werden, und wie wenig auf die Bestandtheile des Ausdrückenden ankomme, zeigt unter andern gern und Vertheidigern. Jch gestehe zu, daß diese, und noch ein Paar ahnliche Verändrungssylben (lächeln eiligst) keine leichte Kürze haben; aber was gewint das Tonmaaß unsrer Sprache nicht, durch seine Verbindung mit den Begriffen, in Vergleichung mit dem, was es durch eine notwendige Folge dieser Verbindung verliert.
Reg. 9. Die endenden Selbstlaute sind kurz. Freude jezo Peru China u. s. w.
Diese neun Regeln sezen unser Tonmaaß fest, in so fern es die Bestimmung der zweyzeitigen Wörter und Sylben noch nicht in sich begreift. Jch kenne keine Sprache, die hier mit einer so geringen An- zahl Regeln, welche überdieß noch so wenige und so eingeschränkte Ausnamen haben, zureiche. Man weis, wie groß die Zahl der Regeln in den Proso- dieen der beyden alten Sprachen ist, und wie diese Regeln von Ausnamen wimmeln. Die Alten haben keine andre Bestimmung der Zweyzeitigkeit, als den Vers. (Mit welcher Ungewisheit musten daher die Vorleser Prosa und Dithytamben oft ausspre- chen.) Wenn wir uns, wie sie, mit dieser Bestim- mung allem begnügen wolten; so wäre unsre Pro- sodie vielleicht die kürzeste, deren eine Sprache fähig ist. Wir dürften alsdann nur die zehnte Regel hin- zusezen, und sagen: Bey der Aussprache der zwey- zeitigen Wörter und Sylben richtet man sich nach der Versart, worinn sie vorkommen. Aber wir un- terscheiden uns eben dadurch, zu unserm Vortheile, von den Alten, daß wir die Zweyzeitigkeit fast durch- gehends durch den Nachdruk, die Leidenschaft, und die Tonstellung bestimmen. Die Tonstellung ist sehr
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werden, und wie wenig auf die Beſtandtheile des Ausdruͤckenden ankomme, zeigt unter andern gern und Vertheidigern. Jch geſtehe zu, daß dieſe, und noch ein Paar ahnliche Veraͤndrungsſylben (laͤcheln eiligſt) keine leichte Kuͤrze haben; aber was gewint das Tonmaaß unſrer Sprache nicht, durch ſeine Verbindung mit den Begriffen, in Vergleichung mit dem, was es durch eine notwendige Folge dieſer Verbindung verliert.
Reg. 9. Die endenden Selbſtlaute ſind kurz. Freude jezo Peru China u. ſ. w.
Dieſe neun Regeln ſezen unſer Tonmaaß feſt, in ſo fern es die Beſtimmung der zweyzeitigen Woͤrter und Sylben noch nicht in ſich begreift. Jch kenne keine Sprache, die hier mit einer ſo geringen An- zahl Regeln, welche uͤberdieß noch ſo wenige und ſo eingeſchraͤnkte Ausnamen haben, zureiche. Man weis, wie groß die Zahl der Regeln in den Proſo- dieen der beyden alten Sprachen iſt, und wie dieſe Regeln von Ausnamen wimmeln. Die Alten haben keine andre Beſtimmung der Zweyzeitigkeit, als den Vers. (Mit welcher Ungewisheit muſten daher die Vorleſer Proſa und Dithytamben oft ausſpre- chen.) Wenn wir uns, wie ſie, mit dieſer Beſtim- mung allem begnuͤgen wolten; ſo waͤre unſre Pro- ſodie vielleicht die kuͤrzeſte, deren eine Sprache faͤhig iſt. Wir duͤrften alsdann nur die zehnte Regel hin- zuſezen, und ſagen: Bey der Ausſprache der zwey- zeitigen Woͤrter und Sylben richtet man ſich nach der Versart, worinn ſie vorkommen. Aber wir un- terſcheiden uns eben dadurch, zu unſerm Vortheile, von den Alten, daß wir die Zweyzeitigkeit faſt durch- gehends durch den Nachdruk, die Leidenſchaft, und die Tonſtellung beſtimmen. Die Tonſtellung iſt ſehr
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werden, und wie wenig auf die Beſtandtheile des
Ausdruͤckenden ankomme, zeigt unter andern gern
und Vertheidigern. Jch geſtehe zu, daß dieſe, und
noch ein Paar ahnliche Veraͤndrungsſylben (laͤcheln
eiligſt) keine leichte Kuͤrze haben; aber was gewint
das Tonmaaß unſrer Sprache nicht, durch ſeine
Verbindung mit den Begriffen, in Vergleichung mit
dem, was es durch eine notwendige Folge dieſer
Verbindung verliert.
Reg. 9. Die endenden Selbſtlaute ſind kurz.
Freude jezo Peru China u. ſ. w.
Dieſe neun Regeln ſezen unſer Tonmaaß feſt, in
ſo fern es die Beſtimmung der zweyzeitigen Woͤrter
und Sylben noch nicht in ſich begreift. Jch kenne
keine Sprache, die hier mit einer ſo geringen An-
zahl Regeln, welche uͤberdieß noch ſo wenige und ſo
eingeſchraͤnkte Ausnamen haben, zureiche. Man
weis, wie groß die Zahl der Regeln in den Proſo-
dieen der beyden alten Sprachen iſt, und wie dieſe
Regeln von Ausnamen wimmeln. Die Alten haben
keine andre Beſtimmung der Zweyzeitigkeit, als
den Vers. (Mit welcher Ungewisheit muſten daher
die Vorleſer Proſa und Dithytamben oft ausſpre-
chen.) Wenn wir uns, wie ſie, mit dieſer Beſtim-
mung allem begnuͤgen wolten; ſo waͤre unſre Pro-
ſodie vielleicht die kuͤrzeſte, deren eine Sprache faͤhig
iſt. Wir duͤrften alsdann nur die zehnte Regel hin-
zuſezen, und ſagen: Bey der Ausſprache der zwey-
zeitigen Woͤrter und Sylben richtet man ſich nach
der Versart, worinn ſie vorkommen. Aber wir un-
terſcheiden uns eben dadurch, zu unſerm Vortheile,
von den Alten, daß wir die Zweyzeitigkeit faſt durch-
gehends durch den Nachdruk, die Leidenſchaft, und
die Tonſtellung beſtimmen. Die Tonſtellung iſt ſehr
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/431>, abgerufen am 22.11.2024.
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