[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Also sagt er. Jhn unterbrach ein wehmütiges Weinen Seiner Kinder um ihn. Die Väter drückten die Söhne, Und die Mütter die Töchter, bethränt, an die schlagenden Herzen. Knaben faßten das Knie sich niederbiegender Väter, Und entküßten die männliche Thräne dem Auge der Väter. Hand in Hand saß Schwester und Bruder und sahen sich bang an. Und an die Brust der theuren Geliebten, hinsinkend und seufzend, Legten unsterbliche Jünglinge sich, und fühlten das Leben Von den Herzen der himmlischen Mädchen gewaltiger schlagen. Aber der Vater dieses Geschlechts ermannte sich wieder, Und die Mutter der Menschen stand sanftgelehnt an ihm, er sagte: Wenns nur diese nicht sind, zu denen im Zorne Gott hingeht, Gegen deren unheiliges Antlitz der Ewige wandelt. Ach, sie haben vielleicht zu sehr den Richter entrüstet, Und
Alſo ſagt er. Jhn unterbrach ein wehmuͤtiges Weinen Seiner Kinder um ihn. Die Vaͤter druͤckten die Soͤhne, Und die Muͤtter die Toͤchter, bethraͤnt, an die ſchlagenden Herzen. Knaben faßten das Knie ſich niederbiegender Vaͤter, Und entkuͤßten die maͤnnliche Thraͤne dem Auge der Vaͤter. Hand in Hand ſaß Schweſter und Bruder und ſahen ſich bang an. Und an die Bruſt der theuren Geliebten, hinſinkend und ſeufzend, Legten unſterbliche Juͤnglinge ſich, und fuͤhlten das Leben Von den Herzen der himmliſchen Maͤdchen gewaltiger ſchlagen. Aber der Vater dieſes Geſchlechts ermannte ſich wieder, Und die Mutter der Menſchen ſtand ſanftgelehnt an ihm, er ſagte: Wenns nur dieſe nicht ſind, zu denen im Zorne Gott hingeht, Gegen deren unheiliges Antlitz der Ewige wandelt. Ach, ſie haben vielleicht zu ſehr den Richter entruͤſtet, Und
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Der Meßias.
Jn ihr Elend vertieft, ſtirbt eine theure Geliebte
An der Bruſt des zaͤrtlichen Juͤnglings. Die himmliſche Liebe
Jſt bey nah nur allein, in paradieſiſcher Schoͤnheit,
Einer einſamen Zahl von edleren Sterblichen uͤbrig!
Aber nicht lange! Sie ſterben: Und Gott erbarmt ſich nicht ihrer!
Nicht des abſchiednehmenden Laͤchelns der frommen Geliebten,
Nicht der brechenden Augen, die gern noch weinten, der Angſt nicht,
Die ſie betet, und Gott, nur um eine Stunde noch, anfleht;
Nicht der Verzweiflung des bebenden Juͤnglings, der ſtumm ſie umarmet
Deiner auch nicht, bekuͤmmerte Tugend, zu welcher die Liebe
Und ihr zartes Gefuͤhl, die ſterblichen Beyden erhoͤhte.
Alſo ſagt er. Jhn unterbrach ein wehmuͤtiges Weinen
Seiner Kinder um ihn. Die Vaͤter druͤckten die Soͤhne,
Und die Muͤtter die Toͤchter, bethraͤnt, an die ſchlagenden Herzen.
Knaben faßten das Knie ſich niederbiegender Vaͤter,
Und entkuͤßten die maͤnnliche Thraͤne dem Auge der Vaͤter.
Hand in Hand ſaß Schweſter und Bruder und ſahen ſich bang an.
Und an die Bruſt der theuren Geliebten, hinſinkend und ſeufzend,
Legten unſterbliche Juͤnglinge ſich, und fuͤhlten das Leben
Von den Herzen der himmliſchen Maͤdchen gewaltiger ſchlagen.
Aber der Vater dieſes Geſchlechts ermannte ſich wieder,
Und die Mutter der Menſchen ſtand ſanftgelehnt an ihm, er ſagte:
Wenns nur dieſe nicht ſind, zu denen im Zorne Gott hingeht,
Gegen deren unheiliges Antlitz der Ewige wandelt.
Ach, ſie haben vielleicht zu ſehr den Richter entruͤſtet,
Und
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