst ein, und fühlst Dich nach und
nach nicht ohne Wollust sterben. Er schmerzt
nicht, Guelfo, nur in der Einbildung; er ist viel
zu freundlich. Er schlingt Dir ein Band um
den Hals, das nicht schmerzt, es ist mit einer
einschläfernden Süßigkeit begabt. Kein Morgen-
traum ist lieblicher. Guelfo, ein herrlicher Ge-
danke durchzittert mich -- nicht zu sein! Und
sind wir so? -- Jch meine, des Menschen Be-
stimmung wäre, zu handeln, sich seinen Brüdern
mitzutheilen. Wenn sie das nicht wollen --
Guelfo, über das Grab geht der Weg zu Juliet-
ten -- Du giebst nicht acht!
Guelfo. Schwärme Du immer, Grimaldi!
Mich deucht, man müsse sich rächen, und dann
sterben. Rache ist Seligkeit, und geh ich dann
über, bin ich nicht zwiefach selig.
Grimaldi. Nachdem die Rache ist -- auch
zwiefach verdammt.
Guelfo.
pfangen mit Friedenskronen. Komm, ſei ſtill!
Laß uns uͤber den Tod reden! Jch bin vertraut
mit ihm, und will Dir ſeine Apologie halten, die
ganz kurz iſt. Guelfo, er iſt ein guter Freund,
heilt ſchnell alles Ungluͤck. Du fuͤhlſt Dich matt,
als haͤtteſt Du eine weite beſchwerliche Reiſe ge-
than, ſchlummerſt ein, und fuͤhlſt Dich nach und
nach nicht ohne Wolluſt ſterben. Er ſchmerzt
nicht, Guelfo, nur in der Einbildung; er iſt viel
zu freundlich. Er ſchlingt Dir ein Band um
den Hals, das nicht ſchmerzt, es iſt mit einer
einſchlaͤfernden Suͤßigkeit begabt. Kein Morgen-
traum iſt lieblicher. Guelfo, ein herrlicher Ge-
danke durchzittert mich — nicht zu ſein! Und
ſind wir ſo? — Jch meine, des Menſchen Be-
ſtimmung waͤre, zu handeln, ſich ſeinen Bruͤdern
mitzutheilen. Wenn ſie das nicht wollen —
Guelfo, uͤber das Grab geht der Weg zu Juliet-
ten — Du giebſt nicht acht!
Guelfo. Schwaͤrme Du immer, Grimaldi!
Mich deucht, man muͤſſe ſich raͤchen, und dann
ſterben. Rache iſt Seligkeit, und geh ich dann
uͤber, bin ich nicht zwiefach ſelig.
Grimaldi. Nachdem die Rache iſt — auch
zwiefach verdammt.
Guelfo.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp>
              <p><pb facs="#f0078" n="72"/>
pfangen mit Friedenskronen. Komm, &#x017F;ei &#x017F;till!<lb/>
Laß uns u&#x0364;ber den Tod reden! Jch bin vertraut<lb/>
mit ihm, und will Dir &#x017F;eine Apologie halten, die<lb/>
ganz kurz i&#x017F;t. Guelfo, er i&#x017F;t ein guter Freund,<lb/>
heilt &#x017F;chnell alles Unglu&#x0364;ck. Du fu&#x0364;hl&#x017F;t Dich matt,<lb/>
als ha&#x0364;tte&#x017F;t Du eine weite be&#x017F;chwerliche Rei&#x017F;e ge-<lb/>
than, &#x017F;chlummer&#x017F;t ein, und fu&#x0364;hl&#x017F;t Dich nach und<lb/>
nach nicht ohne Wollu&#x017F;t &#x017F;terben. Er &#x017F;chmerzt<lb/>
nicht, Guelfo, nur in der Einbildung; er i&#x017F;t viel<lb/>
zu freundlich. Er &#x017F;chlingt Dir ein Band um<lb/>
den Hals, das nicht &#x017F;chmerzt, es i&#x017F;t mit einer<lb/>
ein&#x017F;chla&#x0364;fernden Su&#x0364;ßigkeit begabt. Kein Morgen-<lb/>
traum i&#x017F;t lieblicher. Guelfo, ein herrlicher Ge-<lb/>
danke durchzittert mich &#x2014; nicht zu &#x017F;ein! Und<lb/>
&#x017F;ind wir &#x017F;o? &#x2014; Jch meine, des Men&#x017F;chen Be-<lb/>
&#x017F;timmung wa&#x0364;re, zu handeln, &#x017F;ich &#x017F;einen Bru&#x0364;dern<lb/>
mitzutheilen. Wenn &#x017F;ie das nicht wollen &#x2014;<lb/>
Guelfo, u&#x0364;ber das Grab geht der Weg zu Juliet-<lb/>
ten &#x2014; Du gieb&#x017F;t nicht acht!</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Schwa&#x0364;rme Du immer, Grimaldi!<lb/>
Mich deucht, man mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich ra&#x0364;chen, und dann<lb/>
&#x017F;terben. Rache i&#x017F;t Seligkeit, und geh ich dann<lb/>
u&#x0364;ber, bin ich nicht zwiefach &#x017F;elig.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Grimaldi.</hi> </speaker>
              <p>Nachdem die Rache i&#x017F;t &#x2014; auch<lb/>
zwiefach verdammt.</p>
            </sp><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0078] pfangen mit Friedenskronen. Komm, ſei ſtill! Laß uns uͤber den Tod reden! Jch bin vertraut mit ihm, und will Dir ſeine Apologie halten, die ganz kurz iſt. Guelfo, er iſt ein guter Freund, heilt ſchnell alles Ungluͤck. Du fuͤhlſt Dich matt, als haͤtteſt Du eine weite beſchwerliche Reiſe ge- than, ſchlummerſt ein, und fuͤhlſt Dich nach und nach nicht ohne Wolluſt ſterben. Er ſchmerzt nicht, Guelfo, nur in der Einbildung; er iſt viel zu freundlich. Er ſchlingt Dir ein Band um den Hals, das nicht ſchmerzt, es iſt mit einer einſchlaͤfernden Suͤßigkeit begabt. Kein Morgen- traum iſt lieblicher. Guelfo, ein herrlicher Ge- danke durchzittert mich — nicht zu ſein! Und ſind wir ſo? — Jch meine, des Menſchen Be- ſtimmung waͤre, zu handeln, ſich ſeinen Bruͤdern mitzutheilen. Wenn ſie das nicht wollen — Guelfo, uͤber das Grab geht der Weg zu Juliet- ten — Du giebſt nicht acht! Guelfo. Schwaͤrme Du immer, Grimaldi! Mich deucht, man muͤſſe ſich raͤchen, und dann ſterben. Rache iſt Seligkeit, und geh ich dann uͤber, bin ich nicht zwiefach ſelig. Grimaldi. Nachdem die Rache iſt — auch zwiefach verdammt. Guelfo.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/78
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/78>, abgerufen am 24.11.2024.