wo wir die Landtage halten; er muß sich's aber auch gefallen lassen, daß bey vorhandnen guten Ursachen das Denkmal wieder wegge- nommen werde.
L. G. Mag's doch gestattet werden, daß ein tüchtiger Mann, wol verstanden, er sey ein Zünfter oder der Aldermänner einer, seze einem andern einen Denkstein, der Zier habe, oder einfältiglich gehauen sey. Fügt sich's aber hernachmals, wenn ein Zehend Jahre dahin ist, daß kein Mensch deß mehr kenne, dem das Steinlein ward, und die Zeit hab also einen Spruch gespro- chen wol so streng, als die alten Aegypter pflegten über die Todten zu sprechen: so las- set ihr das Denkzeichen zuschlagen, und die Stück aus 'n ander werfen. Denn ein einzelner Mann mag wol dieß oder das, kleines oder grosses, tiefes oder hohes von 'nem andern einzelnen Manne meinen und halten; aber die Zeit, das ist so viel, als 'ne ganze Reih und Folge Männer, die sich auch auf die Wagschal verstehn, und des Züngleins Bewegung genau beobachten, sährt doch besser durch, wenn's Entschei- dung gilt, würde wol Sandkörnlein wä-
gen,
wo wir die Landtage halten; er muß ſich’s aber auch gefallen laſſen, daß bey vorhandnen guten Urſachen das Denkmal wieder wegge- nommen werde.
L. G. Mag’s doch geſtattet werden, daß ein tuͤchtiger Mann, wol verſtanden, er ſey ein Zuͤnfter oder der Aldermaͤnner einer, ſeze einem andern einen Denkſtein, der Zier habe, oder einfaͤltiglich gehauen ſey. Fuͤgt ſich’s aber hernachmals, wenn ein Zehend Jahre dahin iſt, daß kein Menſch deß mehr kenne, dem das Steinlein ward, und die Zeit hab alſo einen Spruch geſpro- chen wol ſo ſtreng, als die alten Aegypter pflegten uͤber die Todten zu ſprechen: ſo laſ- ſet ihr das Denkzeichen zuſchlagen, und die Stuͤck aus ’n ander werfen. Denn ein einzelner Mann mag wol dieß oder das, kleines oder groſſes, tiefes oder hohes von ’nem andern einzelnen Manne meinen und halten; aber die Zeit, das iſt ſo viel, als ’ne ganze Reih und Folge Maͤnner, die ſich auch auf die Wagſchal verſtehn, und des Zuͤngleins Bewegung genau beobachten, ſaͤhrt doch beſſer durch, wenn’s Entſchei- dung gilt, wuͤrde wol Sandkoͤrnlein waͤ-
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wo wir die Landtage halten; er muß ſich’s
aber auch gefallen laſſen, daß bey vorhandnen
guten Urſachen das Denkmal wieder wegge-
nommen werde.
L. G.
Mag’s doch geſtattet werden, daß ein
tuͤchtiger Mann, wol verſtanden, er ſey
ein Zuͤnfter oder der Aldermaͤnner einer,
ſeze einem andern einen Denkſtein, der
Zier habe, oder einfaͤltiglich gehauen ſey.
Fuͤgt ſich’s aber hernachmals, wenn ein
Zehend Jahre dahin iſt, daß kein Menſch
deß mehr kenne, dem das Steinlein ward,
und die Zeit hab alſo einen Spruch geſpro-
chen wol ſo ſtreng, als die alten Aegypter
pflegten uͤber die Todten zu ſprechen: ſo laſ-
ſet ihr das Denkzeichen zuſchlagen, und
die Stuͤck aus ’n ander werfen. Denn ein
einzelner Mann mag wol dieß oder das,
kleines oder groſſes, tiefes oder hohes von
’nem andern einzelnen Manne meinen und
halten; aber die Zeit, das iſt ſo viel, als
’ne ganze Reih und Folge Maͤnner, die ſich
auch auf die Wagſchal verſtehn, und des
Zuͤngleins Bewegung genau beobachten,
ſaͤhrt doch beſſer durch, wenn’s Entſchei-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/167>, abgerufen am 22.11.2024.
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