Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
Rohrdommels Verhör.

Die Geselschaft in der Laube wurde so groß, daß
die, welche sich dorthin bestelt hatten, nach
und nach die Unterredung abbrachen. Ein Alder-
mann machte dem unangenehmen Stillschweigen,
das zulezt entstanden war, auf folgende Art ein
Ende. Jhr wist, sagte er, was sich die vorige Nacht
mit Rohrdommeln, und einigen Jünglingen zuge-
tragen hat. Jch fürchte, daß die Sache morgen
bey versammelter Landgemeine angeregt, und durch
sie die Geschäfte des Landtages könten verzögert wer-
den. Wenn ihr es genehmigt, so laß ich Rohrdom-
meln jezt kommen, verhör ihn, und spreche das Ur-
theil. Es komt freylich darauf an, ob er sich mei-
nem Urtheile unterwerfen wolle. Denn verlangt
er, daß die Sache vor der versammelten Landge-
meine untersucht werde; so muß ich's mir gefallen
lassen, und kann nichts gegen ihn machen. Doch
so sonderbar er auch immer seyn mag; so ist er doch
im Grunde ein gescheiter Mann, und ich hoffe,
daß ihm an meiner Entscheidung gnügen werde.
Wir können es wenigstens versuchen.

Rohrdommel, und die Jünglinge erschienen, und
erklärten, daß sie sich dem Urtheile des Aldermanns
unterwerfen wolten. Dieser sezte sich herum, und
das Verhör nahm seinen Anfang.

Der Aldermann. Dein Namen? Rohrdom-
mel. Laurenz Rohrdommel. A. Gebürtig? R.
Aus dem Freyreichsdorfe Urlau belegen auf der leut-
kircher Heide in Schwaben. A. Dein Alter? R.
Hundert und drey Jahre. A. Deine Wissenschaft?
R. Die Zauberey. A. So? Was machst du hier?
R. Jch bin seit meinem achtzehnten Jahre auf

allen
B b
Rohrdommels Verhoͤr.

Die Geſelſchaft in der Laube wurde ſo groß, daß
die, welche ſich dorthin beſtelt hatten, nach
und nach die Unterredung abbrachen. Ein Alder-
mann machte dem unangenehmen Stillſchweigen,
das zulezt entſtanden war, auf folgende Art ein
Ende. Jhr wiſt, ſagte er, was ſich die vorige Nacht
mit Rohrdommeln, und einigen Juͤnglingen zuge-
tragen hat. Jch fuͤrchte, daß die Sache morgen
bey verſammelter Landgemeine angeregt, und durch
ſie die Geſchaͤfte des Landtages koͤnten verzoͤgert wer-
den. Wenn ihr es genehmigt, ſo laß ich Rohrdom-
meln jezt kommen, verhoͤr ihn, und ſpreche das Ur-
theil. Es komt freylich darauf an, ob er ſich mei-
nem Urtheile unterwerfen wolle. Denn verlangt
er, daß die Sache vor der verſammelten Landge-
meine unterſucht werde; ſo muß ich’s mir gefallen
laſſen, und kann nichts gegen ihn machen. Doch
ſo ſonderbar er auch immer ſeyn mag; ſo iſt er doch
im Grunde ein geſcheiter Mann, und ich hoffe,
daß ihm an meiner Entſcheidung gnuͤgen werde.
Wir koͤnnen es wenigſtens verſuchen.

Rohrdommel, und die Juͤnglinge erſchienen, und
erklaͤrten, daß ſie ſich dem Urtheile des Aldermanns
unterwerfen wolten. Dieſer ſezte ſich herum, und
das Verhoͤr nahm ſeinen Anfang.

Der Aldermann. Dein Namen? Rohrdom-
mel. Laurenz Rohrdommel. A. Gebuͤrtig? R.
Aus dem Freyreichsdorfe Urlau belegen auf der leut-
kircher Heide in Schwaben. A. Dein Alter? R.
Hundert und drey Jahre. A. Deine Wiſſenſchaft?
R. Die Zauberey. A. So? Was machſt du hier?
R. Jch bin ſeit meinem achtzehnten Jahre auf

