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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Erster Gesang.

Wich ihm itzt aus, und zerfloß vor ihm hin, wie in himmlischen Schimmer.
Unter dem Fuß des Unsterblichen zog sich die flüchtige Dämmrung
Wallend hinweg. Weit hinter ihm, an den dunkeln Gestaden,
Blieben wehende Flammen in seinem Fußtritt zurücke.
Nunmehr hatte der Seraph den heiligen Wohnplatz betreten.

Da, wo sich fern von uns die Erde zum Mittelpunkt kehret,
Wölbt sich in ihr ein weiter Bezirk voll himmlischer Lüfte.
Mitten darinnen erhebt sich, mit flüßigem Schimmer bekrönet,
Eine sanftleuchtende Sonne. Von ihr fließt Leben und Wärme
Jn die Adern der Erden empor. Die oberste Sonne
Bildet mit dieser vertrauten Gehülfinn den blumichten Frühling,
Und den feurigen Sommer, von sinkenden Halmen belastet,
Und dich, o Herbst, auf Traubengebirgen. Jn ihren Bezirken
Jst sie niemals nicht auf und niemals untergegangen.
Um sie lächelt in thauenden Wolken, ein ewiger Morgen.
Unterweilen thut der, der die Himmel zusammen erfüllet,
Seine Gedanken den Engeln daselbst durch Zeichen in Wolken
Wunderbar kund; da erscheinen alsdann die Folgen des Schicksals.
Also entdeckt sich Gott, wenn nach wohlthätigen Wettern
Ueber besänftigten Wolken der Regenbogen hervorgeht,
Und dir, Erde, den Bund und die Fruchtbarkeit Gottes verkündigt.
Gabriel ließ itzo auf dieser Sonne sich nieder.
Um ihn versammelten sich der Königreiche Beschützer,
Engel des Kriegs und des Todes, die im Labyrinthe des Schicksals
Bis zur göttlichen Hand den führenden Faden begleiten;
Die

Erſter Geſang.

Wich ihm itzt aus, und zerfloß vor ihm hin, wie in him̃liſchen Schim̃er.
Unter dem Fuß des Unſterblichen zog ſich die fluͤchtige Daͤmmrung
Wallend hinweg. Weit hinter ihm, an den dunkeln Geſtaden,
Blieben wehende Flammen in ſeinem Fußtritt zuruͤcke.
Nunmehr hatte der Seraph den heiligen Wohnplatz betreten.

Da, wo ſich fern von uns die Erde zum Mittelpunkt kehret,
Woͤlbt ſich in ihr ein weiter Bezirk voll himmliſcher Luͤfte.
Mitten darinnen erhebt ſich, mit fluͤßigem Schimmer bekroͤnet,
Eine ſanftleuchtende Sonne. Von ihr fließt Leben und Waͤrme
Jn die Adern der Erden empor. Die oberſte Sonne
Bildet mit dieſer vertrauten Gehuͤlfinn den blumichten Fruͤhling,
Und den feurigen Sommer, von ſinkenden Halmen belaſtet,
Und dich, o Herbſt, auf Traubengebirgen. Jn ihren Bezirken
Jſt ſie niemals nicht auf und niemals untergegangen.
Um ſie laͤchelt in thauenden Wolken, ein ewiger Morgen.
Unterweilen thut der, der die Himmel zuſammen erfuͤllet,
Seine Gedanken den Engeln daſelbſt durch Zeichen in Wolken
Wunderbar kund; da erſcheinen alsdann die Folgen des Schickſals.
Alſo entdeckt ſich Gott, wenn nach wohlthaͤtigen Wettern
Ueber beſaͤnftigten Wolken der Regenbogen hervorgeht,
Und dir, Erde, den Bund und die Fruchtbarkeit Gottes verkuͤndigt.
Gabriel ließ itzo auf dieſer Sonne ſich nieder.
Um ihn verſammelten ſich der Koͤnigreiche Beſchuͤtzer,
Engel des Kriegs und des Todes, die im Labyrinthe des Schickſals
Bis zur goͤttlichen Hand den fuͤhrenden Faden begleiten;
Die
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[27/0039] Erſter Geſang. Wich ihm itzt aus, und zerfloß vor ihm hin, wie in him̃liſchen Schim̃er. Unter dem Fuß des Unſterblichen zog ſich die fluͤchtige Daͤmmrung Wallend hinweg. Weit hinter ihm, an den dunkeln Geſtaden, Blieben wehende Flammen in ſeinem Fußtritt zuruͤcke. Nunmehr hatte der Seraph den heiligen Wohnplatz betreten. Da, wo ſich fern von uns die Erde zum Mittelpunkt kehret, Woͤlbt ſich in ihr ein weiter Bezirk voll himmliſcher Luͤfte. Mitten darinnen erhebt ſich, mit fluͤßigem Schimmer bekroͤnet, Eine ſanftleuchtende Sonne. Von ihr fließt Leben und Waͤrme Jn die Adern der Erden empor. Die oberſte Sonne Bildet mit dieſer vertrauten Gehuͤlfinn den blumichten Fruͤhling, Und den feurigen Sommer, von ſinkenden Halmen belaſtet, Und dich, o Herbſt, auf Traubengebirgen. Jn ihren Bezirken Jſt ſie niemals nicht auf und niemals untergegangen. Um ſie laͤchelt in thauenden Wolken, ein ewiger Morgen. Unterweilen thut der, der die Himmel zuſammen erfuͤllet, Seine Gedanken den Engeln daſelbſt durch Zeichen in Wolken Wunderbar kund; da erſcheinen alsdann die Folgen des Schickſals. Alſo entdeckt ſich Gott, wenn nach wohlthaͤtigen Wettern Ueber beſaͤnftigten Wolken der Regenbogen hervorgeht, Und dir, Erde, den Bund und die Fruchtbarkeit Gottes verkuͤndigt. Gabriel ließ itzo auf dieſer Sonne ſich nieder. Um ihn verſammelten ſich der Koͤnigreiche Beſchuͤtzer, Engel des Kriegs und des Todes, die im Labyrinthe des Schickſals Bis zur goͤttlichen Hand den fuͤhrenden Faden begleiten; Die

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/39>, abgerufen am 21.11.2024.