Die rechte Jronie ist eine gar keusche Dirne, enthält sich mit grosser Strenge des Mitla- chens. Am besten hat sie's troffen, wenn nicht etwa nur, wer mit Haut und Haar Gauch ist, sondern auch der Klügling denkt, sie meine das in allem Ernste, was sie sagt.
Besser ist besser.
Jch bin ein guter Leser, denn ich sehe ein, warum du das und das gesezt hast. Jch danke vielmals, und gewiß recht aufrich- tig; aber ich kenne noch bessere Leser. Und wie sind denn diese beschaffen? Diese sehen auch ein, warum ich das, und das, und wieder das, und noch mehr weggelassen habe.
Die ekle Nase.
Ein kalter einsylbiger Mann hatte seine Bücher folgendermaassen geordnet:
Jn einem kleinen Cabinette hatte er die Originalwerke; und in einem grossen Saale die unzähligen Arbeiten der Nachahmer und der Ausschreiber. Jene nante er seine Blu- men; und diese, nach einer wörtlichen Dol-
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Die Jronie.
Die rechte Jronie iſt eine gar keuſche Dirne, enthaͤlt ſich mit groſſer Strenge des Mitla- chens. Am beſten hat ſie’s troffen, wenn nicht etwa nur, wer mit Haut und Haar Gauch iſt, ſondern auch der Kluͤgling denkt, ſie meine das in allem Ernſte, was ſie ſagt.
Beſſer iſt beſſer.
Jch bin ein guter Leſer, denn ich ſehe ein, warum du das und das geſezt haſt. Jch danke vielmals, und gewiß recht aufrich- tig; aber ich kenne noch beſſere Leſer. Und wie ſind denn dieſe beſchaffen? Dieſe ſehen auch ein, warum ich das, und das, und wieder das, und noch mehr weggelaſſen habe.
Die ekle Naſe.
Ein kalter einſylbiger Mann hatte ſeine Buͤcher folgendermaaſſen geordnet:
Jn einem kleinen Cabinette hatte er die Originalwerke; und in einem groſſen Saale die unzaͤhligen Arbeiten der Nachahmer und der Ausſchreiber. Jene nante er ſeine Blu- men; und dieſe, nach einer woͤrtlichen Dol-
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Die Jronie.
Die rechte Jronie iſt eine gar keuſche Dirne,
enthaͤlt ſich mit groſſer Strenge des Mitla-
chens. Am beſten hat ſie’s troffen, wenn
nicht etwa nur, wer mit Haut und Haar
Gauch iſt, ſondern auch der Kluͤgling denkt,
ſie meine das in allem Ernſte, was ſie ſagt.
Beſſer iſt beſſer.
Jch bin ein guter Leſer, denn ich ſehe ein,
warum du das und das geſezt haſt. Jch
danke vielmals, und gewiß recht aufrich-
tig; aber ich kenne noch beſſere Leſer. Und
wie ſind denn dieſe beſchaffen? Dieſe ſehen
auch ein, warum ich das, und das, und
wieder das, und noch mehr weggelaſſen
habe.
Die ekle Naſe.
Ein kalter einſylbiger Mann hatte ſeine
Buͤcher folgendermaaſſen geordnet:
Jn einem kleinen Cabinette hatte er die
Originalwerke; und in einem groſſen Saale
die unzaͤhligen Arbeiten der Nachahmer und
der Ausſchreiber. Jene nante er ſeine Blu-
men; und dieſe, nach einer woͤrtlichen Dol-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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