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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
ein rechtmäßiger Grimm/ welcher ihr diese Wor-
te in dem Mund legte: Ha/ Blut-begierige Be-
stie! du bist zwar eine Henckerin meines Leibes/
aber doch noch viel zu wenig/ meinen Willen zu
zwingen/ oder mein Gemüthe zu beherrschen. Die
erschreckliche Schlange des höllischen Rauch-
hauses wird deine Dräuung an dir erfüllen/ und
dich statt meines Vaters mit schwartzen Gei-
stern vermählen. Ob ich nun zwar von aller
Welt verlassen bin/ und mich derjenige/ welcher
mir das Lebenn gegeben/ statt dessen den Tod ge-
wehret: so will ich doch auch sterbende die väter-
liche Hand küssen/ und die kindliche Liebe nicht im
geringsten beleidigen. Dieser Wangenabrol-
lende Angst-Schweiß aber soll ein herber Zeuge
meiner reinen Unschuld seyn: ja meine Unschuld
soll siegen/ und Mutter und Hencker verlachen/
wenn schon mein unbeflecktes Blut in dem Feuer
zischen wird. Jhm/ werhrtster Herr Vater/
wünsche ich/ daß die Götter diese That vergessen/
und die Rache von dessen Haupt abwenden wol-
len. Jch sterbe als ein unschuldig-gehorsames
Kind. Dir aber/ allerliebster Bruder Nheran-
di/ der du noch meinen Todt erst mit innigstem
Jammer erfahren solst/ sage ich die letze gute
Nacht/ und schicke dir durch die Lufft den letzten
Abschieds-Kuß. Mit welchen Worten sie sich
zu dem heissen Antritt beqvemen wolte. Es war
aber unmöglich/ daß hier die Natur auch solte zur
Stieffmutter werden: indem endlich dem Köni-

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Anderes Buch.
ein rechtmaͤßiger Grimm/ welcher ihr dieſe Wor-
te in dem Mund legte: Ha/ Blut-begierige Be-
ſtie! du biſt zwar eine Henckerin meines Leibes/
aber doch noch viel zu wenig/ meinen Willen zu
zwingen/ oder mein Gemuͤthe zu beherrſchen. Die
erſchreckliche Schlange des hoͤlliſchen Rauch-
hauſes wird deine Draͤuung an dir erfuͤllen/ und
dich ſtatt meines Vaters mit ſchwartzen Gei-
ſtern vermaͤhlen. Ob ich nun zwar von aller
Welt verlaſſen bin/ und mich derjenige/ welcher
mir das Lebenn gegeben/ ſtatt deſſen den Tod ge-
wehret: ſo will ich doch auch ſterbende die vaͤter-
liche Hand kuͤſſen/ und die kindliche Liebe nicht im
geringſten beleidigen. Dieſer Wangenabrol-
lende Angſt-Schweiß aber ſoll ein herber Zeuge
meiner reinen Unſchuld ſeyn: ja meine Unſchuld
ſoll ſiegen/ und Mutter und Hencker verlachen/
wenn ſchon mein unbeflecktes Blut in dem Feuer
ziſchen wird. Jhm/ werhrtſter Herr Vater/
wuͤnſche ich/ daß die Goͤtter dieſe That vergeſſen/
und die Rache von deſſen Haupt abwenden wol-
len. Jch ſterbe als ein unſchuldig-gehorſames
Kind. Dir aber/ allerliebſter Bruder Nheran-
di/ der du noch meinen Todt erſt mit innigſtem
Jammer erfahren ſolſt/ ſage ich die letze gute
Nacht/ und ſchicke dir durch die Lufft den letzten
Abſchieds-Kuß. Mit welchen Worten ſie ſich
zu dem heiſſen Antritt beqvemen wolte. Es war
aber unmoͤglich/ daß hier die Natur auch ſolte zur
Stieffmutter werden: indem endlich dem Koͤni-

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[551/0571] Anderes Buch. ein rechtmaͤßiger Grimm/ welcher ihr dieſe Wor- te in dem Mund legte: Ha/ Blut-begierige Be- ſtie! du biſt zwar eine Henckerin meines Leibes/ aber doch noch viel zu wenig/ meinen Willen zu zwingen/ oder mein Gemuͤthe zu beherrſchen. Die erſchreckliche Schlange des hoͤlliſchen Rauch- hauſes wird deine Draͤuung an dir erfuͤllen/ und dich ſtatt meines Vaters mit ſchwartzen Gei- ſtern vermaͤhlen. Ob ich nun zwar von aller Welt verlaſſen bin/ und mich derjenige/ welcher mir das Lebenn gegeben/ ſtatt deſſen den Tod ge- wehret: ſo will ich doch auch ſterbende die vaͤter- liche Hand kuͤſſen/ und die kindliche Liebe nicht im geringſten beleidigen. Dieſer Wangenabrol- lende Angſt-Schweiß aber ſoll ein herber Zeuge meiner reinen Unſchuld ſeyn: ja meine Unſchuld ſoll ſiegen/ und Mutter und Hencker verlachen/ wenn ſchon mein unbeflecktes Blut in dem Feuer ziſchen wird. Jhm/ werhrtſter Herr Vater/ wuͤnſche ich/ daß die Goͤtter dieſe That vergeſſen/ und die Rache von deſſen Haupt abwenden wol- len. Jch ſterbe als ein unſchuldig-gehorſames Kind. Dir aber/ allerliebſter Bruder Nheran- di/ der du noch meinen Todt erſt mit innigſtem Jammer erfahren ſolſt/ ſage ich die letze gute Nacht/ und ſchicke dir durch die Lufft den letzten Abſchieds-Kuß. Mit welchen Worten ſie ſich zu dem heiſſen Antritt beqvemen wolte. Es war aber unmoͤglich/ daß hier die Natur auch ſolte zur Stieffmutter werden: indem endlich dem Koͤni- ge M m 4

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/571>, abgerufen am 28.09.2024.