Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

gar sonderlich ankomt. Das ist nun eine
grosse Schwierigkeit, und ist selbige kein sol-
cher Knoten, da du nur könnest drein haun,
und das Ding wäre dann gethan; ist ein Kno-
ten, den du lösen must, oder dich lieber gar
nicht mit selbigem befassen. Denn, wie ge-
sagt ist, das Dreinhaun frommet da nicht.
Sind manche Zusammensezungen, haben we-
nige und grosse Stük; müssen solche haben,
weil's Zwek und Absicht also erheischen: sind
wieder andre Zusammensezungen, haben viele
Stük kleine und grosse; müssen sie haben,
aus genanter Ursach. Sind aber auch solche,
die nichts nicht haben, denn lauter kleine
Stük; gebe keinen Pfifferling drum, ange-
sehn sie untauglich Werk sind.

Von der Nachahmung.

Das Urbild ist der Baum, die Nachah-
mung sein Schatten; und dieser ist immer
bald zu lang, und bald zu kurz, nie die
wahre Gestalt des Baums. Der Jüngling.
Schatten also erstlich; und dann verfehlte
Gestalt? Der Aldermann. Recht, Jüng-
ling. Schatten ohne Saft und Kraft, Bil-
dung ohne Schönheit. Sieh nur die heilige
Eiche, die edle Tanne an, und hierauf ihre

Schat-

gar ſonderlich ankomt. Das iſt nun eine
groſſe Schwierigkeit, und iſt ſelbige kein ſol-
cher Knoten, da du nur koͤnneſt drein haun,
und das Ding waͤre dann gethan; iſt ein Kno-
ten, den du loͤſen muſt, oder dich lieber gar
nicht mit ſelbigem befaſſen. Denn, wie ge-
ſagt iſt, das Dreinhaun frommet da nicht.
Sind manche Zuſammenſezungen, haben we-
nige und groſſe Stuͤk; muͤſſen ſolche haben,
weil’s Zwek und Abſicht alſo erheiſchen: ſind
wieder andre Zuſammenſezungen, haben viele
Stuͤk kleine und groſſe; muͤſſen ſie haben,
aus genanter Urſach. Sind aber auch ſolche,
die nichts nicht haben, denn lauter kleine
Stuͤk; gebe keinen Pfifferling drum, ange-
ſehn ſie untauglich Werk ſind.

Von der Nachahmung.

Das Urbild iſt der Baum, die Nachah-
mung ſein Schatten; und dieſer iſt immer
bald zu lang, und bald zu kurz, nie die
wahre Geſtalt des Baums. Der Juͤngling.
Schatten alſo erſtlich; und dann verfehlte
Geſtalt? Der Aldermann. Recht, Juͤng-
ling. Schatten ohne Saft und Kraft, Bil-
dung ohne Schoͤnheit. Sieh nur die heilige
Eiche, die edle Tanne an, und hierauf ihre

Schat-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0204" n="128"/>
gar &#x017F;onderlich ankomt. Das i&#x017F;t nun eine<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Schwierigkeit, und i&#x017F;t &#x017F;elbige kein &#x017F;ol-<lb/>
cher Knoten, da du nur ko&#x0364;nne&#x017F;t drein haun,<lb/>
und das Ding wa&#x0364;re dann gethan; i&#x017F;t ein Kno-<lb/>
ten, den du lo&#x0364;&#x017F;en mu&#x017F;t, oder dich lieber gar<lb/>
nicht mit &#x017F;elbigem befa&#x017F;&#x017F;en. Denn, wie ge-<lb/>
&#x017F;agt i&#x017F;t, das Dreinhaun frommet da nicht.<lb/>
Sind manche Zu&#x017F;ammen&#x017F;ezungen, haben we-<lb/>
nige und gro&#x017F;&#x017F;e Stu&#x0364;k; mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olche haben,<lb/>
weil&#x2019;s Zwek und Ab&#x017F;icht al&#x017F;o erhei&#x017F;chen: &#x017F;ind<lb/>
wieder andre Zu&#x017F;ammen&#x017F;ezungen, haben viele<lb/>
Stu&#x0364;k kleine und gro&#x017F;&#x017F;e; mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie haben,<lb/>
aus genanter Ur&#x017F;ach. Sind aber auch &#x017F;olche,<lb/>
die nichts nicht haben, denn lauter kleine<lb/>
Stu&#x0364;k; gebe keinen Pfifferling drum, ange-<lb/>
&#x017F;ehn &#x017F;ie untauglich Werk &#x017F;ind.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Von der Nachahmung.</head><lb/>
            <p>Das Urbild i&#x017F;t der Baum, die Nachah-<lb/>
mung &#x017F;ein Schatten; und die&#x017F;er i&#x017F;t immer<lb/>
bald zu lang, und bald zu kurz, nie die<lb/>
wahre Ge&#x017F;talt des Baums. Der <hi rendition="#fr">Ju&#x0364;ngling.</hi><lb/>
Schatten al&#x017F;o er&#x017F;tlich; und dann verfehlte<lb/>
Ge&#x017F;talt? Der <hi rendition="#fr">Aldermann.</hi> Recht, Ju&#x0364;ng-<lb/>
ling. Schatten ohne Saft und Kraft, Bil-<lb/>
dung ohne Scho&#x0364;nheit. Sieh nur die heilige<lb/>
Eiche, die edle Tanne an, und hierauf ihre<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schat-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0204] gar ſonderlich ankomt. Das iſt nun eine groſſe Schwierigkeit, und iſt ſelbige kein ſol- cher Knoten, da du nur koͤnneſt drein haun, und das Ding waͤre dann gethan; iſt ein Kno- ten, den du loͤſen muſt, oder dich lieber gar nicht mit ſelbigem befaſſen. Denn, wie ge- ſagt iſt, das Dreinhaun frommet da nicht. Sind manche Zuſammenſezungen, haben we- nige und groſſe Stuͤk; muͤſſen ſolche haben, weil’s Zwek und Abſicht alſo erheiſchen: ſind wieder andre Zuſammenſezungen, haben viele Stuͤk kleine und groſſe; muͤſſen ſie haben, aus genanter Urſach. Sind aber auch ſolche, die nichts nicht haben, denn lauter kleine Stuͤk; gebe keinen Pfifferling drum, ange- ſehn ſie untauglich Werk ſind. Von der Nachahmung. Das Urbild iſt der Baum, die Nachah- mung ſein Schatten; und dieſer iſt immer bald zu lang, und bald zu kurz, nie die wahre Geſtalt des Baums. Der Juͤngling. Schatten alſo erſtlich; und dann verfehlte Geſtalt? Der Aldermann. Recht, Juͤng- ling. Schatten ohne Saft und Kraft, Bil- dung ohne Schoͤnheit. Sieh nur die heilige Eiche, die edle Tanne an, und hierauf ihre Schat-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/204
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/204>, abgerufen am 26.11.2024.