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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
den jenigen Ort kamen/ da der Rolim lag/ satzten
sie den Kasten nieder/ und da der Deckel abge-
nommen wurde/ stieg ein kleiner Knabe von sie-
ben Jahren gantz nackend heraus/ welcher von
hinten dermassen mit Gold und Edelgesteinen be-
decket war/ daß man seinen blossen Leib fast nicht
sehen kunte. Er hatte Flügel von Golde/ und
eine köstliche Krone auff dem Haupte. Die jeni-
gen/ so um ihn her stunden/ knieten alsobald nie-
der/ und rieffen: O du Engel/ der um unserer
Seligkeit willen vom Himmel gesandt bist/ bitte
für uns/ wenn du dich zu rechter Zeit wieder in
den Himmel verfügest. Der Käyser selbst nahm
dieses Kind mit grosser Ehrerbietung auff seine
Armen/ und brachte es zur Seiten des Grabes/
allda solches/ indem alle auff ihren Knien lagen/
und die Priester den Rolim schon zum fünfften
male beräuchert hatten/ den Todt-scheinenden
also anredete: Du/ der du in Sünden und Un-
reinigkeit des Fleisches empfangen bist! GOtt
sendet mich/ dir anzudeuten/ daß du dich zu einem
neuen Leben erwecken/ welches ihm angenehm
sey/ und iederzeit die Straffe seiner mächtigen
Hand vor Augen haben sollest/ damit du in dem
letztem Athem deines Lebens nicht stranchelst/ wie
die Kinder der Welt; und daß du von Stund
an auffstehest/ weil es von dem Grösten der Grö-
sten also beschlossen ist. Folge mir! Folge mir!
Folge mir! Worauff Chaumigrem dieses Kind
wieder auff seine Arme nahm/ der Rolim aber

stund

Der Aſiatiſchen Baniſe.
den jenigen Ort kamen/ da der Rolim lag/ ſatzten
ſie den Kaſten nieder/ und da der Deckel abge-
nommen wurde/ ſtieg ein kleiner Knabe von ſie-
ben Jahren gantz nackend heraus/ welcher von
hinten dermaſſen mit Gold und Edelgeſteinen be-
decket war/ daß man ſeinen bloſſen Leib faſt nicht
ſehen kunte. Er hatte Fluͤgel von Golde/ und
eine koͤſtliche Krone auff dem Haupte. Die jeni-
gen/ ſo um ihn her ſtunden/ knieten alſobald nie-
der/ und rieffen: O du Engel/ der um unſerer
Seligkeit willen vom Himmel geſandt biſt/ bitte
fuͤr uns/ wenn du dich zu rechter Zeit wieder in
den Himmel verfuͤgeſt. Der Kaͤyſer ſelbſt nahm
dieſes Kind mit groſſer Ehrerbietung auff ſeine
Armen/ und brachte es zur Seiten des Grabes/
allda ſolches/ indem alle auff ihren Knien lagen/
und die Prieſter den Rolim ſchon zum fuͤnfften
male beraͤuchert hatten/ den Todt-ſcheinenden
alſo anredete: Du/ der du in Suͤnden und Un-
reinigkeit des Fleiſches empfangen biſt! GOtt
ſendet mich/ dir anzudeuten/ daß du dich zu einem
neuen Leben erwecken/ welches ihm angenehm
ſey/ und iederzeit die Straffe ſeiner maͤchtigen
Hand vor Augen haben ſolleſt/ damit du in dem
letztem Athem deines Lebens nicht ſtranchelſt/ wie
die Kinder der Welt; und daß du von Stund
an auffſteheſt/ weil es von dem Groͤſten der Groͤ-
ſten alſo beſchloſſen iſt. Folge mir! Folge mir!
Folge mir! Worauff Chaumigrem dieſes Kind
wieder auff ſeine Arme nahm/ der Rolim aber

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[622/0642] Der Aſiatiſchen Baniſe. den jenigen Ort kamen/ da der Rolim lag/ ſatzten ſie den Kaſten nieder/ und da der Deckel abge- nommen wurde/ ſtieg ein kleiner Knabe von ſie- ben Jahren gantz nackend heraus/ welcher von hinten dermaſſen mit Gold und Edelgeſteinen be- decket war/ daß man ſeinen bloſſen Leib faſt nicht ſehen kunte. Er hatte Fluͤgel von Golde/ und eine koͤſtliche Krone auff dem Haupte. Die jeni- gen/ ſo um ihn her ſtunden/ knieten alſobald nie- der/ und rieffen: O du Engel/ der um unſerer Seligkeit willen vom Himmel geſandt biſt/ bitte fuͤr uns/ wenn du dich zu rechter Zeit wieder in den Himmel verfuͤgeſt. Der Kaͤyſer ſelbſt nahm dieſes Kind mit groſſer Ehrerbietung auff ſeine Armen/ und brachte es zur Seiten des Grabes/ allda ſolches/ indem alle auff ihren Knien lagen/ und die Prieſter den Rolim ſchon zum fuͤnfften male beraͤuchert hatten/ den Todt-ſcheinenden alſo anredete: Du/ der du in Suͤnden und Un- reinigkeit des Fleiſches empfangen biſt! GOtt ſendet mich/ dir anzudeuten/ daß du dich zu einem neuen Leben erwecken/ welches ihm angenehm ſey/ und iederzeit die Straffe ſeiner maͤchtigen Hand vor Augen haben ſolleſt/ damit du in dem letztem Athem deines Lebens nicht ſtranchelſt/ wie die Kinder der Welt; und daß du von Stund an auffſteheſt/ weil es von dem Groͤſten der Groͤ- ſten alſo beſchloſſen iſt. Folge mir! Folge mir! Folge mir! Worauff Chaumigrem dieſes Kind wieder auff ſeine Arme nahm/ der Rolim aber ſtund

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/642>, abgerufen am 22.11.2024.