Die Geselschaft in der Laube wurde so groß, daß die, welche sich dorthin bestelt hatten, nach und nach die Unterredung abbrachen. Ein Alder- mann machte dem unangenehmen Stillschweigen, das zulezt entstanden war, auf folgende Art ein Ende. Jhr wist, sagte er, was sich die vorige Nacht mit Rohrdommeln, und einigen Jünglingen zuge- tragen hat. Jch fürchte, daß die Sache morgen bey versammelter Landgemeine angeregt, und durch sie die Geschäfte des Landtages könten verzögert wer- den. Wenn ihr es genehmigt, so laß ich Rohrdom- meln jezt kommen, verhör ihn, und spreche das Ur- theil. Es komt freylich darauf an, ob er sich mei- nem Urtheile unterwerfen wolle. Denn verlangt er, daß die Sache vor der versammelten Landge- meine untersucht werde; so muß ich's mir gefallen lassen, und kann nichts gegen ihn machen. Doch so sonderbar er auch immer seyn mag; so ist er doch im Grunde ein gescheiter Mann, und ich hoffe, daß ihm an meiner Entscheidung gnügen werde. Wir können es wenigstens versuchen.
Rohrdommel, und die Jünglinge erschienen, und erklärten, daß sie sich dem Urtheile des Aldermanns unterwerfen wolten. Dieser sezte sich herum, und das Verhör nahm seinen Anfang.
Der Aldermann. Dein Namen? Rohrdom- mel. Laurenz Rohrdommel. A. Gebürtig? R. Aus dem Freyreichsdorfe Urlau belegen auf der leut- kircher Heide in Schwaben. A. Dein Alter? R. Hundert und drey Jahre. A. Deine Wissenschaft? R. Die Zauberey. A. So? Was machst du hier? R. Jch bin seit meinem achtzehnten Jahre auf
allen
B b
Rohrdommels Verhoͤr.
Die Geſelſchaft in der Laube wurde ſo groß, daß die, welche ſich dorthin beſtelt hatten, nach und nach die Unterredung abbrachen. Ein Alder- mann machte dem unangenehmen Stillſchweigen, das zulezt entſtanden war, auf folgende Art ein Ende. Jhr wiſt, ſagte er, was ſich die vorige Nacht mit Rohrdommeln, und einigen Juͤnglingen zuge- tragen hat. Jch fuͤrchte, daß die Sache morgen bey verſammelter Landgemeine angeregt, und durch ſie die Geſchaͤfte des Landtages koͤnten verzoͤgert wer- den. Wenn ihr es genehmigt, ſo laß ich Rohrdom- meln jezt kommen, verhoͤr ihn, und ſpreche das Ur- theil. Es komt freylich darauf an, ob er ſich mei- nem Urtheile unterwerfen wolle. Denn verlangt er, daß die Sache vor der verſammelten Landge- meine unterſucht werde; ſo muß ich’s mir gefallen laſſen, und kann nichts gegen ihn machen. Doch ſo ſonderbar er auch immer ſeyn mag; ſo iſt er doch im Grunde ein geſcheiter Mann, und ich hoffe, daß ihm an meiner Entſcheidung gnuͤgen werde. Wir koͤnnen es wenigſtens verſuchen.
Rohrdommel, und die Juͤnglinge erſchienen, und erklaͤrten, daß ſie ſich dem Urtheile des Aldermanns unterwerfen wolten. Dieſer ſezte ſich herum, und das Verhoͤr nahm ſeinen Anfang.
