Weil du auf Treu und Glauben gekommen bist; so solst du leben, und so leben, wie es dir nach dei- nem Stande ziemt.
Aber bald war Schein für Argwohn da; und Grimoald argwöhnte. Schon den ersten Abend ka- men reiche Trachten von dem, was der Bogen ge- fält, und die Kelter geprest hatte, aus dem Palaste des Königs bey Bertarithen an. Ein alter Getreuer seines Vaters lispelte ihm ins Geheim zu: Er will dich tödten! Die andern Ueberbringer baten ihn im Namen des Königs, aus voller Schale zu trinken. Sein Mundschenke verstands von ihm, daß er nur Wasser eingiessen solte. Er trank das Wasser, aber Grimoald sagte, nach der Wiederkunft der Ueber- bringer:
Der Trunkenbold! Morgen soll er Wein, und Blut speyen! Bertarith ließ seinen Freund Hunolf rufen. Jezt war das Mahl vorbey, jeder Gast weg, und nur Hunolf, und noch ein Freund bey Bertarithen. Sie rathschlagten kurz. Der Uubekante, der dieß so wenig zu seyn verdient, blieb, daß die Wache ihn inwendig hören, und für den trunknen Bertarith halten solte. Hunolfen gelang kühne List, und er brachte seinen Freund unentdekt durch. Er ließ ihn über die Mauer hinunter, und gab ihm Gefährten mit. Grimoald erfuhr alles. Der edle Unbekante ward zuerst vor ihn gebracht. Er sagte zu seinen Hauptleuten, und Schildträgern: Er soll nicht ster- ben, wie ihr mir rathet. Er hat, der Treue wegen, den Tod nicht gefürchtet, und er ist bey mir, was er bey seinem Freunde war. Hunolf verließ seine Zuflucht, den Altar, und wurde, von dem Könige eben so aufgenommen. Nach einiger Zeit sagte die- ser zu beyden:
Jch
Weil du auf Treu und Glauben gekommen biſt; ſo ſolſt du leben, und ſo leben, wie es dir nach dei- nem Stande ziemt.
Aber bald war Schein fuͤr Argwohn da; und Grimoald argwoͤhnte. Schon den erſten Abend ka- men reiche Trachten von dem, was der Bogen ge- faͤlt, und die Kelter gepreſt hatte, aus dem Palaſte des Koͤnigs bey Bertarithen an. Ein alter Getreuer ſeines Vaters liſpelte ihm ins Geheim zu: Er will dich toͤdten! Die andern Ueberbringer baten ihn im Namen des Koͤnigs, aus voller Schale zu trinken. Sein Mundſchenke verſtands von ihm, daß er nur Waſſer eingieſſen ſolte. Er trank das Waſſer, aber Grimoald ſagte, nach der Wiederkunft der Ueber- bringer:
Der Trunkenbold! Morgen ſoll er Wein, und Blut ſpeyen! Bertarith ließ ſeinen Freund Hunolf rufen. Jezt war das Mahl vorbey, jeder Gaſt weg, und nur Hunolf, und noch ein Freund bey Bertarithen. Sie rathſchlagten kurz. Der Uubekante, der dieß ſo wenig zu ſeyn verdient, blieb, daß die Wache ihn inwendig hoͤren, und fuͤr den trunknen Bertarith halten ſolte. Hunolfen gelang kuͤhne Liſt, und er brachte ſeinen Freund unentdekt durch. Er ließ ihn uͤber die Mauer hinunter, und gab ihm Gefaͤhrten mit. Grimoald erfuhr alles. Der edle Unbekante ward zuerſt vor ihn gebracht. Er ſagte zu ſeinen Hauptleuten, und Schildtraͤgern: Er ſoll nicht ſter- ben, wie ihr mir rathet. Er hat, der Treue wegen, den Tod nicht gefuͤrchtet, und er iſt bey mir, was er bey ſeinem Freunde war. Hunolf verließ ſeine Zuflucht, den Altar, und wurde, von dem Koͤnige eben ſo aufgenommen. Nach einiger Zeit ſagte die- ſer zu beyden:
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Weil du auf Treu und Glauben gekommen biſt;
ſo ſolſt du leben, und ſo leben, wie es dir nach dei-
nem Stande ziemt.
Aber bald war Schein fuͤr Argwohn da; und
Grimoald argwoͤhnte. Schon den erſten Abend ka-
men reiche Trachten von dem, was der Bogen ge-
faͤlt, und die Kelter gepreſt hatte, aus dem Palaſte
des Koͤnigs bey Bertarithen an. Ein alter Getreuer
ſeines Vaters liſpelte ihm ins Geheim zu: Er will
dich toͤdten! Die andern Ueberbringer baten ihn im
Namen des Koͤnigs, aus voller Schale zu trinken.
Sein Mundſchenke verſtands von ihm, daß er nur
Waſſer eingieſſen ſolte. Er trank das Waſſer, aber
Grimoald ſagte, nach der Wiederkunft der Ueber-
bringer:
Der Trunkenbold! Morgen ſoll er Wein, und Blut
ſpeyen! Bertarith ließ ſeinen Freund Hunolf rufen.
Jezt war das Mahl vorbey, jeder Gaſt weg, und
nur Hunolf, und noch ein Freund bey Bertarithen.
Sie rathſchlagten kurz. Der Uubekante, der dieß
ſo wenig zu ſeyn verdient, blieb, daß die Wache ihn
inwendig hoͤren, und fuͤr den trunknen Bertarith
halten ſolte. Hunolfen gelang kuͤhne Liſt, und er
brachte ſeinen Freund unentdekt durch. Er ließ ihn
uͤber die Mauer hinunter, und gab ihm Gefaͤhrten
mit. Grimoald erfuhr alles. Der edle Unbekante
ward zuerſt vor ihn gebracht. Er ſagte zu ſeinen
Hauptleuten, und Schildtraͤgern: Er ſoll nicht ſter-
ben, wie ihr mir rathet. Er hat, der Treue wegen,
den Tod nicht gefuͤrchtet, und er iſt bey mir, was
er bey ſeinem Freunde war. Hunolf verließ ſeine
Zuflucht, den Altar, und wurde, von dem Koͤnige
eben ſo aufgenommen. Nach einiger Zeit ſagte die-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/374>, abgerufen am 22.11.2024.
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