Wir bezeichnen jezt die Dehnung bald durch ein h und bald durch die Verdoplung der Selbstlaute, i aus- genommen, dessen Dehnung wir durch ein dabey geseztes e ausdrücken. Aber oft lassen wir diese Be- zeichnungen, das e ausgenommen, weg. Sich dar- über zu vergleichen, in welchen Wörtern von denen, wo das Zeichen fehlt, das h, und in welchen die Verdoplung gebraucht werden solte, würde schwe- rer seyn, als darüber überein zu kommen, daß man ein allgemeines Zeichen der Dehnung einführen wol- te. Welches Zeichen? Nicht die Verdoplung; das h auch nicht. Vielleicht einen Ovalzug unter den Selbstlauten. Es käme hier darauf an, den Zug so zu machen, und so anzubringen, daß das Auge dabey nichts zu erinnern hätte. Doch eh wir zu einem allgemeinen Zeichen der Dehnung, und zur Weglassung ungehörter Buchstaben kommen, wird wol noch viel Zeit hingehn. Das lezte haben schon manche thun wollen; aber es ist ihnen mislungen, weil sie es auf Einmal haben ganz thun wollen. Vielleicht würd es eher gelingen, wenn man nach und nach immer ein wenig in der Sache vornäme. Jst dieß zu hoffen; so ist es auch gut anzufangen. Womit? Das ist fast gleichgültig. Wenn es nun einen gäbe, dessen Auge z. E. durch kommt, nimmt eben so sehr beleidigt würde, als jezo eines jeden Auge durch Freundschafft, Krafft (welches vor kur- zem noch da war) würde beleidigt werden; und die- ser also lieber komt nimt, als kommt nimmt schriebe: so würde man es ihm wenigstens denn doch wol verzeihen, daß er ein so grillenhaftes Auge hätte, und daher auf die angeführte Art schriebe. Auch würde man wol nicht sagen können, daß er mit zu Vielem auf Einmal anfinge, wenn er zu-
gleich
Wir bezeichnen jezt die Dehnung bald durch ein h und bald durch die Verdoplung der Selbſtlaute, i aus- genommen, deſſen Dehnung wir durch ein dabey geſeztes e ausdruͤcken. Aber oft laſſen wir dieſe Be- zeichnungen, das e ausgenommen, weg. Sich dar- uͤber zu vergleichen, in welchen Woͤrtern von denen, wo das Zeichen fehlt, das h, und in welchen die Verdoplung gebraucht werden ſolte, wuͤrde ſchwe- rer ſeyn, als daruͤber uͤberein zu kommen, daß man ein allgemeines Zeichen der Dehnung einfuͤhren wol- te. Welches Zeichen? Nicht die Verdoplung; das h auch nicht. Vielleicht einen Ovalzug unter den Selbſtlauten. Es kaͤme hier darauf an, den Zug ſo zu machen, und ſo anzubringen, daß das Auge dabey nichts zu erinnern haͤtte. Doch eh wir zu einem allgemeinen Zeichen der Dehnung, und zur Weglaſſung ungehoͤrter Buchſtaben kommen, wird wol noch viel Zeit hingehn. Das lezte haben ſchon manche thun wollen; aber es iſt ihnen mislungen, weil ſie es auf Einmal haben ganz thun wollen. Vielleicht wuͤrd es eher gelingen, wenn man nach und nach immer ein wenig in der Sache vornaͤme. Jſt dieß zu hoffen; ſo iſt es auch gut anzufangen. Womit? Das iſt faſt gleichguͤltig. Wenn es nun einen gaͤbe, deſſen Auge z. E. durch kommt, nimmt eben ſo ſehr beleidigt wuͤrde, als jezo eines jeden Auge durch Freundſchafft, Krafft (welches vor kur- zem noch da war) wuͤrde beleidigt werden; und die- ſer alſo lieber komt nimt, als kommt nimmt ſchriebe: ſo wuͤrde man es ihm wenigſtens denn doch wol verzeihen, daß er ein ſo grillenhaftes Auge haͤtte, und daher auf die angefuͤhrte Art ſchriebe. Auch wuͤrde man wol nicht ſagen koͤnnen, daß er mit zu Vielem auf Einmal anfinge, wenn er zu-
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Wir bezeichnen jezt die Dehnung bald durch ein h und
bald durch die Verdoplung der Selbſtlaute, i aus-
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geſeztes e ausdruͤcken. Aber oft laſſen wir dieſe Be-
zeichnungen, das e ausgenommen, weg. Sich dar-
uͤber zu vergleichen, in welchen Woͤrtern von denen,
wo das Zeichen fehlt, das h, und in welchen die
Verdoplung gebraucht werden ſolte, wuͤrde ſchwe-
rer ſeyn, als daruͤber uͤberein zu kommen, daß man
ein allgemeines Zeichen der Dehnung einfuͤhren wol-
te. Welches Zeichen? Nicht die Verdoplung; das
h auch nicht. Vielleicht einen Ovalzug unter den
Selbſtlauten. Es kaͤme hier darauf an, den Zug
ſo zu machen, und ſo anzubringen, daß das Auge
dabey nichts zu erinnern haͤtte. Doch eh wir zu
einem allgemeinen Zeichen der Dehnung, und zur
Weglaſſung ungehoͤrter Buchſtaben kommen, wird
wol noch viel Zeit hingehn. Das lezte haben ſchon
manche thun wollen; aber es iſt ihnen mislungen,
weil ſie es auf Einmal haben ganz thun wollen.
Vielleicht wuͤrd es eher gelingen, wenn man nach
und nach immer ein wenig in der Sache vornaͤme.
Jſt dieß zu hoffen; ſo iſt es auch gut anzufangen.
Womit? Das iſt faſt gleichguͤltig. Wenn es nun
einen gaͤbe, deſſen Auge z. E. durch kommt, nimmt
eben ſo ſehr beleidigt wuͤrde, als jezo eines jeden
Auge durch Freundſchafft, Krafft (welches vor kur-
zem noch da war) wuͤrde beleidigt werden; und die-
ſer alſo lieber komt nimt, als kommt nimmt
ſchriebe: ſo wuͤrde man es ihm wenigſtens denn
doch wol verzeihen, daß er ein ſo grillenhaftes Auge
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Auch wuͤrde man wol nicht ſagen koͤnnen, daß er
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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