Der Aldermann. Dein Namen? Rohrdom- mel. Laurenz Rohrdommel. A. Gebuͤrtig? R. Aus dem Freyreichsdorfe Urlau belegen auf der leut- kircher Heide in Schwaben. A. Dein Alter? R. Hundert und drey Jahre. A. Deine Wiſſenſchaft? R. Die Zauberey. A. So? Was machſt du hier? R. Jch bin ſeit meinem achtzehnten Jahre auf
allen
B b
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0461"n="385"/><divn="3"><head>Rohrdommels Verhoͤr.</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Geſelſchaft in der Laube wurde ſo groß, daß<lb/>
die, welche ſich dorthin beſtelt hatten, nach<lb/>
und nach die Unterredung abbrachen. Ein Alder-<lb/>
mann machte dem unangenehmen Stillſchweigen,<lb/>
das zulezt entſtanden war, auf folgende Art ein<lb/>
Ende. Jhr wiſt, ſagte er, was ſich die vorige Nacht<lb/>
mit Rohrdommeln, und einigen Juͤnglingen zuge-<lb/>
tragen hat. Jch fuͤrchte, daß die Sache morgen<lb/>
bey verſammelter Landgemeine angeregt, und durch<lb/>ſie die Geſchaͤfte des Landtages koͤnten verzoͤgert wer-<lb/>
den. Wenn ihr es genehmigt, ſo laß ich Rohrdom-<lb/>
meln jezt kommen, verhoͤr ihn, und ſpreche das Ur-<lb/>
theil. Es komt freylich darauf an, ob er ſich mei-<lb/>
nem Urtheile unterwerfen wolle. Denn verlangt<lb/>
er, daß die Sache vor der verſammelten Landge-<lb/>
meine unterſucht werde; ſo muß ich’s mir gefallen<lb/>
laſſen, und kann nichts gegen ihn machen. Doch<lb/>ſo ſonderbar er auch immer ſeyn mag; ſo iſt er doch<lb/>
im Grunde ein geſcheiter Mann, und ich hoffe,<lb/>
daß ihm an meiner Entſcheidung gnuͤgen werde.<lb/>
Wir koͤnnen es wenigſtens verſuchen.</p><lb/><p>Rohrdommel, und die Juͤnglinge erſchienen, und<lb/>
erklaͤrten, daß ſie ſich dem Urtheile des Aldermanns<lb/>
unterwerfen wolten. Dieſer ſezte ſich herum, und<lb/>
das Verhoͤr nahm ſeinen Anfang.</p><lb/><p>Der Aldermann. Dein Namen? Rohrdom-<lb/>
mel. Laurenz Rohrdommel. A. Gebuͤrtig? R.<lb/>
Aus dem Freyreichsdorfe Urlau belegen auf der leut-<lb/>
kircher Heide in Schwaben. A. Dein Alter? R.<lb/>
Hundert und drey Jahre. A. Deine Wiſſenſchaft?<lb/>
R. Die Zauberey. A. So? Was machſt du hier?<lb/>
R. Jch bin ſeit meinem achtzehnten Jahre auf<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b</fw><fwplace="bottom"type="catch">allen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[385/0461]
Rohrdommels Verhoͤr.
Die Geſelſchaft in der Laube wurde ſo groß, daß
die, welche ſich dorthin beſtelt hatten, nach
und nach die Unterredung abbrachen. Ein Alder-
mann machte dem unangenehmen Stillſchweigen,
das zulezt entſtanden war, auf folgende Art ein
Ende. Jhr wiſt, ſagte er, was ſich die vorige Nacht
mit Rohrdommeln, und einigen Juͤnglingen zuge-
tragen hat. Jch fuͤrchte, daß die Sache morgen
bey verſammelter Landgemeine angeregt, und durch
ſie die Geſchaͤfte des Landtages koͤnten verzoͤgert wer-
den. Wenn ihr es genehmigt, ſo laß ich Rohrdom-
meln jezt kommen, verhoͤr ihn, und ſpreche das Ur-
theil. Es komt freylich darauf an, ob er ſich mei-
nem Urtheile unterwerfen wolle. Denn verlangt
er, daß die Sache vor der verſammelten Landge-
meine unterſucht werde; ſo muß ich’s mir gefallen
laſſen, und kann nichts gegen ihn machen. Doch
ſo ſonderbar er auch immer ſeyn mag; ſo iſt er doch
im Grunde ein geſcheiter Mann, und ich hoffe,
daß ihm an meiner Entſcheidung gnuͤgen werde.
Wir koͤnnen es wenigſtens verſuchen.
Rohrdommel, und die Juͤnglinge erſchienen, und
erklaͤrten, daß ſie ſich dem Urtheile des Aldermanns
unterwerfen wolten. Dieſer ſezte ſich herum, und
das Verhoͤr nahm ſeinen Anfang.
Der Aldermann. Dein Namen? Rohrdom-
mel. Laurenz Rohrdommel. A. Gebuͤrtig? R.
Aus dem Freyreichsdorfe Urlau belegen auf der leut-
kircher Heide in Schwaben. A. Dein Alter? R.
Hundert und drey Jahre. A. Deine Wiſſenſchaft?
R. Die Zauberey. A. So? Was machſt du hier?
R. Jch bin ſeit meinem achtzehnten Jahre auf
allen
B b
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/461>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.