Und obgleich auch bisweilen diejenigen, denen jene Würdigkeit des Jnhalts fehlt, auf die Nachwelt gekommen sind, so verdienen sie doch ihre Dauer nicht. Der Grund des Vor- zuges, den wir geben, ist zu erwartende und verdiente Dauer.
Handeln und Schreiben ist weniger unter- schieden, als man gewönlich glaubt. Wer handelt und wer schreibt, bringt Wirkungen hervor. Diese sind auf beiden Seiten sehr mannigfaltig. Die das Herz angehn, sind die vorzüglichsten. Sie haben eine nähere Beziehung auf die Glükseligkeit, als alle an- dere. Ob der Schreiber oder der Handelnde in grösserm Umfange wirke? Der eine viel- leicht bisweilen so lange er lebt, und dann durch die Wirkungen der Wirkungen, so lange sie dauern können. Der andre wirkt auch nach seinem Tode, und immer von neuem ganz. Und wenn dieses von neuem ganz auch nur ein Jahrhundert fortwährt, so währt es lange. Hierzu kömt noch die ge- wönlich grössere Zahl derer, auf welche die Schrift Einfluß hat. Und dann die Einflüsse der Leser auf die, welche sie nicht kennen. Dieß wiegt auch auf der Wagschale. Die Aldermänner haben uns geboten, auch über diese Sachen kurz zu seyn, ob wir gleich, ohne
weit-
Und obgleich auch bisweilen diejenigen, denen jene Wuͤrdigkeit des Jnhalts fehlt, auf die Nachwelt gekommen ſind, ſo verdienen ſie doch ihre Dauer nicht. Der Grund des Vor- zuges, den wir geben, iſt zu erwartende und verdiente Dauer.
Handeln und Schreiben iſt weniger unter- ſchieden, als man gewoͤnlich glaubt. Wer handelt und wer ſchreibt, bringt Wirkungen hervor. Dieſe ſind auf beiden Seiten ſehr mannigfaltig. Die das Herz angehn, ſind die vorzuͤglichſten. Sie haben eine naͤhere Beziehung auf die Gluͤkſeligkeit, als alle an- dere. Ob der Schreiber oder der Handelnde in groͤſſerm Umfange wirke? Der eine viel- leicht bisweilen ſo lange er lebt, und dann durch die Wirkungen der Wirkungen, ſo lange ſie dauern koͤnnen. Der andre wirkt auch nach ſeinem Tode, und immer von neuem ganz. Und wenn dieſes von neuem ganz auch nur ein Jahrhundert fortwaͤhrt, ſo waͤhrt es lange. Hierzu koͤmt noch die ge- woͤnlich groͤſſere Zahl derer, auf welche die Schrift Einfluß hat. Und dann die Einfluͤſſe der Leſer auf die, welche ſie nicht kennen. Dieß wiegt auch auf der Wagſchale. Die Aldermaͤnner haben uns geboten, auch uͤber dieſe Sachen kurz zu ſeyn, ob wir gleich, ohne
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Und obgleich auch bisweilen diejenigen, denen
jene Wuͤrdigkeit des Jnhalts fehlt, auf die
Nachwelt gekommen ſind, ſo verdienen ſie
doch ihre Dauer nicht. Der Grund des Vor-
zuges, den wir geben, iſt zu erwartende und
verdiente Dauer.
Handeln und Schreiben iſt weniger unter-
ſchieden, als man gewoͤnlich glaubt. Wer
handelt und wer ſchreibt, bringt Wirkungen
hervor. Dieſe ſind auf beiden Seiten ſehr
mannigfaltig. Die das Herz angehn, ſind
die vorzuͤglichſten. Sie haben eine naͤhere
Beziehung auf die Gluͤkſeligkeit, als alle an-
dere. Ob der Schreiber oder der Handelnde
in groͤſſerm Umfange wirke? Der eine viel-
leicht bisweilen ſo lange er lebt, und dann
durch die Wirkungen der Wirkungen, ſo
lange ſie dauern koͤnnen. Der andre wirkt
auch nach ſeinem Tode, und immer von
neuem ganz. Und wenn dieſes von neuem
ganz auch nur ein Jahrhundert fortwaͤhrt, ſo
waͤhrt es lange. Hierzu koͤmt noch die ge-
woͤnlich groͤſſere Zahl derer, auf welche die
Schrift Einfluß hat. Und dann die Einfluͤſſe
der Leſer auf die, welche ſie nicht kennen.
Dieß wiegt auch auf der Wagſchale. Die
Aldermaͤnner haben uns geboten, auch uͤber
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/112>, abgerufen am 22.11.2024.
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