[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Lieber, wir wollen dereinst die Trümmern alle versammlen! Eben diese Behausung der Sterblichkeit, dieses Gebeine, Durch die Hand des gewaltigen Todes so traurig entstellet, Soll mit dem Morgen des Richters zur neuen Schöpfung erwachen. Kommt nur, des Himmels zukünftige Bürger, ein helleres Anschaun, Selbst die Umarmung des göttlichen Mittlers erwartet euch liebreich. Auch die Seelen, die zarten kaum sprossenden Körpern entflohen. Sammelten sich um den Seraph herum. Sie flohen mit Weinen, Mit dem zärtlichen Weinen der Kindheit. Jhr schüchternes Auge Hatte die Oberfläche der Erde kaum staunend erblicket; Darum durften sie sich auf den größern Schauplatz der Welten Noch
Lieber, wir wollen dereinſt die Truͤmmern alle verſammlen! Eben dieſe Behauſung der Sterblichkeit, dieſes Gebeine, Durch die Hand des gewaltigen Todes ſo traurig entſtellet, Soll mit dem Morgen des Richters zur neuen Schoͤpfung erwachen. Kommt nur, des Himmels zukuͤnftige Buͤrger, ein helleres Anſchaun, Selbſt die Umarmung des goͤttlichen Mittlers erwartet euch liebreich. Auch die Seelen, die zarten kaum ſproſſenden Koͤrpern entflohen. Sammelten ſich um den Seraph herum. Sie flohen mit Weinen, Mit dem zaͤrtlichen Weinen der Kindheit. Jhr ſchuͤchternes Auge Hatte die Oberflaͤche der Erde kaum ſtaunend erblicket; Darum durften ſie ſich auf den groͤßern Schauplatz der Welten Noch
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Der Meßias.
Die im Verborgenen uͤber die Werke der Koͤnige herrſchen,
Wenn ſie damit triumphirend, als ihrer Schoͤpfung, ſich bruͤſten.
Dann die Huͤter der tugendhaften und wenigen Edlen,
Die den denkenden Weiſen in ſeiner Entfernung begleiten,
Wenn er das Menſchengewebe der irrdiſchen Seligkeit fliehet,
Und die Buͤcher der ewigen Zukunft im Stillen eroͤffnet.
Auch ſind ſie oft insgeheim bey einer Verſammlung zugegen,
Wo der feurige Chriſt die Herabkunft Gottes empfindet,
Wenn ein bruͤderlich Volk, durch das Blut des Bundes geheiligt,
Vor dem Verſohner der Menſchen in Jubellieder ſich ausgießt.
Wenn die Seelen entſchlafner Chriſten ihr todtes Antlitz
Und den Schweiß, und die traurigen Zuͤge des ſiegenden Todes,
Und die bezwungne Natur auf ihrem Leichnam erblicken:
So empfangen ſie dieſe Gefaͤhrten mit troͤſtendem Anblick:
Lieber, wir wollen dereinſt die Truͤmmern alle verſammlen!
Eben dieſe Behauſung der Sterblichkeit, dieſes Gebeine,
Durch die Hand des gewaltigen Todes ſo traurig entſtellet,
Soll mit dem Morgen des Richters zur neuen Schoͤpfung erwachen.
Kommt nur, des Himmels zukuͤnftige Buͤrger, ein helleres Anſchaun,
Selbſt die Umarmung des goͤttlichen Mittlers erwartet euch liebreich.
Auch die Seelen, die zarten kaum ſproſſenden Koͤrpern entflohen.
Sammelten ſich um den Seraph herum. Sie flohen mit Weinen,
Mit dem zaͤrtlichen Weinen der Kindheit. Jhr ſchuͤchternes Auge
Hatte die Oberflaͤche der Erde kaum ſtaunend erblicket;
Darum durften ſie ſich auf den groͤßern Schauplatz der Welten
Noch
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