scheint es ja, daß der Ungenante nicht uns, sondern Ausländern angehören wolle. Wir haben nie Jemanden gezwungen uns anzuge- hören; wollen wir bey ihm damit anfangen?
Der Anwald hatte den Aldermann zwar ausreden lassen; aber jezt sagte er ihm nicht ohne Hize:
Die Zünfte haben euch zu grosse Gelindig- keit vorgeworfen; wie gerecht, oder wie un- gerecht, untersuche ich zwar jezt nicht, auch mache ich euch diesen Vorwurf bey diesem An- lasse nicht: aber den Vorwurf der Mutlosig- keit, den ihr jezo verdient, mache ich euch. Meine Antwort kann, und soll kurz seyn. Jst der Anzuklagende ein Deutscher? oder ist er es nicht? Jst er es; so gehört er uns an. Wär er auch zugegen, so würde er sich nicht vertheidigen wollen, weil er sich nicht verthei- digen kann! Freylich werden Urtheile an Ab- wesenden nicht vollzogen. Das thut hier nichts. Denn in Beziehung auf ihn ist ein gefältes Urtheil schon genung.
Der Anwald wendete sich jezt an die Zünfte.
Die Aldermänner, sagte er, wollen mich von einer Anklage abhalten, über welche zu entscheiden die Republik schon lange vor die- sem Landtage durch stillschweigende Einstim-
mung
ſcheint es ja, daß der Ungenante nicht uns, ſondern Auslaͤndern angehoͤren wolle. Wir haben nie Jemanden gezwungen uns anzuge- hoͤren; wollen wir bey ihm damit anfangen?
Der Anwald hatte den Aldermann zwar ausreden laſſen; aber jezt ſagte er ihm nicht ohne Hize:
Die Zuͤnfte haben euch zu groſſe Gelindig- keit vorgeworfen; wie gerecht, oder wie un- gerecht, unterſuche ich zwar jezt nicht, auch mache ich euch dieſen Vorwurf bey dieſem An- laſſe nicht: aber den Vorwurf der Mutloſig- keit, den ihr jezo verdient, mache ich euch. Meine Antwort kann, und ſoll kurz ſeyn. Jſt der Anzuklagende ein Deutſcher? oder iſt er es nicht? Jſt er es; ſo gehoͤrt er uns an. Waͤr er auch zugegen, ſo wuͤrde er ſich nicht vertheidigen wollen, weil er ſich nicht verthei- digen kann! Freylich werden Urtheile an Ab- weſenden nicht vollzogen. Das thut hier nichts. Denn in Beziehung auf ihn iſt ein gefaͤltes Urtheil ſchon genung.
Der Anwald wendete ſich jezt an die Zuͤnfte.
Die Aldermaͤnner, ſagte er, wollen mich von einer Anklage abhalten, uͤber welche zu entſcheiden die Republik ſchon lange vor die- ſem Landtage durch ſtillſchweigende Einſtim-
mung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0267"n="191"/>ſcheint es ja, daß der Ungenante nicht uns,<lb/>ſondern Auslaͤndern angehoͤren wolle. Wir<lb/>
haben nie Jemanden gezwungen uns anzuge-<lb/>
hoͤren; wollen wir bey ihm damit anfangen?</p><lb/><p>Der Anwald hatte den Aldermann zwar<lb/>
ausreden laſſen; aber jezt ſagte er ihm nicht<lb/>
ohne Hize:</p><lb/><p>Die Zuͤnfte haben euch zu groſſe Gelindig-<lb/>
keit vorgeworfen; wie gerecht, oder wie un-<lb/>
gerecht, unterſuche ich zwar jezt nicht, auch<lb/>
mache ich euch dieſen Vorwurf bey dieſem An-<lb/>
laſſe nicht: aber den Vorwurf der Mutloſig-<lb/>
keit, den ihr jezo verdient, mache ich euch.<lb/>
Meine Antwort kann, und ſoll kurz ſeyn.<lb/>
Jſt der Anzuklagende ein Deutſcher? oder iſt<lb/>
er es nicht? Jſt er es; ſo gehoͤrt er uns an.<lb/>
Waͤr er auch zugegen, ſo wuͤrde er ſich nicht<lb/>
vertheidigen wollen, weil er ſich nicht verthei-<lb/>
digen kann! Freylich werden Urtheile an Ab-<lb/>
weſenden nicht vollzogen. Das thut hier<lb/>
nichts. Denn in Beziehung auf ihn iſt ein<lb/>
gefaͤltes Urtheil ſchon genung.</p><lb/><p>Der Anwald wendete ſich jezt an die<lb/>
Zuͤnfte.</p><lb/><p>Die Aldermaͤnner, ſagte er, wollen mich<lb/>
von einer Anklage abhalten, uͤber welche zu<lb/>
entſcheiden die Republik ſchon lange vor die-<lb/>ſem Landtage durch ſtillſchweigende Einſtim-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mung</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[191/0267]
ſcheint es ja, daß der Ungenante nicht uns,
ſondern Auslaͤndern angehoͤren wolle. Wir
haben nie Jemanden gezwungen uns anzuge-
hoͤren; wollen wir bey ihm damit anfangen?
Der Anwald hatte den Aldermann zwar
ausreden laſſen; aber jezt ſagte er ihm nicht
ohne Hize:
Die Zuͤnfte haben euch zu groſſe Gelindig-
keit vorgeworfen; wie gerecht, oder wie un-
gerecht, unterſuche ich zwar jezt nicht, auch
mache ich euch dieſen Vorwurf bey dieſem An-
laſſe nicht: aber den Vorwurf der Mutloſig-
keit, den ihr jezo verdient, mache ich euch.
Meine Antwort kann, und ſoll kurz ſeyn.
Jſt der Anzuklagende ein Deutſcher? oder iſt
er es nicht? Jſt er es; ſo gehoͤrt er uns an.
Waͤr er auch zugegen, ſo wuͤrde er ſich nicht
vertheidigen wollen, weil er ſich nicht verthei-
digen kann! Freylich werden Urtheile an Ab-
weſenden nicht vollzogen. Das thut hier
nichts. Denn in Beziehung auf ihn iſt ein
gefaͤltes Urtheil ſchon genung.
Der Anwald wendete ſich jezt an die
Zuͤnfte.
Die Aldermaͤnner, ſagte er, wollen mich
von einer Anklage abhalten, uͤber welche zu
entſcheiden die Republik ſchon lange vor die-
ſem Landtage durch ſtillſchweigende Einſtim-
mung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/267>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.