[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Hät- H 4
Haͤt- H 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <l> <pb facs="#f0131" n="119"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vierter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Wilde Geſichter voll Freude! Geſichter von ſorgender Furcht voll!</l><lb/> <l>Still und verſtummend ſtand die Verſammlung, und wartete, bis ſich</l><lb/> <l>Einer erhuͤb, und wider ihn zeugte. Da aber nicht einer</l><lb/> <l>Unter dieſer ſo dichten Verſammlung unzaͤhlbarer Menſchen,</l><lb/> <l>Wider den Goͤttlichen aufſtand, und zeugte: da hub ſich die Stimme</l><lb/> <l>Des zuſegnenden Volks von allen Seiten gen Himmel,</l><lb/> <l>Daß Moria davon, daß des Oelbergs waldichte Gipfel,</l><lb/> <l>Von der Stimme des Rufens erbebten! Da drangen die Blinden,</l><lb/> <l>Und die vormals Tauben herzu, und dankten und jauchzten!</l><lb/> <l>Da kam ein unzaͤhlbares Volk, das er wunderbar vormals</l><lb/> <l>Jn den Wuͤſten geſpeiſt hat, und dankte dem Menſchenfreunde.</l><lb/> <l>Da rief unter dem Volk mit lauter Stimme der Juͤngling,</l><lb/> <l>Den er vor Nains Thoren erweckte, der rief, und ſagte:</l><lb/> <l>Du biſt warlich mehr, als ein Menſch, ohne Suͤnd und unſchuldig!</l><lb/> <l>Du biſt Gottes Sohn! Dieſe Hand, die ich gegen dich ſtrecke,</l><lb/> <l>War mir erſtarrt! Dieß Auge, das weint, das dir, Goͤttlicher, zuweint!</l><lb/> <l>War mir geſchloſſen! Die Seele, die freudig und dankbar dir betet,</l><lb/> <l>War nicht bey mir! Man trug mich hinaus zum Grabe der Todten!</l><lb/> <l>Aber du gabeſt der ſtarrenden Hand, du gabeſt dem Auge</l><lb/> <l>Leben und Feuer! Jch ſahe von neuem die Erd und den Himmel,</l><lb/> <l>Und die zitternde Mutter bey mir! Du riefeſt die Seele</l><lb/> <l>Wieder zuruͤck! Man trug mich nicht mehr zum Grabe der Todten!</l><lb/> <l>Du biſt warlich, mehr als ein Menſch, ohne Suͤnd und unſchuldig!</l><lb/> <l>Du biſt des Ewigen Sohn! Die Hoffnung der Jſraeliten!</l><lb/> <l>Alſo rief er. Du aber ſtandſt ſtill, und ſchwiegſt und ſahſt nieder!</l><lb/> <l>Warum verſtummteſt du ſo vorm Antlitz des ganzen Judaͤa?</l><lb/> <l>Philo! … Zwar, was erzaͤhl ich dieß hier? Jhr wißt es ja alle!<lb/> <fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Haͤt-</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0131]
Vierter Geſang.
Wilde Geſichter voll Freude! Geſichter von ſorgender Furcht voll!
Still und verſtummend ſtand die Verſammlung, und wartete, bis ſich
Einer erhuͤb, und wider ihn zeugte. Da aber nicht einer
Unter dieſer ſo dichten Verſammlung unzaͤhlbarer Menſchen,
Wider den Goͤttlichen aufſtand, und zeugte: da hub ſich die Stimme
Des zuſegnenden Volks von allen Seiten gen Himmel,
Daß Moria davon, daß des Oelbergs waldichte Gipfel,
Von der Stimme des Rufens erbebten! Da drangen die Blinden,
Und die vormals Tauben herzu, und dankten und jauchzten!
Da kam ein unzaͤhlbares Volk, das er wunderbar vormals
Jn den Wuͤſten geſpeiſt hat, und dankte dem Menſchenfreunde.
Da rief unter dem Volk mit lauter Stimme der Juͤngling,
Den er vor Nains Thoren erweckte, der rief, und ſagte:
Du biſt warlich mehr, als ein Menſch, ohne Suͤnd und unſchuldig!
Du biſt Gottes Sohn! Dieſe Hand, die ich gegen dich ſtrecke,
War mir erſtarrt! Dieß Auge, das weint, das dir, Goͤttlicher, zuweint!
War mir geſchloſſen! Die Seele, die freudig und dankbar dir betet,
War nicht bey mir! Man trug mich hinaus zum Grabe der Todten!
Aber du gabeſt der ſtarrenden Hand, du gabeſt dem Auge
Leben und Feuer! Jch ſahe von neuem die Erd und den Himmel,
Und die zitternde Mutter bey mir! Du riefeſt die Seele
Wieder zuruͤck! Man trug mich nicht mehr zum Grabe der Todten!
Du biſt warlich, mehr als ein Menſch, ohne Suͤnd und unſchuldig!
Du biſt des Ewigen Sohn! Die Hoffnung der Jſraeliten!
Alſo rief er. Du aber ſtandſt ſtill, und ſchwiegſt und ſahſt nieder!
Warum verſtummteſt du ſo vorm Antlitz des ganzen Judaͤa?
Philo! … Zwar, was erzaͤhl ich dieß hier? Jhr wißt es ja alle!
Haͤt-
H 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |