Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Asiatischen Banise.
um den Halß/ und hatten ihre Angesichter mit
Kothe beschmieret. An ihren Stirnen war die-
se Schrifft angehefftet: Koth! Koth! siehe nicht
an deine Niedrigkeit/ sondern auff die Vergel-
tung/ die GOTT denen jenigen versprochen hat/
welche sich demüthigen/ ihm zu dienen. Diese wur-
den nun von dem Rolim sehr freundlich empfan-
gen/ worauff sie alle niederfielen/ und einer von ih-
nen mit strengen Anblicke den Rolim also anrede-
te: Derjenige/ von dem du nun so grosse Gnade
empfangen/ daß du der Oberste über alle die jeni-
gen worden bist/ die auff Erden wohnen/ gebe/
daß du so fromm und heilig lebest/ damit ihm alle
deine Wercke angenehm seyn mögen. Gleichwie
die Unschuld derjenigen Kinder/ welche schwei-
gen/ wenn ihnen die Mutter ihre Brust darreicht.
Darauff die andern alle mit einer düstern Stim-
me/ und lautem Geschrey antworteten: Das ge-
be der hohe Herr/ durch seine mächtige Hand.

Als er nun in dieser Gesellschafft fort zog/ kam
er an den jenigen Ort/ wo des verstorbenen Ro-
lims Asche beygesetzet war. Da neigete er sein
Angesichte zur Erden/ und redete mit einer kläg-
lichen Stimme/ glelchsam den Entseelten folgen-
der Gestalt an: Der jenige/ so über der Sterne
Schönheit herrschet/ mache mich würdig/ daß ich
euer Sclave seyn möge/ damit ich in dem Hause
der Sonnen/ darinnen ihr euch ietzt belustiget/ zu
einem Fuß-Hader der Sonnen werden möge.
Denn solcher massen werde ich so zu einem köstli-

chen

Der Aſiatiſchen Baniſe.
um den Halß/ und hatten ihre Angeſichter mit
Kothe beſchmieret. An ihren Stirnen war die-
ſe Schrifft angehefftet: Koth! Koth! ſiehe nicht
an deine Niedrigkeit/ ſondern auff die Vergel-
tung/ die GOTT denen jenigen verſprochen hat/
welche ſich demuͤthigen/ ihm zu dienen. Dieſe wur-
den nun von dem Rolim ſehr freundlich empfan-
gen/ worauff ſie alle niederfielen/ und einer von ih-
nen mit ſtrengen Anblicke den Rolim alſo anrede-
te: Derjenige/ von dem du nun ſo groſſe Gnade
empfangen/ daß du der Oberſte uͤber alle die jeni-
gen worden biſt/ die auff Erden wohnen/ gebe/
daß du ſo fromm und heilig lebeſt/ damit ihm alle
deine Wercke angenehm ſeyn moͤgen. Gleichwie
die Unſchuld derjenigen Kinder/ welche ſchwei-
gen/ wenn ihnen die Mutter ihre Bruſt darreicht.
Darauff die andern alle mit einer duͤſtern Stim-
me/ und lautem Geſchrey antworteten: Das ge-
be der hohe Herr/ durch ſeine maͤchtige Hand.

Als er nun in dieſer Geſellſchafft fort zog/ kam
er an den jenigen Ort/ wo des verſtorbenen Ro-
lims Aſche beygeſetzet war. Da neigete er ſein
Angeſichte zur Erden/ und redete mit einer klaͤg-
lichen Stimme/ glelchſam den Entſeelten folgen-
der Geſtalt an: Der jenige/ ſo uͤber der Sterne
Schoͤnheit herrſchet/ mache mich wuͤrdig/ daß ich
euer Sclave ſeyn moͤge/ damit ich in dem Hauſe
der Sonnen/ darinnen ihr euch ietzt beluſtiget/ zu
einem Fuß-Hader der Sonnen werden moͤge.
Denn ſolcher maſſen werde ich ſo zu einem koͤſtli-

