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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Erstes Buch.
in verhaßte Gefahr zu setzen. Zu dem bin ich so
alber/ daß ich die Liebe nur nach ihrem Nahmen/
nicht aber nach ihrem Wesen kenne. Ja sie
würde mir gantz unbekannt seyn/ wenn ich nicht
die kurtze Zeit/ in welcher ich dero hohe Gnade ge-
nossen/ solche Dinge gesehen'/ daß ich nicht weiß/
ob man die Liebe einen Engel oder eine Mißgeburt
nennen soll. Die einfältige Warheit ist die be-
ste/ redete mir die Princeßin ein/ so rede demnach
deines Hertzens Meynung ohne einige Besor-
gung/ von dem Unterscheid der Liebe. Durch-
laucht. Princeßin/ erwiderte ich/ sie haben diese
wichtige Sache schon dermassen wol entschieden/
daß mein geringes Erachten ein tadelhaffter Uber-
fluß seyn würde. Damit ich aber nicht einiges
Ungehorsams dürffte bezüchtiget werden/ so ge-
stehe ich gar gerne/ daß ich keiner andern Mey-
nung bißher gewesen/ als die Liebe sey ein vollkom-
menes Laster/ weil ich aller Orthen keine andere
Wirckung verspühret/ als daß sie lediges Frauen-
zimmer vor der Zeit in Ehestand gebracht/ oder
auch verheyrathete Personen dahin veranlasset/
daß sie stets bemühet gewesen/ eines dem andern
ein härmicht Schmach-Alter auffzubauen/ und
dergleichen tausendfältige Greuel mehr/ welche
auch von der Einsalt selbst verfluchet werden.
Wenn ich nun nachgefraget/ wo solches alles her-
rühre/ so ist mir geantwortet worden: Von der
Liebe. Ja diese Liebe hat so gar eine neue Spra-
che erfunden/ wie die Beutelschneider/ denn wenn

ich
G 4

Erſtes Buch.
in verhaßte Gefahr zu ſetzen. Zu dem bin ich ſo
alber/ daß ich die Liebe nur nach ihrem Nahmen/
nicht aber nach ihrem Weſen kenne. Ja ſie
wuͤrde mir gantz unbekannt ſeyn/ wenn ich nicht
die kurtze Zeit/ in welcher ich dero hohe Gnade ge-
noſſen/ ſolche Dinge geſehen’/ daß ich nicht weiß/
ob man die Liebe einen Engel oder eine Mißgeburt
nennen ſoll. Die einfaͤltige Warheit iſt die be-
ſte/ redete mir die Princeßin ein/ ſo rede demnach
deines Hertzens Meynung ohne einige Beſor-
gung/ von dem Unterſcheid der Liebe. Durch-
laucht. Princeßin/ erwiderte ich/ ſie haben dieſe
wichtige Sache ſchon dermaſſen wol entſchieden/
daß mein geringes Erachten ein tadelhaffter Uber-
fluß ſeyn wuͤrde. Damit ich aber nicht einiges
Ungehorſams duͤrffte bezuͤchtiget werden/ ſo ge-
ſtehe ich gar gerne/ daß ich keiner andern Mey-
nung bißher geweſen/ als die Liebe ſey ein vollkom-
menes Laſter/ weil ich aller Orthen keine andere
Wirckung verſpuͤhret/ als daß ſie lediges Frauen-
zimmer vor der Zeit in Eheſtand gebracht/ oder
auch verheyrathete Perſonen dahin veranlaſſet/
daß ſie ſtets bemuͤhet geweſen/ eines dem andern
ein haͤrmicht Schmach-Alter auffzubauen/ und
dergleichen tauſendfaͤltige Greuel mehr/ welche
auch von der Einſalt ſelbſt verfluchet werden.
Wenn ich nun nachgefraget/ wo ſolches alles her-
ruͤhre/ ſo iſt mir geantwortet worden: Von der
Liebe. Ja dieſe Liebe hat ſo gar eine neue Spra-
che erfunden/ wie die Beutelſchneider/ denn wenn

ich
G 4
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[103/0123] Erſtes Buch. in verhaßte Gefahr zu ſetzen. Zu dem bin ich ſo alber/ daß ich die Liebe nur nach ihrem Nahmen/ nicht aber nach ihrem Weſen kenne. Ja ſie wuͤrde mir gantz unbekannt ſeyn/ wenn ich nicht die kurtze Zeit/ in welcher ich dero hohe Gnade ge- noſſen/ ſolche Dinge geſehen’/ daß ich nicht weiß/ ob man die Liebe einen Engel oder eine Mißgeburt nennen ſoll. Die einfaͤltige Warheit iſt die be- ſte/ redete mir die Princeßin ein/ ſo rede demnach deines Hertzens Meynung ohne einige Beſor- gung/ von dem Unterſcheid der Liebe. Durch- laucht. Princeßin/ erwiderte ich/ ſie haben dieſe wichtige Sache ſchon dermaſſen wol entſchieden/ daß mein geringes Erachten ein tadelhaffter Uber- fluß ſeyn wuͤrde. Damit ich aber nicht einiges Ungehorſams duͤrffte bezuͤchtiget werden/ ſo ge- ſtehe ich gar gerne/ daß ich keiner andern Mey- nung bißher geweſen/ als die Liebe ſey ein vollkom- menes Laſter/ weil ich aller Orthen keine andere Wirckung verſpuͤhret/ als daß ſie lediges Frauen- zimmer vor der Zeit in Eheſtand gebracht/ oder auch verheyrathete Perſonen dahin veranlaſſet/ daß ſie ſtets bemuͤhet geweſen/ eines dem andern ein haͤrmicht Schmach-Alter auffzubauen/ und dergleichen tauſendfaͤltige Greuel mehr/ welche auch von der Einſalt ſelbſt verfluchet werden. Wenn ich nun nachgefraget/ wo ſolches alles her- ruͤhre/ ſo iſt mir geantwortet worden: Von der Liebe. Ja dieſe Liebe hat ſo gar eine neue Spra- che erfunden/ wie die Beutelſchneider/ denn wenn ich G 4

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/123>, abgerufen am 24.11.2024.