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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
ge die Thränen aus den Augen drungen/ und das
brechende Hertze diese Worte unter einem tieffen
Seuffzer heraus stieß: Ach! wolten die Götter/
es unterstünde sich iemand deine Unschuld zu be-
haupten/ so wolte ich leicht zum Beyfall zu bewe-
gen seyn. Da ihn denn zugleich ein hefftiger
Angst-Schweiß überfiel: ob zwar das mörderi-
sche Höllen-Kind Sabartibam bereits den Stoß
anzuzünden begunte/ befahl doch der König/ noch
etwas inne zuhalten. Währenden diesen Trau-
er-Spiels stand nun Abaxar/ unfern des Königl.
Thrones/ in Ketten und Banden/ und hatte über
der Schönheit der Princeßin/ welche wie ein
Liecht/ welches jetzt zu löschen beginnt/ die meisten
Strahlen von sich warff/ fast seinen eigenen To-
des vergessen. Sein Helden-Muth konte sich
nicht zwingen/ wehmüthige Thränen über den er-
barmlichen Anblick der Fylane zu unterlassen:
und hätte er gerne einen hundertfachen Tod er-
duldet/ wenn solcher nur das Leben der schönen
Princeßin hätte retten mögen. Weil er nun so
nahe dem Throne stund/ daß er das seuffzende
Verlangen des Königs gar wohl venehmen kon-
te: so ermunterte er sich dermassen/ daß er durch
hefftiges Schwirren seiner Ketten alle Anwesen-
de zu auffmercken bewog: dahero er nach sotha-
ner Stille sich gegen den König wendete/ und ihn
also anredete: Die Götter haben meine Ohren
eröffnet/ daß ich den Wunsch/ welcher aus einem
mitleidigen Vater-Hertzen geqvollen/ wohl ver-

neh-

Der Aſiatiſchen Baniſe.
ge die Thraͤnen aus den Augen drungen/ und das
brechende Hertze dieſe Worte unter einem tieffen
Seuffzer heraus ſtieß: Ach! wolten die Goͤtter/
es unterſtuͤnde ſich iemand deine Unſchuld zu be-
haupten/ ſo wolte ich leicht zum Beyfall zu bewe-
gen ſeyn. Da ihn denn zugleich ein hefftiger
Angſt-Schweiß uͤberfiel: ob zwar das moͤrderi-
ſche Hoͤllen-Kind Sabartibam bereits den Stoß
anzuzuͤnden begunte/ befahl doch der Koͤnig/ noch
etwas inne zuhalten. Waͤhrenden dieſen Trau-
er-Spiels ſtand nun Abaxar/ unfern des Koͤnigl.
Thrones/ in Ketten und Banden/ und hatte uͤber
der Schoͤnheit der Princeßin/ welche wie ein
Liecht/ welches jetzt zu loͤſchen beginnt/ die meiſten
Strahlen von ſich warff/ faſt ſeinen eigenen To-
des vergeſſen. Sein Helden-Muth konte ſich
nicht zwingen/ wehmuͤthige Thraͤnen uͤber den er-
barmlichen Anblick der Fylane zu unterlaſſen:
und haͤtte er gerne einen hundertfachen Tod er-
duldet/ wenn ſolcher nur das Leben der ſchoͤnen
Princeßin haͤtte retten moͤgen. Weil er nun ſo
nahe dem Throne ſtund/ daß er das ſeuffzende
Verlangen des Koͤnigs gar wohl venehmen kon-
te: ſo ermunterte er ſich dermaſſen/ daß er durch
hefftiges Schwirren ſeiner Ketten alle Anweſen-
de zu auffmercken bewog: dahero er nach ſotha-
ner Stille ſich gegen den Koͤnig wendete/ und ihn
alſo anredete: Die Goͤtter haben meine Ohren
eroͤffnet/ daß ich den Wunſch/ welcher aus einem
mitleidigen Vater-Hertzen geqvollen/ wohl ver-

neh-
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[552/0572] Der Aſiatiſchen Baniſe. ge die Thraͤnen aus den Augen drungen/ und das brechende Hertze dieſe Worte unter einem tieffen Seuffzer heraus ſtieß: Ach! wolten die Goͤtter/ es unterſtuͤnde ſich iemand deine Unſchuld zu be- haupten/ ſo wolte ich leicht zum Beyfall zu bewe- gen ſeyn. Da ihn denn zugleich ein hefftiger Angſt-Schweiß uͤberfiel: ob zwar das moͤrderi- ſche Hoͤllen-Kind Sabartibam bereits den Stoß anzuzuͤnden begunte/ befahl doch der Koͤnig/ noch etwas inne zuhalten. Waͤhrenden dieſen Trau- er-Spiels ſtand nun Abaxar/ unfern des Koͤnigl. Thrones/ in Ketten und Banden/ und hatte uͤber der Schoͤnheit der Princeßin/ welche wie ein Liecht/ welches jetzt zu loͤſchen beginnt/ die meiſten Strahlen von ſich warff/ faſt ſeinen eigenen To- des vergeſſen. Sein Helden-Muth konte ſich nicht zwingen/ wehmuͤthige Thraͤnen uͤber den er- barmlichen Anblick der Fylane zu unterlaſſen: und haͤtte er gerne einen hundertfachen Tod er- duldet/ wenn ſolcher nur das Leben der ſchoͤnen Princeßin haͤtte retten moͤgen. Weil er nun ſo nahe dem Throne ſtund/ daß er das ſeuffzende Verlangen des Koͤnigs gar wohl venehmen kon- te: ſo ermunterte er ſich dermaſſen/ daß er durch hefftiges Schwirren ſeiner Ketten alle Anweſen- de zu auffmercken bewog: dahero er nach ſotha- ner Stille ſich gegen den Koͤnig wendete/ und ihn alſo anredete: Die Goͤtter haben meine Ohren eroͤffnet/ daß ich den Wunſch/ welcher aus einem mitleidigen Vater-Hertzen geqvollen/ wohl ver- neh-

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/572>, abgerufen am 29.06.2024.