allen
B b
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0461" n="385"/>
          <div n="3">
            <head>Rohrdommels Verho&#x0364;r.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Ge&#x017F;el&#x017F;chaft in der Laube wurde &#x017F;o groß, daß<lb/>
die, welche &#x017F;ich dorthin be&#x017F;telt hatten, nach<lb/>
und nach die Unterredung abbrachen. Ein Alder-<lb/>
mann machte dem unangenehmen Still&#x017F;chweigen,<lb/>
das zulezt ent&#x017F;tanden war, auf folgende Art ein<lb/>
Ende. Jhr wi&#x017F;t, &#x017F;agte er, was &#x017F;ich die vorige Nacht<lb/>
mit Rohrdommeln, und einigen Ju&#x0364;nglingen zuge-<lb/>
tragen hat. Jch fu&#x0364;rchte, daß die Sache morgen<lb/>
bey ver&#x017F;ammelter Landgemeine angeregt, und durch<lb/>
&#x017F;ie die Ge&#x017F;cha&#x0364;fte des Landtages ko&#x0364;nten verzo&#x0364;gert wer-<lb/>
den. Wenn ihr es genehmigt, &#x017F;o laß ich Rohrdom-<lb/>
meln jezt kommen, verho&#x0364;r ihn, und &#x017F;preche das Ur-<lb/>
theil. Es komt freylich darauf an, ob er &#x017F;ich mei-<lb/>
nem Urtheile unterwerfen wolle. Denn verlangt<lb/>
er, daß die Sache vor der ver&#x017F;ammelten Landge-<lb/>
meine unter&#x017F;ucht werde; &#x017F;o muß ich&#x2019;s mir gefallen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, und kann nichts gegen ihn machen. Doch<lb/>
&#x017F;o &#x017F;onderbar er auch immer &#x017F;eyn mag; &#x017F;o i&#x017F;t er doch<lb/>
im Grunde ein ge&#x017F;cheiter Mann, und ich hoffe,<lb/>
daß ihm an meiner Ent&#x017F;cheidung gnu&#x0364;gen werde.<lb/>
Wir ko&#x0364;nnen es wenig&#x017F;tens ver&#x017F;uchen.</p><lb/>
            <p>Rohrdommel, und die Ju&#x0364;nglinge er&#x017F;chienen, und<lb/>
erkla&#x0364;rten, daß &#x017F;ie &#x017F;ich dem Urtheile des Aldermanns<lb/>
unterwerfen wolten. Die&#x017F;er &#x017F;ezte &#x017F;ich herum, und<lb/>
das Verho&#x0364;r nahm &#x017F;einen Anfang.</p><lb/>
            <p>Der Aldermann. Dein Namen? Rohrdom-<lb/>
mel. Laurenz Rohrdommel. A. Gebu&#x0364;rtig? R.<lb/>
Aus dem Freyreichsdorfe Urlau belegen auf der leut-<lb/>
kircher Heide in Schwaben. A. Dein Alter? R.<lb/>
Hundert und drey Jahre. A. Deine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft?<lb/>
R. Die Zauberey. A. So? Was mach&#x017F;t du hier?<lb/>
R. Jch bin &#x017F;eit meinem achtzehnten Jahre auf<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b</fw><fw place="bottom" type="catch">allen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0461] Rohrdommels Verhoͤr. Die Geſelſchaft in der Laube wurde ſo groß, daß die, welche ſich dorthin beſtelt hatten, nach und nach die Unterredung abbrachen. Ein Alder- mann machte dem unangenehmen Stillſchweigen, das zulezt entſtanden war, auf folgende Art ein Ende. Jhr wiſt, ſagte er, was ſich die vorige Nacht mit Rohrdommeln, und einigen Juͤnglingen zuge- tragen hat. Jch fuͤrchte, daß die Sache morgen bey verſammelter Landgemeine angeregt, und durch ſie die Geſchaͤfte des Landtages koͤnten verzoͤgert wer- den. Wenn ihr es genehmigt, ſo laß ich Rohrdom- meln jezt kommen, verhoͤr ihn, und ſpreche das Ur- theil. Es komt freylich darauf an, ob er ſich mei- nem Urtheile unterwerfen wolle. Denn verlangt er, daß die Sache vor der verſammelten Landge- meine unterſucht werde; ſo muß ich’s mir gefallen laſſen, und kann nichts gegen ihn machen. Doch ſo ſonderbar er auch immer ſeyn mag; ſo iſt er doch im Grunde ein geſcheiter Mann, und ich hoffe, daß ihm an meiner Entſcheidung gnuͤgen werde. Wir koͤnnen es wenigſtens verſuchen. Rohrdommel, und die Juͤnglinge erſchienen, und erklaͤrten, daß ſie ſich dem Urtheile des Aldermanns unterwerfen wolten. Dieſer ſezte ſich herum, und das Verhoͤr nahm ſeinen Anfang. Der Aldermann. Dein Namen? Rohrdom- mel. Laurenz Rohrdommel. A. Gebuͤrtig? R. Aus dem Freyreichsdorfe Urlau belegen auf der leut- kircher Heide in Schwaben. A. Dein Alter? R. Hundert und drey Jahre. A. Deine Wiſſenſchaft? R. Die Zauberey. A. So? Was machſt du hier? R. Jch bin ſeit meinem achtzehnten Jahre auf allen B b

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/461
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/461>, abgerufen am 22.11.2024.