dann, daß, statt eines Pfeiles, ein Bolzen bey dem Ziele vorbey fliegt.
An den, welcher die Geschichte unsrer Sprache schreiben wird.
Jüngling, oder Mann, denn ich weiß nicht, sagte Ekhard, wer es thun wird, merke dir zuerst, und vor allen Dingen, daß deine Spra- che eine reichhaltige, vollblühende, frucht- schwere, tönende, gemesne, freye, bildsame, (doch wer kann von ihr alles sagen, was sie ist?) männliche, edle, und vortrefliche Sprache ist, der es kaum die griechische, und keine der andern Europäersprachen bieten darf.
Aus celtischer Wurzel wuchs sie nicht auf. Denn Cäsar rühmt's an Ariovisten, daß er gut gallisch spräche. Späh du ihrer Wurzel nicht nach. Denn wer wolte in solcherley Staube umsonst wühlen.
Die Barden, die über Cäsars Rhein- brücken, gerechte Leute, spotteten; Herman- nen bewunderten, weil er's werth war; Bo- jokalen beweinten; die kühnen Franken vom schwarzen Meer an bis zu der Rheinmünde geleiteten; die .. von diesem allen sey kurz, denn du kanst weiter nichts, als ich auch kann, dieß nämlich: Jhrem Andenken eine heisse deutsche Thräne hinstürzen lassen.
Jn
L 5
dann, daß, ſtatt eines Pfeiles, ein Bolzen bey dem Ziele vorbey fliegt.
An den, welcher die Geſchichte unſrer Sprache ſchreiben wird.
Juͤngling, oder Mann, denn ich weiß nicht, ſagte Ekhard, wer es thun wird, merke dir zuerſt, und vor allen Dingen, daß deine Spra- che eine reichhaltige, vollbluͤhende, frucht- ſchwere, toͤnende, gemeſne, freye, bildſame, (doch wer kann von ihr alles ſagen, was ſie iſt?) maͤnnliche, edle, und vortrefliche Sprache iſt, der es kaum die griechiſche, und keine der andern Europaͤerſprachen bieten darf.
Aus celtiſcher Wurzel wuchs ſie nicht auf. Denn Caͤſar ruͤhmt’s an Arioviſten, daß er gut galliſch ſpraͤche. Spaͤh du ihrer Wurzel nicht nach. Denn wer wolte in ſolcherley Staube umſonſt wuͤhlen.
Die Barden, die uͤber Caͤſars Rhein- bruͤcken, gerechte Leute, ſpotteten; Herman- nen bewunderten, weil er’s werth war; Bo- jokalen beweinten; die kuͤhnen Franken vom ſchwarzen Meer an bis zu der Rheinmuͤnde geleiteten; die .. von dieſem allen ſey kurz, denn du kanſt weiter nichts, als ich auch kann, dieß naͤmlich: Jhrem Andenken eine heiſſe deutſche Thraͤne hinſtuͤrzen laſſen.
Jn
L 5
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dann, daß, ſtatt eines Pfeiles, ein Bolzen
bey dem Ziele vorbey fliegt.
An den, welcher die Geſchichte unſrer Sprache
ſchreiben wird.
Juͤngling, oder Mann, denn ich weiß nicht,
ſagte Ekhard, wer es thun wird, merke dir
zuerſt, und vor allen Dingen, daß deine Spra-
che eine reichhaltige, vollbluͤhende, frucht-
ſchwere, toͤnende, gemeſne, freye, bildſame,
(doch wer kann von ihr alles ſagen, was ſie
iſt?) maͤnnliche, edle, und vortrefliche Sprache
iſt, der es kaum die griechiſche, und keine der
andern Europaͤerſprachen bieten darf.
Aus celtiſcher Wurzel wuchs ſie nicht auf.
Denn Caͤſar ruͤhmt’s an Arioviſten, daß er
gut galliſch ſpraͤche. Spaͤh du ihrer Wurzel
nicht nach. Denn wer wolte in ſolcherley
Staube umſonſt wuͤhlen.
Die Barden, die uͤber Caͤſars Rhein-
bruͤcken, gerechte Leute, ſpotteten; Herman-
nen bewunderten, weil er’s werth war; Bo-
jokalen beweinten; die kuͤhnen Franken vom
ſchwarzen Meer an bis zu der Rheinmuͤnde
geleiteten; die .. von dieſem allen ſey kurz,
denn du kanſt weiter nichts, als ich auch kann,
dieß naͤmlich: Jhrem Andenken eine heiſſe
deutſche Thraͤne hinſtuͤrzen laſſen.
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/245>, abgerufen am 23.11.2024.
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