chen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0644" n="624"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der A&#x017F;iati&#x017F;chen Bani&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
um den Halß/ und hatten ihre Ange&#x017F;ichter mit<lb/>
Kothe be&#x017F;chmieret. An ihren Stirnen war die-<lb/>
&#x017F;e Schrifft angehefftet: Koth! Koth! &#x017F;iehe nicht<lb/>
an deine Niedrigkeit/ &#x017F;ondern auff die Vergel-<lb/>
tung/ die GOTT denen jenigen ver&#x017F;prochen hat/<lb/>
welche &#x017F;ich demu&#x0364;thigen/ ihm zu dienen. Die&#x017F;e wur-<lb/>
den nun von dem Rolim &#x017F;ehr freundlich empfan-<lb/>
gen/ worauff &#x017F;ie alle niederfielen/ und einer von ih-<lb/>
nen mit &#x017F;trengen Anblicke den Rolim al&#x017F;o anrede-<lb/>
te: Derjenige/ von dem du nun &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Gnade<lb/>
empfangen/ daß du der Ober&#x017F;te u&#x0364;ber alle die jeni-<lb/>
gen worden bi&#x017F;t/ die auff Erden wohnen/ gebe/<lb/>
daß du &#x017F;o fromm und heilig lebe&#x017F;t/ damit ihm alle<lb/>
deine Wercke angenehm &#x017F;eyn mo&#x0364;gen. Gleichwie<lb/>
die Un&#x017F;chuld derjenigen Kinder/ welche &#x017F;chwei-<lb/>
gen/ wenn ihnen die Mutter ihre Bru&#x017F;t darreicht.<lb/>
Darauff die andern alle mit einer du&#x0364;&#x017F;tern Stim-<lb/>
me/ und lautem Ge&#x017F;chrey antworteten: Das ge-<lb/>
be der hohe Herr/ durch &#x017F;eine ma&#x0364;chtige Hand.</p><lb/>
        <p>Als er nun in die&#x017F;er Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft fort zog/ kam<lb/>
er an den jenigen Ort/ wo des ver&#x017F;torbenen Ro-<lb/>
lims A&#x017F;che beyge&#x017F;etzet war. Da neigete er &#x017F;ein<lb/>
Ange&#x017F;ichte zur Erden/ und redete mit einer kla&#x0364;g-<lb/>
lichen Stimme/ glelch&#x017F;am den Ent&#x017F;eelten folgen-<lb/>
der Ge&#x017F;talt an: Der jenige/ &#x017F;o u&#x0364;ber der Sterne<lb/>
Scho&#x0364;nheit herr&#x017F;chet/ mache mich wu&#x0364;rdig/ daß ich<lb/>
euer Sclave &#x017F;eyn mo&#x0364;ge/ damit ich in dem Hau&#x017F;e<lb/>
der Sonnen/ darinnen ihr euch ietzt belu&#x017F;tiget/ zu<lb/>
einem Fuß-Hader der Sonnen werden mo&#x0364;ge.<lb/>
Denn &#x017F;olcher ma&#x017F;&#x017F;en werde ich &#x017F;o zu einem ko&#x0364;&#x017F;tli-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[624/0644] Der Aſiatiſchen Baniſe. um den Halß/ und hatten ihre Angeſichter mit Kothe beſchmieret. An ihren Stirnen war die- ſe Schrifft angehefftet: Koth! Koth! ſiehe nicht an deine Niedrigkeit/ ſondern auff die Vergel- tung/ die GOTT denen jenigen verſprochen hat/ welche ſich demuͤthigen/ ihm zu dienen. Dieſe wur- den nun von dem Rolim ſehr freundlich empfan- gen/ worauff ſie alle niederfielen/ und einer von ih- nen mit ſtrengen Anblicke den Rolim alſo anrede- te: Derjenige/ von dem du nun ſo groſſe Gnade empfangen/ daß du der Oberſte uͤber alle die jeni- gen worden biſt/ die auff Erden wohnen/ gebe/ daß du ſo fromm und heilig lebeſt/ damit ihm alle deine Wercke angenehm ſeyn moͤgen. Gleichwie die Unſchuld derjenigen Kinder/ welche ſchwei- gen/ wenn ihnen die Mutter ihre Bruſt darreicht. Darauff die andern alle mit einer duͤſtern Stim- me/ und lautem Geſchrey antworteten: Das ge- be der hohe Herr/ durch ſeine maͤchtige Hand. Als er nun in dieſer Geſellſchafft fort zog/ kam er an den jenigen Ort/ wo des verſtorbenen Ro- lims Aſche beygeſetzet war. Da neigete er ſein Angeſichte zur Erden/ und redete mit einer klaͤg- lichen Stimme/ glelchſam den Entſeelten folgen- der Geſtalt an: Der jenige/ ſo uͤber der Sterne Schoͤnheit herrſchet/ mache mich wuͤrdig/ daß ich euer Sclave ſeyn moͤge/ damit ich in dem Hauſe der Sonnen/ darinnen ihr euch ietzt beluſtiget/ zu einem Fuß-Hader der Sonnen werden moͤge. Denn ſolcher maſſen werde ich ſo zu einem koͤſtli- chen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/644
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/644>, abgerufen am 22.11.2024.