[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Jn
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<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="7"> <l> <pb facs="#f0185" n="173"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fuͤnfter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Tief im Schlafe. Noch fuͤllte der Ernſt des hohen Jakobus</l><lb/> <l>Gluͤendes Antlitz. So ſchlummert ein Chriſt, vor ſeinem Tode,</l><lb/> <l>Ruhig und ernſt. An den ſanften Johannes lehnte ſich Petrus,</l><lb/> <l>Nicht mit ſtillem Laͤcheln, wie er. Jhm rief der Meßias:</l><lb/> <l>Simon Petrus, du ſchlaͤfſt! Vermagſt du mit mir, da ich leide,</l><lb/> <l>Auch nicht eine Stunde zu wachen? Ach, bald wird die Ruhe,</l><lb/> <l>Bald wird der Schlummer nicht mehr dein weinendes Auge bedecken.</l><lb/> <l>Wachet, und betet, damit der Verſucher nicht uͤber euch komme.</l><lb/> <l>Zwar ihr wolltet es gern. Allein auch ihr ſeyd von Erde!</l><lb/> <l>Und den himmliſchen Geiſt druͤckt noch der Sterblichkeit Buͤrde.</l><lb/> <l>Alſo ſah er die drey. Jn einer weiteren Ausſicht</l><lb/> <l>Sah er mit einem, unendlichen Blick die Geſchlechter der Menſchen,</l><lb/> <l>Aller derer, die ſuͤndigten, ſtarben, und auferſtehn werden!</l><lb/> <l>Und gieng wieder hin ins Gericht, fuͤr alle zu leiden!</l><lb/> <l>Aber ſeitwaͤrts um das Gebirge kam Abbadona</l><lb/> <l>Jn den Huͤllen der ſchweigenden Nacht, und ſprach zu ſich ſelber:</l><lb/> <l>Ach, wo werd ich endlich ihn finden, den Mann, den Verſoͤhner?</l><lb/> <l>Zwar ich bin unwuͤrdig, zu ſehn den beſten Sohn Adams!</l><lb/> <l>Aber ihn hat doch Satan geſehn! Wo ſoll ich dich ſuchen?</l><lb/> <l>Und wo werd ich endlich dich finden, Mann Gottes, Verſoͤhner?</l><lb/> <l>Alle Wuͤſten hab ich durchirrt! Jch bin zu den Quellen</l><lb/> <l>Aller Fluͤſſe gegangen! Jn aller daͤmmernden Haine</l><lb/> <l>Einſamkeit hat ſich mein Fuß mit leiſem Zittern verloren!</l><lb/> <l>Zu der Ceder hab ich geſagt: verbirgſt du ihn, Ceder,</l><lb/> <l>O ſo rauſche mir zu! Und zu der Huͤgel Haupt ſprach ich:</l><lb/> <l>Neige dich, einſamer Huͤgel, nach meinen Thraͤnen herunter,</l><lb/> <l>Daß ich ſehe den goͤttlichen Mann, der etwa dort ſchlummert!</l><lb/> <l>Jhn hat, dacht ich, vielleicht ſein fuͤr ihn ſorgender Schoͤpfer,</l><lb/> <l>Unter ſchattende Decken der Abendroͤthe verhuͤllet:</l><lb/> <l>Jhn hat die Weisheit vielleicht und menſchenfliehender Tiefſinn</l><lb/> <l>Jn die Hoͤlen der Erde gefuͤhrt. Doch ich fand ihn am Himmel,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0185]
Fuͤnfter Geſang.
Tief im Schlafe. Noch fuͤllte der Ernſt des hohen Jakobus
Gluͤendes Antlitz. So ſchlummert ein Chriſt, vor ſeinem Tode,
Ruhig und ernſt. An den ſanften Johannes lehnte ſich Petrus,
Nicht mit ſtillem Laͤcheln, wie er. Jhm rief der Meßias:
Simon Petrus, du ſchlaͤfſt! Vermagſt du mit mir, da ich leide,
Auch nicht eine Stunde zu wachen? Ach, bald wird die Ruhe,
Bald wird der Schlummer nicht mehr dein weinendes Auge bedecken.
Wachet, und betet, damit der Verſucher nicht uͤber euch komme.
Zwar ihr wolltet es gern. Allein auch ihr ſeyd von Erde!
Und den himmliſchen Geiſt druͤckt noch der Sterblichkeit Buͤrde.
Alſo ſah er die drey. Jn einer weiteren Ausſicht
Sah er mit einem, unendlichen Blick die Geſchlechter der Menſchen,
Aller derer, die ſuͤndigten, ſtarben, und auferſtehn werden!
Und gieng wieder hin ins Gericht, fuͤr alle zu leiden!
Aber ſeitwaͤrts um das Gebirge kam Abbadona
Jn den Huͤllen der ſchweigenden Nacht, und ſprach zu ſich ſelber:
Ach, wo werd ich endlich ihn finden, den Mann, den Verſoͤhner?
Zwar ich bin unwuͤrdig, zu ſehn den beſten Sohn Adams!
Aber ihn hat doch Satan geſehn! Wo ſoll ich dich ſuchen?
Und wo werd ich endlich dich finden, Mann Gottes, Verſoͤhner?
Alle Wuͤſten hab ich durchirrt! Jch bin zu den Quellen
Aller Fluͤſſe gegangen! Jn aller daͤmmernden Haine
Einſamkeit hat ſich mein Fuß mit leiſem Zittern verloren!
Zu der Ceder hab ich geſagt: verbirgſt du ihn, Ceder,
O ſo rauſche mir zu! Und zu der Huͤgel Haupt ſprach ich:
Neige dich, einſamer Huͤgel, nach meinen Thraͤnen herunter,
Daß ich ſehe den goͤttlichen Mann, der etwa dort ſchlummert!
Jhn hat, dacht ich, vielleicht ſein fuͤr ihn ſorgender Schoͤpfer,
Unter ſchattende Decken der Abendroͤthe verhuͤllet:
Jhn hat die Weisheit vielleicht und menſchenfliehender Tiefſinn
Jn die Hoͤlen der Erde gefuͤhrt. Doch ich fand ihn am Himmel,
Jn
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