ben. Der einzelne Mann hat's besser, als die Ge- selschaften gemacht. Gleichwol würden es Mehre doch noch besser, als selbst ein solcher einzelner Mann machen können. Jn der Crusca, und unter den Acade- misten theilte man sich öfter Vorurtheile, als richtige Untersuchungen mit; und so ging es denn, wie es ge- gangen ist. Johnson hat mehr, und tiefer in seiner Sprache untersucht, als jemals ein andrer in der seinigen. Allein unsrer Sprache würde selbst ein Johnson zwar wol das Wasser, aber keinen Wein reichen. Sie hat dazu einen zu grossen Umfang. Also muß ein deutsches Wörterbuch wenigstens von einigen geschrieben werden. Aber diese müssen ja in keine Geselschaft zusammengekneter seyn. Krieg muß seyn, Aller gegen Alle! Ueber ein einziges Wort, besonders wenn es viele, und bedeutende Ab- kömlinge hat, müssen sich oft zehn, und mehr wi- dersprechen. Aber da wird man ja nur immer ungewisser. Diejenigen, die Wörterbücher schrei- ben, sollen ja die Sprache festsezen. Festsezen? Als wenn die unsrige nicht schon beynah durchge- hends festgesezt wäre? und es eine lebende Sprache jemals ganz würde? Und dann solten es vier, fünf, zehn, zwölf Männer thun können? Seit wenn ha- ben denn die Nationen aufgehört ihre Sprachen fest- zusezen? Nach den Scribenten, kann das kleine Häufchen Untersucher zu Festsezungen veranlassen. Das ist es alles; aber auch das schon ist Verdienst um die Nation. Welche sollen denn die Untersu- cher seyn? Wer will, und kann; denn das lezte ge- hört doch gleichwol auch mit zur Sache. Und wer hernach der Samler des Zerstreuten? Auch wer will und kann. Wenn der's aber nun schlecht macht? wegwirft, was er behalten solte, und be-
hält,
ben. Der einzelne Mann hat’s beſſer, als die Ge- ſelſchaften gemacht. Gleichwol wuͤrden es Mehre doch noch beſſer, als ſelbſt ein ſolcher einzelner Mann machen koͤnnen. Jn der Crusca, und unter den Acade- miſten theilte man ſich oͤfter Vorurtheile, als richtige Unterſuchungen mit; und ſo ging es denn, wie es ge- gangen iſt. Johnſon hat mehr, und tiefer in ſeiner Sprache unterſucht, als jemals ein andrer in der ſeinigen. Allein unſrer Sprache wuͤrde ſelbſt ein Johnſon zwar wol das Waſſer, aber keinen Wein reichen. Sie hat dazu einen zu groſſen Umfang. Alſo muß ein deutſches Woͤrterbuch wenigſtens von einigen geſchrieben werden. Aber dieſe muͤſſen ja in keine Geſelſchaft zuſammengekneter ſeyn. Krieg muß ſeyn, Aller gegen Alle! Ueber ein einziges Wort, beſonders wenn es viele, und bedeutende Ab- koͤmlinge hat, muͤſſen ſich oft zehn, und mehr wi- derſprechen. Aber da wird man ja nur immer ungewiſſer. Diejenigen, die Woͤrterbuͤcher ſchrei- ben, ſollen ja die Sprache feſtſezen. Feſtſezen? Als wenn die unſrige nicht ſchon beynah durchge- hends feſtgeſezt waͤre? und es eine lebende Sprache jemals ganz wuͤrde? Und dann ſolten es vier, fuͤnf, zehn, zwoͤlf Maͤnner thun koͤnnen? Seit wenn ha- ben denn die Nationen aufgehoͤrt ihre Sprachen feſt- zuſezen? Nach den Scribenten, kann das kleine Haͤufchen Unterſucher zu Feſtſezungen veranlaſſen. Das iſt es alles; aber auch das ſchon iſt Verdienſt um die Nation. Welche ſollen denn die Unterſu- cher ſeyn? Wer will, und kann; denn das lezte ge- hoͤrt doch gleichwol auch mit zur Sache. Und wer hernach der Samler des Zerſtreuten? Auch wer will und kann. Wenn der’s aber nun ſchlecht macht? wegwirft, was er behalten ſolte, und be-
haͤlt,
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ben. Der einzelne Mann hat’s beſſer, als die Ge-
ſelſchaften gemacht. Gleichwol wuͤrden es Mehre
doch noch beſſer, als ſelbſt ein ſolcher einzelner Mann
machen koͤnnen. Jn der Crusca, und unter den Acade-
miſten theilte man ſich oͤfter Vorurtheile, als richtige
Unterſuchungen mit; und ſo ging es denn, wie es ge-
gangen iſt. Johnſon hat mehr, und tiefer in ſeiner
Sprache unterſucht, als jemals ein andrer in der
ſeinigen. Allein unſrer Sprache wuͤrde ſelbſt ein
Johnſon zwar wol das Waſſer, aber keinen Wein
reichen. Sie hat dazu einen zu groſſen Umfang.
Alſo muß ein deutſches Woͤrterbuch wenigſtens von
einigen geſchrieben werden. Aber dieſe muͤſſen ja
in keine Geſelſchaft zuſammengekneter ſeyn. Krieg
muß ſeyn, Aller gegen Alle! Ueber ein einziges
Wort, beſonders wenn es viele, und bedeutende Ab-
koͤmlinge hat, muͤſſen ſich oft zehn, und mehr wi-
derſprechen. Aber da wird man ja nur immer
ungewiſſer. Diejenigen, die Woͤrterbuͤcher ſchrei-
ben, ſollen ja die Sprache feſtſezen. Feſtſezen?
Als wenn die unſrige nicht ſchon beynah durchge-
hends feſtgeſezt waͤre? und es eine lebende Sprache
jemals ganz wuͤrde? Und dann ſolten es vier, fuͤnf,
zehn, zwoͤlf Maͤnner thun koͤnnen? Seit wenn ha-
ben denn die Nationen aufgehoͤrt ihre Sprachen feſt-
zuſezen? Nach den Scribenten, kann das kleine
Haͤufchen Unterſucher zu Feſtſezungen veranlaſſen.
Das iſt es alles; aber auch das ſchon iſt Verdienſt
um die Nation. Welche ſollen denn die Unterſu-
cher ſeyn? Wer will, und kann; denn das lezte ge-
hoͤrt doch gleichwol auch mit zur Sache. Und wer
hernach der Samler des Zerſtreuten? Auch wer
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/380>, abgerufen am 22.11.2024.
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