Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

entziehn, da sie es am wenigsten thun solten,
mit uns, indem wir dieß erhabne Amt eben
verwalten, zugleich sizen?

Die Aldermänner hatten noch nie so deut-
lich als jezo gesehn, wie aufgebracht die Zünfte
gegen sie wären. So sehr sie dieses, weil sie
es nicht zu verdienen glaubten, auch schmerzte;
so waren sie doch grosmütig genung, sich lie-
ber neuen Vorwürfen auszusezen, als etwas
von dem unversucht zu lassen, was vielleicht
noch eine Sache hintertreiben könte, die, aus-
geführt, der Republik, wie sie meinten, nach-
theilig seyn würde.

Wie empfindlich ihnen also die Frage des
Anwalds auch gewesen war, so entschlossen sie
sich doch, sie mit ihm zu thun. Sie glaub-
ten, daß man sich mit Untersuchung derselben,
wegen ihrer Neuheit, lange aufhalten würde;
und so könten denn heute über die Anklage die
Stimmen nicht gesammelt werden. Am
Abend wolten sie sich unter die Zünfter mi-
schen, wenn diese am vergnügtesten seyn wür-
den, und alles anwenden, es dahin zu brin-
gen, daß den künftigen Morgen die Abwei-
sung der Anklage durchginge.

Es trat daher einer von ihnen hervor, und
sagte in seiner Anrede an die Zünfte von un-
gefähr eben das, wodurch sie den Anwald von

seiner

entziehn, da ſie es am wenigſten thun ſolten,
mit uns, indem wir dieß erhabne Amt eben
verwalten, zugleich ſizen?

Die Aldermaͤnner hatten noch nie ſo deut-
lich als jezo geſehn, wie aufgebracht die Zuͤnfte
gegen ſie waͤren. So ſehr ſie dieſes, weil ſie
es nicht zu verdienen glaubten, auch ſchmerzte;
ſo waren ſie doch grosmuͤtig genung, ſich lie-
ber neuen Vorwuͤrfen auszuſezen, als etwas
von dem unverſucht zu laſſen, was vielleicht
noch eine Sache hintertreiben koͤnte, die, aus-
gefuͤhrt, der Republik, wie ſie meinten, nach-
theilig ſeyn wuͤrde.

Wie empfindlich ihnen alſo die Frage des
Anwalds auch geweſen war, ſo entſchloſſen ſie
ſich doch, ſie mit ihm zu thun. Sie glaub-
ten, daß man ſich mit Unterſuchung derſelben,
wegen ihrer Neuheit, lange aufhalten wuͤrde;
und ſo koͤnten denn heute uͤber die Anklage die
Stimmen nicht geſammelt werden. Am
Abend wolten ſie ſich unter die Zuͤnfter mi-
ſchen, wenn dieſe am vergnuͤgteſten ſeyn wuͤr-
den, und alles anwenden, es dahin zu brin-
gen, daß den kuͤnftigen Morgen die Abwei-
ſung der Anklage durchginge.

Es trat daher einer von ihnen hervor, und
ſagte in ſeiner Anrede an die Zuͤnfte von un-
gefaͤhr eben das, wodurch ſie den Anwald von

ſeiner
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0272" n="196"/>
entziehn, da &#x017F;ie es am wenig&#x017F;ten thun &#x017F;olten,<lb/>
mit uns, indem wir dieß erhabne Amt eben<lb/>
verwalten, zugleich &#x017F;izen?</p><lb/>
          <p>Die Alderma&#x0364;nner hatten noch nie &#x017F;o deut-<lb/>
lich als jezo ge&#x017F;ehn, wie aufgebracht die Zu&#x0364;nfte<lb/>
gegen &#x017F;ie wa&#x0364;ren. So &#x017F;ehr &#x017F;ie die&#x017F;es, weil &#x017F;ie<lb/>
es nicht zu verdienen glaubten, auch &#x017F;chmerzte;<lb/>
&#x017F;o waren &#x017F;ie doch grosmu&#x0364;tig genung, &#x017F;ich lie-<lb/>
ber neuen Vorwu&#x0364;rfen auszu&#x017F;ezen, als etwas<lb/>
von dem unver&#x017F;ucht zu la&#x017F;&#x017F;en, was vielleicht<lb/>
noch eine Sache hintertreiben ko&#x0364;nte, die, aus-<lb/>
gefu&#x0364;hrt, der Republik, wie &#x017F;ie meinten, nach-<lb/>
theilig &#x017F;eyn wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Wie empfindlich ihnen al&#x017F;o die Frage des<lb/>
Anwalds auch gewe&#x017F;en war, &#x017F;o ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich doch, &#x017F;ie mit ihm zu thun. Sie glaub-<lb/>
ten, daß man &#x017F;ich mit Unter&#x017F;uchung der&#x017F;elben,<lb/>
wegen ihrer Neuheit, lange aufhalten wu&#x0364;rde;<lb/>
und &#x017F;o ko&#x0364;nten denn heute u&#x0364;ber die Anklage die<lb/>
Stimmen nicht ge&#x017F;ammelt werden. Am<lb/>
Abend wolten &#x017F;ie &#x017F;ich unter die Zu&#x0364;nfter mi-<lb/>
&#x017F;chen, wenn die&#x017F;e am vergnu&#x0364;gte&#x017F;ten &#x017F;eyn wu&#x0364;r-<lb/>
den, und alles anwenden, es dahin zu brin-<lb/>
gen, daß den ku&#x0364;nftigen Morgen die Abwei-<lb/>
&#x017F;ung der Anklage durchginge.</p><lb/>
          <p>Es trat daher einer von ihnen hervor, und<lb/>
&#x017F;agte in &#x017F;einer Anrede an die Zu&#x0364;nfte von un-<lb/>
gefa&#x0364;hr eben das, wodurch &#x017F;ie den Anwald von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;einer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0272] entziehn, da ſie es am wenigſten thun ſolten, mit uns, indem wir dieß erhabne Amt eben verwalten, zugleich ſizen? Die Aldermaͤnner hatten noch nie ſo deut- lich als jezo geſehn, wie aufgebracht die Zuͤnfte gegen ſie waͤren. So ſehr ſie dieſes, weil ſie es nicht zu verdienen glaubten, auch ſchmerzte; ſo waren ſie doch grosmuͤtig genung, ſich lie- ber neuen Vorwuͤrfen auszuſezen, als etwas von dem unverſucht zu laſſen, was vielleicht noch eine Sache hintertreiben koͤnte, die, aus- gefuͤhrt, der Republik, wie ſie meinten, nach- theilig ſeyn wuͤrde. Wie empfindlich ihnen alſo die Frage des Anwalds auch geweſen war, ſo entſchloſſen ſie ſich doch, ſie mit ihm zu thun. Sie glaub- ten, daß man ſich mit Unterſuchung derſelben, wegen ihrer Neuheit, lange aufhalten wuͤrde; und ſo koͤnten denn heute uͤber die Anklage die Stimmen nicht geſammelt werden. Am Abend wolten ſie ſich unter die Zuͤnfter mi- ſchen, wenn dieſe am vergnuͤgteſten ſeyn wuͤr- den, und alles anwenden, es dahin zu brin- gen, daß den kuͤnftigen Morgen die Abwei- ſung der Anklage durchginge. Es trat daher einer von ihnen hervor, und ſagte in ſeiner Anrede an die Zuͤnfte von un- gefaͤhr eben das, wodurch ſie den Anwald von ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/272
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/272>, abgerufen am 22.11.2024.