Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dem goldnen Abece der Dichter.

Laß du dich kein Regulbuch irren, wie dik
es auch sey, und was die Vorred auch davon
bemelde, daß ohne solchen Wegweiser keiner,
der da dichtet, könne auch nur Einen sichern
Schritt thun. Frag du den Geist, der in
dir ist, und die Dinge, die du um dich siehst
und hörest, und die Beschaffenheit deß, wo-
von du vorhast zu dichten; und was die dir
antworten, dem folge. Und wenn du's nun
hast zu Ende bracht, und kalt worden bist von
dem gewaltigen Feuer, womit du dein Werk
hast arbeitet; so untersuch alle deine Tritt und
und Schritt noch Einmal; und wo sie etwa
wankend gewesen sind und gleithaft, da geh
du von neuem einher, und halt solchen Gang,
der stark und fest sey. Wilst du dich nach ge-
thaner Arbeit erholen und erlustigen; so
nimm der dicken Regulbücher eines zur Hand,
und lauf hie und da die Narrentheidungen
durch, die du vor dir findest.

Anlaß zum Stillschweigen.

Wer die Wollust noch nicht geschmekt hat,
welche die zu überwindende, und die über-
wundne Schwierigkeit geben, der ist noch ein
Neuling, und solte sich des Mitsprechens ent-
halten.

Das
Aus dem goldnen Abece der Dichter.

Laß du dich kein Regulbuch irren, wie dik
es auch ſey, und was die Vorred auch davon
bemelde, daß ohne ſolchen Wegweiſer keiner,
der da dichtet, koͤnne auch nur Einen ſichern
Schritt thun. Frag du den Geiſt, der in
dir iſt, und die Dinge, die du um dich ſiehſt
und hoͤreſt, und die Beſchaffenheit deß, wo-
von du vorhaſt zu dichten; und was die dir
antworten, dem folge. Und wenn du’s nun
haſt zu Ende bracht, und kalt worden biſt von
dem gewaltigen Feuer, womit du dein Werk
haſt arbeitet; ſo unterſuch alle deine Tritt und
und Schritt noch Einmal; und wo ſie etwa
wankend geweſen ſind und gleithaft, da geh
du von neuem einher, und halt ſolchen Gang,
der ſtark und feſt ſey. Wilſt du dich nach ge-
thaner Arbeit erholen und erluſtigen; ſo
nimm der dicken Regulbuͤcher eines zur Hand,
und lauf hie und da die Narrentheidungen
durch, die du vor dir findeſt.

Anlaß zum Stillſchweigen.

Wer die Wolluſt noch nicht geſchmekt hat,
welche die zu uͤberwindende, und die uͤber-
wundne Schwierigkeit geben, der iſt noch ein
Neuling, und ſolte ſich des Mitſprechens ent-
halten.

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0235" n="159"/>
          <div n="3">
            <head>Aus dem goldnen Abece der Dichter.</head><lb/>
            <p>Laß du dich kein Regulbuch irren, wie dik<lb/>
es auch &#x017F;ey, und was die Vorred auch davon<lb/>
bemelde, daß ohne &#x017F;olchen Wegwei&#x017F;er keiner,<lb/>
der da dichtet, ko&#x0364;nne auch nur Einen &#x017F;ichern<lb/>
Schritt thun. Frag du den Gei&#x017F;t, der in<lb/>
dir i&#x017F;t, und die Dinge, die du um dich &#x017F;ieh&#x017F;t<lb/>
und ho&#x0364;re&#x017F;t, und die Be&#x017F;chaffenheit deß, wo-<lb/>
von du vorha&#x017F;t zu dichten; und was die dir<lb/>
antworten, dem folge. Und wenn du&#x2019;s nun<lb/>
ha&#x017F;t zu Ende bracht, und kalt worden bi&#x017F;t von<lb/>
dem gewaltigen Feuer, womit du dein Werk<lb/>
ha&#x017F;t arbeitet; &#x017F;o unter&#x017F;uch alle deine Tritt und<lb/>
und Schritt noch Einmal; und wo &#x017F;ie etwa<lb/>
wankend gewe&#x017F;en &#x017F;ind und gleithaft, da geh<lb/>
du von neuem einher, und halt &#x017F;olchen Gang,<lb/>
der &#x017F;tark und fe&#x017F;t &#x017F;ey. Wil&#x017F;t du dich nach ge-<lb/>
thaner Arbeit erholen und erlu&#x017F;tigen; &#x017F;o<lb/>
nimm der dicken Regulbu&#x0364;cher eines zur Hand,<lb/>
und lauf hie und da die Narrentheidungen<lb/>
durch, die du vor dir finde&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Anlaß zum Still&#x017F;chweigen.</head><lb/>
            <p>Wer die <hi rendition="#fr">Wollu&#x017F;t</hi> noch nicht ge&#x017F;chmekt hat,<lb/>
welche die zu u&#x0364;berwindende, und die u&#x0364;ber-<lb/>
wundne Schwierigkeit geben, der i&#x017F;t noch ein<lb/>
Neuling, und &#x017F;olte &#x017F;ich des Mit&#x017F;prechens ent-<lb/>
halten.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0235] Aus dem goldnen Abece der Dichter. Laß du dich kein Regulbuch irren, wie dik es auch ſey, und was die Vorred auch davon bemelde, daß ohne ſolchen Wegweiſer keiner, der da dichtet, koͤnne auch nur Einen ſichern Schritt thun. Frag du den Geiſt, der in dir iſt, und die Dinge, die du um dich ſiehſt und hoͤreſt, und die Beſchaffenheit deß, wo- von du vorhaſt zu dichten; und was die dir antworten, dem folge. Und wenn du’s nun haſt zu Ende bracht, und kalt worden biſt von dem gewaltigen Feuer, womit du dein Werk haſt arbeitet; ſo unterſuch alle deine Tritt und und Schritt noch Einmal; und wo ſie etwa wankend geweſen ſind und gleithaft, da geh du von neuem einher, und halt ſolchen Gang, der ſtark und feſt ſey. Wilſt du dich nach ge- thaner Arbeit erholen und erluſtigen; ſo nimm der dicken Regulbuͤcher eines zur Hand, und lauf hie und da die Narrentheidungen durch, die du vor dir findeſt. Anlaß zum Stillſchweigen. Wer die Wolluſt noch nicht geſchmekt hat, welche die zu uͤberwindende, und die uͤber- wundne Schwierigkeit geben, der iſt noch ein Neuling, und ſolte ſich des Mitſprechens ent- halten. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/235
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/235>, abgerufen am 24.11.2024.