Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Meßias.

Gegen das Allerheiligste Gottes; schon hatt ich den Vorhang
Aufgethan, da sah ich (noch zittern mir alle Gebeine!
Noch fällt Gottes Schreckniß auf mich, wie tödtend, herunter!)
Aaron sah ich, im heiligen Schmuck, mit drohender Stirne,
Auf mich zugehn, sein Auge voll Feuer, von göttlichem Grimm voll
Tödtete! Sein Brustbild voll ernster gewaltiger Stralen,
Blitzte, gleich Horeb, auf mich! Der Cherubim Fittige rauschten
Fürchterlich auf der Lade des Bundes! Auf einmal entfiel mir
Rauschend mein Hohespriestergewand, wie Asche, zur Erde.
Fleuch! rief Aaron mit schrecklichem Ton, du des Priesterthums Schande,
Fleuch! Elender, dir sag ich, daß du die heilige Stätte
Künftig nicht mehr, als Priester des Herrn, verwegen entheiligst.
Bist du es nicht? (Hier sah er mich grimmig mit tödtendem Blick an,
Wie man auf einen Todfeind herabblickt, und lieber ihn würgte!)
Bist du es nicht? Unwürdiger! Der du jenen Verruchten,
Jenen entsetzlichen Mann, ungestraft das Heiligthum lästern,
Meinen Bruder, Moses, und mich, und Abraham schmähen,
Und die Sabbathe Gottes mit strafbarer Trägheit entweihn siehst!
Geh, Elender! Damit dich nicht schnell, wenn du ferner verweilest,
Dieser Gnadenstul Gottes mit heiligem Feuer verzehre.
Also sagt er. Jch floh und kam mit zerfliegenden Haaren,
Und mit Asch auf dem Haupte, gewandlos, ohn Urim und Thummim,
Unter das Volk. Da stürmte das Volk, und wollte mich tödten.
Drauf erwacht ich. Drey Stunden voll Quaal, drey ängstliche Stunden,
Hab ich seit dem, wie sinnlos, im Todesschweiße gelegen.
Und noch beb ich, noch zittert mein Herz von geheimen Schauer
Und, der Stimme beraubt, erstarrt mir die Zung im Munde!

Er

Der Meßias.

Gegen das Allerheiligſte Gottes; ſchon hatt ich den Vorhang
Aufgethan, da ſah ich (noch zittern mir alle Gebeine!
Noch faͤllt Gottes Schreckniß auf mich, wie toͤdtend, herunter!)
Aaron ſah ich, im heiligen Schmuck, mit drohender Stirne,
Auf mich zugehn, ſein Auge voll Feuer, von goͤttlichem Grimm voll
Toͤdtete! Sein Bruſtbild voll ernſter gewaltiger Stralen,
Blitzte, gleich Horeb, auf mich! Der Cherubim Fittige rauſchten
Fuͤrchterlich auf der Lade des Bundes! Auf einmal entfiel mir
Rauſchend mein Hohesprieſtergewand, wie Aſche, zur Erde.
Fleuch! rief Aaron mit ſchrecklichem Ton, du des Prieſterthums Schande,
Fleuch! Elender, dir ſag ich, daß du die heilige Staͤtte
Kuͤnftig nicht mehr, als Prieſter des Herrn, verwegen entheiligſt.
Biſt du es nicht? (Hier ſah er mich grimmig mit toͤdtendem Blick an,
Wie man auf einen Todfeind herabblickt, und lieber ihn wuͤrgte!)
Biſt du es nicht? Unwuͤrdiger! Der du jenen Verruchten,
Jenen entſetzlichen Mann, ungeſtraft das Heiligthum laͤſtern,
Meinen Bruder, Moſes, und mich, und Abraham ſchmaͤhen,
Und die Sabbathe Gottes mit ſtrafbarer Traͤgheit entweihn ſiehſt!
Geh, Elender! Damit dich nicht ſchnell, wenn du ferner verweileſt,
Dieſer Gnadenſtul Gottes mit heiligem Feuer verzehre.
Alſo ſagt er. Jch floh und kam mit zerfliegenden Haaren,
Und mit Aſch auf dem Haupte, gewandlos, ohn Urim und Thum̃im,
Unter das Volk. Da ſtuͤrmte das Volk, und wollte mich toͤdten.
Drauf erwacht ich. Drey Stunden voll Quaal, drey aͤngſtliche Stunden,
Hab ich ſeit dem, wie ſinnlos, im Todesſchweiße gelegen.
Und noch beb ich, noch zittert mein Herz von geheimen Schauer
Und, der Stimme beraubt, erſtarrt mir die Zung im Munde!

Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>
                <pb facs="#f0118" n="106"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Gegen das Allerheilig&#x017F;te Gottes; &#x017F;chon hatt ich den Vorhang</l><lb/>
              <l>Aufgethan, da &#x017F;ah ich (noch zittern mir alle Gebeine!</l><lb/>
              <l>Noch fa&#x0364;llt Gottes Schreckniß auf mich, wie to&#x0364;dtend, herunter!)</l><lb/>
              <l>Aaron &#x017F;ah ich, im heiligen Schmuck, mit drohender Stirne,</l><lb/>
              <l>Auf mich zugehn, &#x017F;ein Auge voll Feuer, von go&#x0364;ttlichem Grimm voll</l><lb/>
              <l>To&#x0364;dtete! Sein Bru&#x017F;tbild voll ern&#x017F;ter gewaltiger Stralen,</l><lb/>
              <l>Blitzte, gleich Horeb, auf mich! Der Cherubim Fittige rau&#x017F;chten</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;rchterlich auf der Lade des Bundes! Auf einmal entfiel mir</l><lb/>
              <l>Rau&#x017F;chend mein Hohesprie&#x017F;tergewand, wie A&#x017F;che, zur Erde.</l><lb/>
              <l>Fleuch! rief Aaron mit &#x017F;chrecklichem Ton, du des Prie&#x017F;terthums Schande,</l><lb/>
              <l>Fleuch! Elender, dir &#x017F;ag ich, daß du die heilige Sta&#x0364;tte</l><lb/>
              <l>Ku&#x0364;nftig nicht mehr, als Prie&#x017F;ter des Herrn, verwegen entheilig&#x017F;t.</l><lb/>
              <l>Bi&#x017F;t du es nicht? (Hier &#x017F;ah er mich grimmig mit to&#x0364;dtendem Blick an,</l><lb/>
              <l>Wie man auf einen Todfeind herabblickt, und lieber ihn wu&#x0364;rgte!)</l><lb/>
              <l>Bi&#x017F;t du es nicht? Unwu&#x0364;rdiger! Der du jenen Verruchten,</l><lb/>
              <l>Jenen ent&#x017F;etzlichen Mann, unge&#x017F;traft das Heiligthum la&#x0364;&#x017F;tern,</l><lb/>
              <l>Meinen Bruder, Mo&#x017F;es, und mich, und Abraham &#x017F;chma&#x0364;hen,</l><lb/>
              <l>Und die Sabbathe Gottes mit &#x017F;trafbarer Tra&#x0364;gheit entweihn &#x017F;ieh&#x017F;t!</l><lb/>
              <l>Geh, Elender! Damit dich nicht &#x017F;chnell, wenn du ferner verweile&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;er Gnaden&#x017F;tul Gottes mit heiligem Feuer verzehre.</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;agt er. Jch floh und kam mit zerfliegenden Haaren,</l><lb/>
              <l>Und mit A&#x017F;ch auf dem Haupte, gewandlos, ohn Urim und Thum&#x0303;im,</l><lb/>
              <l>Unter das Volk. Da &#x017F;tu&#x0364;rmte das Volk, und wollte mich to&#x0364;dten.</l><lb/>
              <l>Drauf erwacht ich. Drey Stunden voll Quaal, drey a&#x0364;ng&#x017F;tliche Stunden,</l><lb/>
              <l>Hab ich &#x017F;eit dem, wie &#x017F;innlos, im Todes&#x017F;chweiße gelegen.</l><lb/>
              <l>Und noch beb ich, noch zittert mein Herz von geheimen Schauer</l><lb/>
              <l>Und, der Stimme beraubt, er&#x017F;tarrt mir die Zung im Munde!<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0118] Der Meßias. Gegen das Allerheiligſte Gottes; ſchon hatt ich den Vorhang Aufgethan, da ſah ich (noch zittern mir alle Gebeine! Noch faͤllt Gottes Schreckniß auf mich, wie toͤdtend, herunter!) Aaron ſah ich, im heiligen Schmuck, mit drohender Stirne, Auf mich zugehn, ſein Auge voll Feuer, von goͤttlichem Grimm voll Toͤdtete! Sein Bruſtbild voll ernſter gewaltiger Stralen, Blitzte, gleich Horeb, auf mich! Der Cherubim Fittige rauſchten Fuͤrchterlich auf der Lade des Bundes! Auf einmal entfiel mir Rauſchend mein Hohesprieſtergewand, wie Aſche, zur Erde. Fleuch! rief Aaron mit ſchrecklichem Ton, du des Prieſterthums Schande, Fleuch! Elender, dir ſag ich, daß du die heilige Staͤtte Kuͤnftig nicht mehr, als Prieſter des Herrn, verwegen entheiligſt. Biſt du es nicht? (Hier ſah er mich grimmig mit toͤdtendem Blick an, Wie man auf einen Todfeind herabblickt, und lieber ihn wuͤrgte!) Biſt du es nicht? Unwuͤrdiger! Der du jenen Verruchten, Jenen entſetzlichen Mann, ungeſtraft das Heiligthum laͤſtern, Meinen Bruder, Moſes, und mich, und Abraham ſchmaͤhen, Und die Sabbathe Gottes mit ſtrafbarer Traͤgheit entweihn ſiehſt! Geh, Elender! Damit dich nicht ſchnell, wenn du ferner verweileſt, Dieſer Gnadenſtul Gottes mit heiligem Feuer verzehre. Alſo ſagt er. Jch floh und kam mit zerfliegenden Haaren, Und mit Aſch auf dem Haupte, gewandlos, ohn Urim und Thum̃im, Unter das Volk. Da ſtuͤrmte das Volk, und wollte mich toͤdten. Drauf erwacht ich. Drey Stunden voll Quaal, drey aͤngſtliche Stunden, Hab ich ſeit dem, wie ſinnlos, im Todesſchweiße gelegen. Und noch beb ich, noch zittert mein Herz von geheimen Schauer Und, der Stimme beraubt, erſtarrt mir die Zung im Munde! Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/118
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/118>, abgerufen am 21.11.2024.