Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Asiatischen Banise.
Mitleiden/ als daß man sie mit einem nach
dem Grabe schmeckenden Kusse qvälen wolte.
Weil ich mir auch Lebenslang die Lehre/ wie
man das Alter in Ehren halten solle/ wohl bey-
bringen lassen/ so erachte ich nicht vor rathsam/
den jenigen wie einen Bräutigan zu lieben/ wel-
cher meiner Jugend besser vor einen Ehr-
würdigen Vater diene kan. Die Liebe der Al-
ten ist mit Recht ein kalter Brand zu nennen/
welcher zugleich gefährlich und verdrießlich ist/
und schicket sich vorgesagter massen/ wie ein zer-
brochener Pfeil zum Ziele. Ob ich nun zwar
dieses nicht zu einiger Beleidigung des Ehrwür-
digen Alters wil beygebracht haben: so wird doch
mein Vater die Unmögligkeit unserer Liebe hier-
aus leicht schliessen können. Der alte Rolim
vermeynte über solchen Vorwuff zu börsten/ ie-
doch machte er sich dennoch Hoffnung/ seinen
Zweck zu erlangen/ wenn er ihr auff diesen Ein-
wurff/ welchen er längst vermuthet/ widerlegte.
Jst dieses/ antwortete er hierauff/ ein Zeichen der
bißher gerühmten Tugend/ daß sie eine leichtsin-
nige Jugend dem klugen Alter vorziehen wil:
und belieben ihr nur die jungen Jahre/ welche
durch ein glattes Maul und weißröthliche Haut
ihr schlechtes Alter und noch schlechtere Vernunft
andeuten? Gewiß/ ein schrecklicher Jrrthum!
Was ist doch flüchtiger/ weder diese Blumen-
Lust/ deren man nach etlichen Küß-Monaten bald
genug/ mit den Jahren aber so viel als ietzund von

mir

Der Aſiatiſchen Baniſe.
Mitleiden/ als daß man ſie mit einem nach
dem Grabe ſchmeckenden Kuſſe qvaͤlen wolte.
Weil ich mir auch Lebenslang die Lehre/ wie
man das Alter in Ehren halten ſolle/ wohl bey-
bringen laſſen/ ſo erachte ich nicht vor rathſam/
den jenigen wie einen Braͤutigan zu lieben/ wel-
cher meiner Jugend beſſer vor einen Ehr-
wuͤrdigen Vater diene kan. Die Liebe der Al-
ten iſt mit Recht ein kalter Brand zu nennen/
welcher zugleich gefaͤhrlich und verdrießlich iſt/
und ſchicket ſich vorgeſagter maſſen/ wie ein zer-
brochener Pfeil zum Ziele. Ob ich nun zwar
dieſes nicht zu einiger Beleidigung des Ehrwuͤr-
digen Alters wil beygebracht haben: ſo wird doch
mein Vater die Unmoͤgligkeit unſerer Liebe hier-
aus leicht ſchlieſſen koͤnnen. Der alte Rolim
vermeynte uͤber ſolchen Vorwuff zu boͤrſten/ ie-
doch machte er ſich dennoch Hoffnung/ ſeinen
Zweck zu erlangen/ wenn er ihr auff dieſen Ein-
wurff/ welchen er laͤngſt vermuthet/ widerlegte.
Jſt dieſes/ antwortete er hierauff/ ein Zeichen der
bißher geruͤhmten Tugend/ daß ſie eine leichtſin-
nige Jugend dem klugen Alter vorziehen wil:
und belieben ihr nur die jungen Jahre/ welche
durch ein glattes Maul und weißroͤthliche Haut
ihr ſchlechtes Alter und noch ſchlechtere Vernunft
andeuten? Gewiß/ ein ſchrecklicher Jrrthum!
Was iſt doch fluͤchtiger/ weder dieſe Blumen-
Luſt/ deren man nach etlichen Kuͤß-Monaten bald
genug/ mit den Jahren aber ſo viel als ietzund von

