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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Drittes Buch.
ptern trug iedes ein Bündlein Holtz/ und in der
Hand ein Messer/ sungen auch zugleich in zwey-
en Choren einen so traurigen Thon/ daß sich die
Zuhörer des Weinens nicht wohl enthalten kun-
ten. Unterdessen sprach einer von den beyden Cho-
ren: Du/ der du die Güter des Himmels besitzest/
laß uns nicht als Gefangene in dieser Pilgram-
schafft! Darauff ihm der andere Chor antwor-
tete: Auff das wir uns mit dir in den Gütern des
HErrn erfreuen! Darnach fielen sie alle vor dem
Gerüste/ auff welchem die Leiche stund/ nieder/
und ein Grepos/ der über hundert Jahr alt war/
kniete zugleich/ hub seine Hände gen Himmel/
und that im Nahmen dieser Kinder einen Vor-
trag; Darauff ihm ein ander Grepos/ im Nah-
men des Verstorbenen/ also antwortete: Die-
weil es GOtt beliebet/ mich durch seinen heiligen
Willen aus der Erden zu erschaffen: so hat es ihm
auch gefallen/ mich wieder zu Erde werden zu las-
sen. Jch befehle euch/ meine Kinder! daß ihr dieje-
nige Stunde fürchtet/ in welcher uns die Hand
des HErrn in die Waag-Schale seiner Gerech-
tigkeit stellet. Worauff alle andere mit grossem
Geschrey antworteten: Der höchste HErr/ der
in der Sonnen herrschet/ wolle nicht ansehen unse-
re Wercke/ auff daß wir von der Straffe des To-
des erlöset werden.

Nachdem nun diese kleine Kinder abgezogen
waren/ kamen andere von zehen biß zwölff Jah-
ren/ mit langen Röcken von weissen Atlaß ange-

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Q q 3

Drittes Buch.
ptern trug iedes ein Buͤndlein Holtz/ und in der
Hand ein Meſſer/ ſungen auch zugleich in zwey-
en Choren einen ſo traurigen Thon/ daß ſich die
Zuhoͤrer des Weinens nicht wohl enthalten kun-
ten. Unterdeſſen ſprach einer von den beyden Cho-
ren: Du/ der du die Guͤter des Himmels beſitzeſt/
laß uns nicht als Gefangene in dieſer Pilgram-
ſchafft! Darauff ihm der andere Chor antwor-
tete: Auff das wir uns mit dir in den Guͤtern des
HErrn erfreuen! Darnach fielen ſie alle vor dem
Geruͤſte/ auff welchem die Leiche ſtund/ nieder/
und ein Grepos/ der uͤber hundert Jahr alt war/
kniete zugleich/ hub ſeine Haͤnde gen Himmel/
und that im Nahmen dieſer Kinder einen Vor-
trag; Darauff ihm ein ander Grepos/ im Nah-
men des Verſtorbenen/ alſo antwortete: Die-
weil es GOtt beliebet/ mich durch ſeinen heiligen
Willen aus der Erden zu erſchaffen: ſo hat es ihm
auch gefallen/ mich wieder zu Erde werden zu laſ-
ſen. Jch befehle euch/ meine Kinder! daß ihr dieje-
nige Stunde fuͤrchtet/ in welcher uns die Hand
des HErrn in die Waag-Schale ſeiner Gerech-
tigkeit ſtellet. Worauff alle andere mit groſſem
Geſchrey antworteten: Der hoͤchſte HErr/ der
in der Sonnen herrſchet/ wolle nicht anſehen unſe-
re Wercke/ auff daß wir von der Straffe des To-
des erloͤſet werden.

Nachdem nun dieſe kleine Kinder abgezogen
waren/ kamen andere von zehen biß zwoͤlff Jah-
ren/ mit langen Roͤcken von weiſſen Atlaß ange-

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[613/0633] Drittes Buch. ptern trug iedes ein Buͤndlein Holtz/ und in der Hand ein Meſſer/ ſungen auch zugleich in zwey- en Choren einen ſo traurigen Thon/ daß ſich die Zuhoͤrer des Weinens nicht wohl enthalten kun- ten. Unterdeſſen ſprach einer von den beyden Cho- ren: Du/ der du die Guͤter des Himmels beſitzeſt/ laß uns nicht als Gefangene in dieſer Pilgram- ſchafft! Darauff ihm der andere Chor antwor- tete: Auff das wir uns mit dir in den Guͤtern des HErrn erfreuen! Darnach fielen ſie alle vor dem Geruͤſte/ auff welchem die Leiche ſtund/ nieder/ und ein Grepos/ der uͤber hundert Jahr alt war/ kniete zugleich/ hub ſeine Haͤnde gen Himmel/ und that im Nahmen dieſer Kinder einen Vor- trag; Darauff ihm ein ander Grepos/ im Nah- men des Verſtorbenen/ alſo antwortete: Die- weil es GOtt beliebet/ mich durch ſeinen heiligen Willen aus der Erden zu erſchaffen: ſo hat es ihm auch gefallen/ mich wieder zu Erde werden zu laſ- ſen. Jch befehle euch/ meine Kinder! daß ihr dieje- nige Stunde fuͤrchtet/ in welcher uns die Hand des HErrn in die Waag-Schale ſeiner Gerech- tigkeit ſtellet. Worauff alle andere mit groſſem Geſchrey antworteten: Der hoͤchſte HErr/ der in der Sonnen herrſchet/ wolle nicht anſehen unſe- re Wercke/ auff daß wir von der Straffe des To- des erloͤſet werden. Nachdem nun dieſe kleine Kinder abgezogen waren/ kamen andere von zehen biß zwoͤlff Jah- ren/ mit langen Roͤcken von weiſſen Atlaß ange- than/ Q q 3

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/633>, abgerufen am 26.06.2024.