Wenn in gemeinem Leben einer dem an- dern jezt eine freundliche, und gleich darauf eine spöttische Mine machte;
einer den andern jezt mit einem Krazfusse bewillkomte, und ihm gleich darauf einen Tritt versezte;
einer seinem Gaste jezt gutes Räucherpul- ver, und dann Gestank aufstreute:
so .. jeder weiß, wie ein solch Betragen in gemeinem Leben würd angesehn werden.
Unter dem Vorwande der Unpartheylich- keit verfährt der grosse Haufen der Kritiker gegen die Scribenten eben so, auch gegen sol- che, denen an ihrer Freundlichkeit, ihren Kraz- füssen, und ihrem Räuchern nichts gelegen ist.
Der grosse Haufen wird doch diesem allen ungeachtet nicht etwa gar verlangen, daß man nach den Regeln des gemeinem Lebens von ihm urtheile?
Also sollen wir nur immer loben, und niemals tadeln?
Elender Behelf! Als wenn der Tadel noth- wendig Gestank, und desgleichen seyn müste; und als wenn dem, der nicht so gerade zu für- lieb nimt, euer nichts entscheidendes Lob nicht gleichgültig wäre.
Der
K 5
Was ſolchen Leuten nicht werden kann.
Wenn in gemeinem Leben einer dem an- dern jezt eine freundliche, und gleich darauf eine ſpoͤttiſche Mine machte;
einer den andern jezt mit einem Krazfuſſe bewillkomte, und ihm gleich darauf einen Tritt verſezte;
einer ſeinem Gaſte jezt gutes Raͤucherpul- ver, und dann Geſtank aufſtreute:
ſo .. jeder weiß, wie ein ſolch Betragen in gemeinem Leben wuͤrd angeſehn werden.
Unter dem Vorwande der Unpartheylich- keit verfaͤhrt der groſſe Haufen der Kritiker gegen die Scribenten eben ſo, auch gegen ſol- che, denen an ihrer Freundlichkeit, ihren Kraz- fuͤſſen, und ihrem Raͤuchern nichts gelegen iſt.
Der groſſe Haufen wird doch dieſem allen ungeachtet nicht etwa gar verlangen, daß man nach den Regeln des gemeinem Lebens von ihm urtheile?
Alſo ſollen wir nur immer loben, und niemals tadeln?
Elender Behelf! Als wenn der Tadel noth- wendig Geſtank, und desgleichen ſeyn muͤſte; und als wenn dem, der nicht ſo gerade zu fuͤr- lieb nimt, euer nichts entſcheidendes Lob nicht gleichguͤltig waͤre.
Der
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Was ſolchen Leuten nicht werden kann.
Wenn in gemeinem Leben einer dem an-
dern jezt eine freundliche, und gleich darauf
eine ſpoͤttiſche Mine machte;
einer den andern jezt mit einem Krazfuſſe
bewillkomte, und ihm gleich darauf einen Tritt
verſezte;
einer ſeinem Gaſte jezt gutes Raͤucherpul-
ver, und dann Geſtank aufſtreute:
ſo .. jeder weiß, wie ein ſolch Betragen
in gemeinem Leben wuͤrd angeſehn werden.
Unter dem Vorwande der Unpartheylich-
keit verfaͤhrt der groſſe Haufen der Kritiker
gegen die Scribenten eben ſo, auch gegen ſol-
che, denen an ihrer Freundlichkeit, ihren Kraz-
fuͤſſen, und ihrem Raͤuchern nichts gelegen iſt.
Der groſſe Haufen wird doch dieſem allen
ungeachtet nicht etwa gar verlangen, daß man
nach den Regeln des gemeinem Lebens von
ihm urtheile?
Alſo ſollen wir nur immer loben, und
niemals tadeln?
Elender Behelf! Als wenn der Tadel noth-
wendig Geſtank, und desgleichen ſeyn muͤſte;
und als wenn dem, der nicht ſo gerade zu fuͤr-
lieb nimt, euer nichts entſcheidendes Lob nicht
gleichguͤltig waͤre.
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/229>, abgerufen am 24.11.2024.
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