mir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0534" n="514"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der A&#x017F;iati&#x017F;chen Bani&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
Mitleiden/ als daß man &#x017F;ie mit einem nach<lb/>
dem Grabe &#x017F;chmeckenden Ku&#x017F;&#x017F;e qva&#x0364;len wolte.<lb/>
Weil ich mir auch Lebenslang die Lehre/ wie<lb/>
man das Alter in Ehren halten &#x017F;olle/ wohl bey-<lb/>
bringen la&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o erachte ich nicht vor rath&#x017F;am/<lb/>
den jenigen wie einen Bra&#x0364;utigan zu lieben/ wel-<lb/>
cher meiner Jugend be&#x017F;&#x017F;er vor einen Ehr-<lb/>
wu&#x0364;rdigen Vater diene kan. Die Liebe der Al-<lb/>
ten i&#x017F;t mit Recht ein kalter Brand zu nennen/<lb/>
welcher zugleich gefa&#x0364;hrlich und verdrießlich i&#x017F;t/<lb/>
und &#x017F;chicket &#x017F;ich vorge&#x017F;agter ma&#x017F;&#x017F;en/ wie ein zer-<lb/>
brochener Pfeil zum Ziele. Ob ich nun zwar<lb/>
die&#x017F;es nicht zu einiger Beleidigung des Ehrwu&#x0364;r-<lb/>
digen Alters wil beygebracht haben: &#x017F;o wird doch<lb/>
mein Vater die Unmo&#x0364;gligkeit un&#x017F;erer Liebe hier-<lb/>
aus leicht &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen. Der alte Rolim<lb/>
vermeynte u&#x0364;ber &#x017F;olchen Vorwuff zu bo&#x0364;r&#x017F;ten/ ie-<lb/>
doch machte er &#x017F;ich dennoch Hoffnung/ &#x017F;einen<lb/>
Zweck zu erlangen/ wenn er ihr auff die&#x017F;en Ein-<lb/>
wurff/ welchen er la&#x0364;ng&#x017F;t vermuthet/ widerlegte.<lb/>
J&#x017F;t die&#x017F;es/ antwortete er hierauff/ ein Zeichen der<lb/>
bißher geru&#x0364;hmten Tugend/ daß &#x017F;ie eine leicht&#x017F;in-<lb/>
nige Jugend dem klugen Alter vorziehen wil:<lb/>
und belieben ihr nur die jungen Jahre/ welche<lb/>
durch ein glattes Maul und weißro&#x0364;thliche Haut<lb/>
ihr &#x017F;chlechtes Alter und noch &#x017F;chlechtere Vernunft<lb/>
andeuten? Gewiß/ ein &#x017F;chrecklicher Jrrthum!<lb/>
Was i&#x017F;t doch flu&#x0364;chtiger/ weder die&#x017F;e Blumen-<lb/>
Lu&#x017F;t/ deren man nach etlichen Ku&#x0364;ß-Monaten bald<lb/>
genug/ mit den Jahren aber &#x017F;o viel als ietzund von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mir</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[514/0534] Der Aſiatiſchen Baniſe. Mitleiden/ als daß man ſie mit einem nach dem Grabe ſchmeckenden Kuſſe qvaͤlen wolte. Weil ich mir auch Lebenslang die Lehre/ wie man das Alter in Ehren halten ſolle/ wohl bey- bringen laſſen/ ſo erachte ich nicht vor rathſam/ den jenigen wie einen Braͤutigan zu lieben/ wel- cher meiner Jugend beſſer vor einen Ehr- wuͤrdigen Vater diene kan. Die Liebe der Al- ten iſt mit Recht ein kalter Brand zu nennen/ welcher zugleich gefaͤhrlich und verdrießlich iſt/ und ſchicket ſich vorgeſagter maſſen/ wie ein zer- brochener Pfeil zum Ziele. Ob ich nun zwar dieſes nicht zu einiger Beleidigung des Ehrwuͤr- digen Alters wil beygebracht haben: ſo wird doch mein Vater die Unmoͤgligkeit unſerer Liebe hier- aus leicht ſchlieſſen koͤnnen. Der alte Rolim vermeynte uͤber ſolchen Vorwuff zu boͤrſten/ ie- doch machte er ſich dennoch Hoffnung/ ſeinen Zweck zu erlangen/ wenn er ihr auff dieſen Ein- wurff/ welchen er laͤngſt vermuthet/ widerlegte. Jſt dieſes/ antwortete er hierauff/ ein Zeichen der bißher geruͤhmten Tugend/ daß ſie eine leichtſin- nige Jugend dem klugen Alter vorziehen wil: und belieben ihr nur die jungen Jahre/ welche durch ein glattes Maul und weißroͤthliche Haut ihr ſchlechtes Alter und noch ſchlechtere Vernunft andeuten? Gewiß/ ein ſchrecklicher Jrrthum! Was iſt doch fluͤchtiger/ weder dieſe Blumen- Luſt/ deren man nach etlichen Kuͤß-Monaten bald genug/ mit den Jahren aber ſo viel als ietzund von mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/534
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/534>, abgerufen am 22.11.2024.