[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Wilde
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<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <l> <pb facs="#f0130" n="118"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Und die Enthuͤllung der anerſchaffnen und erſten Unſchuld;</l><lb/> <l>Lichthelle Zuͤge des ewigen Bildes, den Sohn des Vaters!</l><lb/> <l>Nikodemus ſtand ſtillanbetend, zu ſelig, vor Menſchen</l><lb/> <l>Sich noch zu fuͤrchten. Ein maͤchtiges Feuer, ein Schauer vom Himmel,</l><lb/> <l>Hub ihn empor. Es war ihm, als wenn er vor Anſchaun der Gottheit,</l><lb/> <l>Vor der Verſam̃lung des Menſchengeſchlechts, und vorm Weltgericht ſtuͤnde.</l><lb/> <l>Auf ihn ſchaute die ganze Verſammlung. Sein Auge voll Ruhe,</l><lb/> <l>Voll des unwiderſtehlichen Feuers der furchtbaren Tugend,</l><lb/> <l>Schreckte die Suͤnder. Sie fuͤhlten ihn grim̃voll. Er zwang ſie; ſie hoͤrten:</l><lb/> <l>Heil mir! Daß ich mit meinen Augen dich, Goͤttlicher, ſchaute!</l><lb/> <l>Heil mir! Daß ich, die Hofnung der Vaͤter, den Retter, erblickte!</l><lb/> <l>Welchen zu ſehn, im Haine zu Mamre ſelbſt Abraham oftmals</l><lb/> <l>Einſam ſeufzte: Den David, der Mann zum Beten geſchaffen,</l><lb/> <l>Gern aus den Armen des Vaters herunter gebetet haͤtte!</l><lb/> <l>Den, im Staube gebuͤckt, Propheten mit Thraͤnen verlangten,</l><lb/> <l>Die Gott ſammelt und zaͤhlte! Den uns Unwuͤrdigen Gott gab!</l><lb/> <l>Ja, du haſt die Himmel getheilt! Du kameſt hernieder</l><lb/> <l>Unter dein Volk, es zu ſegnen, du Erſtgeborner des Vaters!</l><lb/> <l>Oder, wie dieſe Maͤnner dich nennen, du Traͤumer, und Suͤnder!</l><lb/> <l>Ach, unſchuldiger Mann, wer ſind ſie, die alſo dich nennen?</l><lb/> <l>Und, wenn haſt du Luͤgen getraͤumt? Wenn haſt du geſuͤndigt?</l><lb/> <l>Stand er nicht vor dem Geſicht der verſammelten Jſraeliten?</l><lb/> <l>Standſt du nicht, Philo! dabey? Und rief er nicht alſo? und ſagte:</l><lb/> <l>Wer kann einer Suͤnde mich uͤberzeugen? Wo war da,</l><lb/> <l>Philo! der grimmige Zorn auf dieſen Lippen der Laͤſtrung?</l><lb/> <l>Warum ſtandſt du, und um dich herum dein Haufen, ſo ſprachlos?</l><lb/> <l>Erſt war ein uͤberall herrſchendes Schweigen, und wartende Blicke!<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wilde</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0130]
Der Meßias.
Und die Enthuͤllung der anerſchaffnen und erſten Unſchuld;
Lichthelle Zuͤge des ewigen Bildes, den Sohn des Vaters!
Nikodemus ſtand ſtillanbetend, zu ſelig, vor Menſchen
Sich noch zu fuͤrchten. Ein maͤchtiges Feuer, ein Schauer vom Himmel,
Hub ihn empor. Es war ihm, als wenn er vor Anſchaun der Gottheit,
Vor der Verſam̃lung des Menſchengeſchlechts, und vorm Weltgericht ſtuͤnde.
Auf ihn ſchaute die ganze Verſammlung. Sein Auge voll Ruhe,
Voll des unwiderſtehlichen Feuers der furchtbaren Tugend,
Schreckte die Suͤnder. Sie fuͤhlten ihn grim̃voll. Er zwang ſie; ſie hoͤrten:
Heil mir! Daß ich mit meinen Augen dich, Goͤttlicher, ſchaute!
Heil mir! Daß ich, die Hofnung der Vaͤter, den Retter, erblickte!
Welchen zu ſehn, im Haine zu Mamre ſelbſt Abraham oftmals
Einſam ſeufzte: Den David, der Mann zum Beten geſchaffen,
Gern aus den Armen des Vaters herunter gebetet haͤtte!
Den, im Staube gebuͤckt, Propheten mit Thraͤnen verlangten,
Die Gott ſammelt und zaͤhlte! Den uns Unwuͤrdigen Gott gab!
Ja, du haſt die Himmel getheilt! Du kameſt hernieder
Unter dein Volk, es zu ſegnen, du Erſtgeborner des Vaters!
Oder, wie dieſe Maͤnner dich nennen, du Traͤumer, und Suͤnder!
Ach, unſchuldiger Mann, wer ſind ſie, die alſo dich nennen?
Und, wenn haſt du Luͤgen getraͤumt? Wenn haſt du geſuͤndigt?
Stand er nicht vor dem Geſicht der verſammelten Jſraeliten?
Standſt du nicht, Philo! dabey? Und rief er nicht alſo? und ſagte:
Wer kann einer Suͤnde mich uͤberzeugen? Wo war da,
Philo! der grimmige Zorn auf dieſen Lippen der Laͤſtrung?
Warum ſtandſt du, und um dich herum dein Haufen, ſo ſprachlos?
Erſt war ein uͤberall herrſchendes Schweigen, und wartende Blicke!
Wilde
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