dahin, wo der Dichter hin muß, wenn ihm vor Meistersange ekelt. Sind drittens nicht kleine Ziele, zu welchen er durch diese Regeln bracht wird; sondern wenn er dort ankommen ist, so fährt er auf's Herz zu, daß einem schaudert, oder froh zu Mute wird, oder was es sonst mehr vor gewaltige Beweg- und Er- schüttrungen sind, die einer gern haben mag. Must aber ja nicht dabey zu erwägen aus der Acht lassen, daß selbsten solche ächte und wahre Regeln zu nichts nicht taugen dem, der nicht Geisteskraft und Gabe dazu hat, etwas nach selbigen hervorzubringen.
Ungekante Gleichheit.
Jn einer gewissen verfeinerten Schreibart ei- niger Neuern, welche falschverstandner Atticis- mus ist, grosse Gedanken sagen, oder die Sitt und Weise der Scholastiker wieder aufwärmen wollen, ist einerley. Die Scholastiker liessen Engel auf Nadelspizen tanzen.
Die Meisterer betreffend.
Einem Meisterer ist ein zu ehrsamer Name worden, angesehn selbiger von Meister abge- leitet wird; solt arger Gesell heissen. Fält wol Widerrede, und wird gesagt: Eben da- durch, daß das Wort Meisterer von Meister komme, zeig es kräftiglich den an, der überm
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dahin, wo der Dichter hin muß, wenn ihm vor Meiſterſange ekelt. Sind drittens nicht kleine Ziele, zu welchen er durch dieſe Regeln bracht wird; ſondern wenn er dort ankommen iſt, ſo faͤhrt er auf’s Herz zu, daß einem ſchaudert, oder froh zu Mute wird, oder was es ſonſt mehr vor gewaltige Beweg- und Er- ſchuͤttrungen ſind, die einer gern haben mag. Muſt aber ja nicht dabey zu erwaͤgen aus der Acht laſſen, daß ſelbſten ſolche aͤchte und wahre Regeln zu nichts nicht taugen dem, der nicht Geiſteskraft und Gabe dazu hat, etwas nach ſelbigen hervorzubringen.
Ungekante Gleichheit.
Jn einer gewiſſen verfeinerten Schreibart ei- niger Neuern, welche falſchverſtandner Atticis- mus iſt, groſſe Gedanken ſagen, oder die Sitt und Weiſe der Scholaſtiker wieder aufwaͤrmen wollen, iſt einerley. Die Scholaſtiker lieſſen Engel auf Nadelſpizen tanzen.
Die Meiſterer betreffend.
Einem Meiſterer iſt ein zu ehrſamer Name worden, angeſehn ſelbiger von Meiſter abge- leitet wird; ſolt arger Geſell heiſſen. Faͤlt wol Widerrede, und wird geſagt: Eben da- durch, daß das Wort Meiſterer von Meiſter komme, zeig es kraͤftiglich den an, der uͤberm
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dahin, wo der Dichter hin muß, wenn ihm
vor Meiſterſange ekelt. Sind drittens nicht
kleine Ziele, zu welchen er durch dieſe Regeln
bracht wird; ſondern wenn er dort ankommen
iſt, ſo faͤhrt er auf’s Herz zu, daß einem
ſchaudert, oder froh zu Mute wird, oder was
es ſonſt mehr vor gewaltige Beweg- und Er-
ſchuͤttrungen ſind, die einer gern haben mag.
Muſt aber ja nicht dabey zu erwaͤgen aus der
Acht laſſen, daß ſelbſten ſolche aͤchte und
wahre Regeln zu nichts nicht taugen dem, der
nicht Geiſteskraft und Gabe dazu hat, etwas
nach ſelbigen hervorzubringen.
Ungekante Gleichheit.
Jn einer gewiſſen verfeinerten Schreibart ei-
niger Neuern, welche falſchverſtandner Atticis-
mus iſt, groſſe Gedanken ſagen, oder die Sitt
und Weiſe der Scholaſtiker wieder aufwaͤrmen
wollen, iſt einerley. Die Scholaſtiker lieſſen
Engel auf Nadelſpizen tanzen.
Die Meiſterer betreffend.
Einem Meiſterer iſt ein zu ehrſamer Name
worden, angeſehn ſelbiger von Meiſter abge-
leitet wird; ſolt arger Geſell heiſſen. Faͤlt
wol Widerrede, und wird geſagt: Eben da-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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