[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Der
Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="39"> <l> <pb facs="#f0112" n="100"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Taͤuſcht mich mein Traum; ſchickt Gott Geſichte, die Menſchen zu quaͤlen:</l><lb/> <l>So ſey die Stunde verflucht, in der ich unmuthsvoll einſchlief,</l><lb/> <l>Jn der uͤber mein Haupt des Vaters Schatten herabkam!</l><lb/> <l>Jn ihr muͤſſe man auf den Gebirgen ein ſterbendes Winſeln</l><lb/> <l>Hoͤren! Ein ſterbendes Winſeln in tiefen verfallenen Graͤbern</l><lb/> <l>Muͤſſe man hoͤren; verflucht ſey der Ort, wo ich lag und einſchlief:</l><lb/> <l>Allda muͤß ein entſetzlicher Sohn den Vater erwuͤrgen!</l><lb/> <l>Allda fließe das Blut von meinem geliebteſten Freunde,</l><lb/> <l>Wenn er verzweifelnd mit eignen Haͤnden daſelbſt ſich erwuͤrgt hat!</l><lb/> <l>Juda, wohin verirreſt du dich? Ja wohin! Was zuͤrnſt du</l><lb/> <l>Ueber dich ſelbſt? Du verirreſt dich nicht, wenn du alſo getaͤuſcht wirſt!</l><lb/> <l>Lehrt mich ein goͤttlich Geſicht den hohen Meßias verrathen,</l><lb/> <l>Und ich ſuͤndige dran: ſo ſeyſt du, unter den Tagen</l><lb/> <l>Schrecklichſter Tag, auch verflucht! da mich der Meßias erwaͤhlte,</l><lb/> <l>Da er voll Liebe mit holden einnehmenden Blicken mir ſagte:</l><lb/> <l>Folge mir nach! Du muͤſſeſt umwoͤlkt und dunkel und Nacht ſeyn!</l><lb/> <l>An dir muͤſſe die Peſt in Finſterniſſen herumgehn!</l><lb/> <l>An dir muͤſſen verderbende Seuchen im Mittage toͤdten!</l><lb/> <l>Dich, Tag, nenne kein Menſch! Gott vergeſſe dich unter den Tagen!</l><lb/> <l>Ach! wie wird mir ſo angſt! mir zittern alle Gebeine!</l><lb/> <l>Juda, wo biſt du? erwache! ſey ſtark! Was quaͤlſt du dich, Aermſter?</l><lb/> <l>Gottes Geſichte betriegen dich nicht! Der Tag ſey geſegnet!</l><lb/> <l>Wenn der Meßias durch dich ſein neues Koͤnigreich anfaͤngt.</l><lb/> <l>Alſo ſagt er. Jndem war er, ſeit dem unſelgen Geſichte,</l><lb/> <l>Zwo erſchreckliche Stunden der Ewigkeit naͤher gekommen.</l> </lg> </lg> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/> </body> </text> </TEI> [100/0112]
Der Meßias.
Taͤuſcht mich mein Traum; ſchickt Gott Geſichte, die Menſchen zu quaͤlen:
So ſey die Stunde verflucht, in der ich unmuthsvoll einſchlief,
Jn der uͤber mein Haupt des Vaters Schatten herabkam!
Jn ihr muͤſſe man auf den Gebirgen ein ſterbendes Winſeln
Hoͤren! Ein ſterbendes Winſeln in tiefen verfallenen Graͤbern
Muͤſſe man hoͤren; verflucht ſey der Ort, wo ich lag und einſchlief:
Allda muͤß ein entſetzlicher Sohn den Vater erwuͤrgen!
Allda fließe das Blut von meinem geliebteſten Freunde,
Wenn er verzweifelnd mit eignen Haͤnden daſelbſt ſich erwuͤrgt hat!
Juda, wohin verirreſt du dich? Ja wohin! Was zuͤrnſt du
Ueber dich ſelbſt? Du verirreſt dich nicht, wenn du alſo getaͤuſcht wirſt!
Lehrt mich ein goͤttlich Geſicht den hohen Meßias verrathen,
Und ich ſuͤndige dran: ſo ſeyſt du, unter den Tagen
Schrecklichſter Tag, auch verflucht! da mich der Meßias erwaͤhlte,
Da er voll Liebe mit holden einnehmenden Blicken mir ſagte:
Folge mir nach! Du muͤſſeſt umwoͤlkt und dunkel und Nacht ſeyn!
An dir muͤſſe die Peſt in Finſterniſſen herumgehn!
An dir muͤſſen verderbende Seuchen im Mittage toͤdten!
Dich, Tag, nenne kein Menſch! Gott vergeſſe dich unter den Tagen!
Ach! wie wird mir ſo angſt! mir zittern alle Gebeine!
Juda, wo biſt du? erwache! ſey ſtark! Was quaͤlſt du dich, Aermſter?
Gottes Geſichte betriegen dich nicht! Der Tag ſey geſegnet!
Wenn der Meßias durch dich ſein neues Koͤnigreich anfaͤngt.
Alſo ſagt er. Jndem war er, ſeit dem unſelgen Geſichte,
Zwo erſchreckliche Stunden der Ewigkeit naͤher gekommen.
Der
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