Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise be auffhalten. Jch sage diß/ daß ich durch ver-stelltes Liebkosen den Tyrannen auff drey Tage gezähmet/ in welcher kurtzen Zeit er seine Banise retten oder sterben lassen muß. Er entdecke mir nur ungescheut/ ob es möglich sey/ meine Erlösung auf einige Art vorzunehmen. Hat ihn aber das Verhängniß aller Mittel beraubet/ mich Trost- lose aus der Hand meines Verfolgers zu retten/ so erlaube er mir/ daß ich hier vor seinen Augen mit desto grösserm Muthe sterbe/ damit er mein Zeu- ge meiner unbefleckten Liebe und beständigen Trcue seyn/ und mir den Ruhm mit in das Grab geben müsse: Eine iede keusche Seele müsse mein Beyspiel lieben. Nein/ schönste Princeßin! ant- wortete der Printz/ es ist nicht nöthig/ den Stahl auf eigene Brust zu kehren: sondern viel besser/ wenn solcher bey vorfallender Noth zu Rettung ihrer Ehren wider den Tyrannen gewendet wür- de. Jedoch wird dieses äusserste Mittel verhof- fentlich nicht zu ergreiffen seyn: weil uns die Göt- ter noch nicht allen Beystand versaget haben. Die Erlösung beruhet in der Flucht/ und ihr Glücke grünet in frembder Lufft. Doch fürchte ich/ es werde die rauhe Wüste dero zarten Füssen sehr be- schwerlich vorkommen/ und die gewohnte Gemäch- ligkeit wird sich einem schnellen Rosse nicht füg- lich anvertrauen lassen. Ach schweige er/ ant- wortete die halberfreute Princeßin/ hier ist nicht nach dem Willen zu fragen/ sondern es heist: Jch muß. Jch folge/ wo man mich hinführet. Jch
Der Aſiatiſchen Baniſe be auffhalten. Jch ſage diß/ daß ich durch ver-ſtelltes Liebkoſen den Tyrannen auff drey Tage gezaͤhmet/ in welcher kurtzen Zeit er ſeine Baniſe retten oder ſterben laſſen muß. Er entdecke mir nur ungeſcheut/ ob es moͤglich ſey/ meine Erloͤſung auf einige Art vorzunehmen. Hat ihn aber das Verhaͤngniß aller Mittel beraubet/ mich Troſt- loſe aus der Hand meines Verfolgers zu retten/ ſo erlaube er mir/ daß ich hier vor ſeinen Augen mit deſto groͤſſerm Muthe ſterbe/ damit er mein Zeu- ge meiner unbefleckten Liebe und beſtaͤndigen Trcue ſeyn/ und mir den Ruhm mit in das Grab geben muͤſſe: Eine iede keuſche Seele muͤſſe mein Beyſpiel lieben. Nein/ ſchoͤnſte Princeßin! ant- wortete der Printz/ es iſt nicht noͤthig/ den Stahl auf eigene Bruſt zu kehren: ſondern viel beſſer/ wenn ſolcher bey vorfallender Noth zu Rettung ihrer Ehren wider den Tyrannen gewendet wuͤr- de. Jedoch wird dieſes aͤuſſerſte Mittel verhof- fentlich nicht zu ergreiffen ſeyn: weil uns die Goͤt- ter noch nicht allen Beyſtand verſaget haben. Die Erloͤſung beruhet in der Flucht/ und ihr Gluͤcke gruͤnet in frembder Lufft. Doch fuͤrchte ich/ es werde die rauhe Wuͤſte dero zarten Fuͤſſen ſehr be- ſchwerlich vorkom̃en/ und die gewohnte Gemaͤch- ligkeit wird ſich einem ſchnellen Roſſe nicht fuͤg- lich anvertrauen laſſen. Ach ſchweige er/ ant- wortete die halberfreute Princeßin/ hier iſt nicht nach dem Willen zu fragen/ ſondern es heiſt: Jch muß. Jch folge/ wo man mich hinfuͤhret. Jch
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Der Aſiatiſchen Baniſe
be auffhalten. Jch ſage diß/ daß ich durch ver-
ſtelltes Liebkoſen den Tyrannen auff drey Tage
gezaͤhmet/ in welcher kurtzen Zeit er ſeine Baniſe
retten oder ſterben laſſen muß. Er entdecke mir
nur ungeſcheut/ ob es moͤglich ſey/ meine Erloͤſung
auf einige Art vorzunehmen. Hat ihn aber das
Verhaͤngniß aller Mittel beraubet/ mich Troſt-
loſe aus der Hand meines Verfolgers zu retten/ ſo
erlaube er mir/ daß ich hier vor ſeinen Augen mit
deſto groͤſſerm Muthe ſterbe/ damit er mein Zeu-
ge meiner unbefleckten Liebe und beſtaͤndigen
Trcue ſeyn/ und mir den Ruhm mit in das Grab
geben muͤſſe: Eine iede keuſche Seele muͤſſe mein
Beyſpiel lieben. Nein/ ſchoͤnſte Princeßin! ant-
wortete der Printz/ es iſt nicht noͤthig/ den Stahl
auf eigene Bruſt zu kehren: ſondern viel beſſer/
wenn ſolcher bey vorfallender Noth zu Rettung
ihrer Ehren wider den Tyrannen gewendet wuͤr-
de. Jedoch wird dieſes aͤuſſerſte Mittel verhof-
fentlich nicht zu ergreiffen ſeyn: weil uns die Goͤt-
ter noch nicht allen Beyſtand verſaget haben. Die
Erloͤſung beruhet in der Flucht/ und ihr Gluͤcke
gruͤnet in frembder Lufft. Doch fuͤrchte ich/ es
werde die rauhe Wuͤſte dero zarten Fuͤſſen ſehr be-
ſchwerlich vorkom̃en/ und die gewohnte Gemaͤch-
ligkeit wird ſich einem ſchnellen Roſſe nicht fuͤg-
lich anvertrauen laſſen. Ach ſchweige er/ ant-
wortete die halberfreute Princeßin/ hier iſt nicht
nach dem Willen zu fragen/ ſondern es heiſt:
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