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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Der Meßias.

Ewig sollte die Macht des großen Königreichs dauern.
Dieses vernahmt ihr. Warum erstaunten die Götter der Hölle,
Da sie dieß hörten? Jch selber, ich habe viel mehr noch gesehen;
Doch mich erschreckt nichts. Jch will euch alles treulich entdecken.
Nichts will ich euch verschweigen, damit ihr sehet, wie feurig
Sich mein Muth in Gefahren erhebt; finds anders Gefahren,
Wenn sich auf unserer Welt ein sterblicher Träumer vergöttert.
Jch war auf Erden, und wartete dort auf des göttlichen Knabens
Hohe Geburt. Jtzt wird aus deinem Schoße, Maria,
Dacht ich, der Göttliche kommen. Geschwinder als fliegende Blicke,
Schneller noch als die Gedanken der Götter vom Zorne beflügelt,
Wird er gen Himmel erwachsen. Jtzt deckt er in seiner Erhöhung
Mit dem einen Fuße das Meer, mit dem andern den Erdkreis.
Jtzt wägt er in der erschrecklichen Rechte den Mond und die Sonne,
Jn der Linken die Morgensterne. Da kömmt er und tödtet!
Mitten in Stürmen, die er aus allen Welten herbeyrief,
Rauscht er zum Sieg unaufhaltsam daher. Ach fliehe nur, Satan!
Fliehe! damit er dich nicht mit seinem allmächtigen Donner
Ungestüm fasse, bis du durch tausend Erden geworfen,
Sinnlos bezwungen, ja todt, im Unermeßlichen liegest.
Seht, so dacht ich, ihr Götter; allein ihm gefiel es noch itzo,
Daß er ein Mensch blieb, ein weinendes Kind, wie die Söhne der Erde,
Die schon bey ihrer Geburt um ihre Sterblichkeit weinen.
Zwar sang um seine Geburtszeit ein Chor der himmlischen Geister.
Denn sie kommen bisweilen hernieder, die Erde zu sehen,
Wo wir herrschen; da Hügel der Todten und Grüfte zu sehen,
Wo vordem Paradiese nur stunden: dann kehren sie thränend,

Und

Der Meßias.

Ewig ſollte die Macht des großen Koͤnigreichs dauern.
Dieſes vernahmt ihr. Warum erſtaunten die Goͤtter der Hoͤlle,
Da ſie dieß hoͤrten? Jch ſelber, ich habe viel mehr noch geſehen;
Doch mich erſchreckt nichts. Jch will euch alles treulich entdecken.
Nichts will ich euch verſchweigen, damit ihr ſehet, wie feurig
Sich mein Muth in Gefahren erhebt; finds anders Gefahren,
Wenn ſich auf unſerer Welt ein ſterblicher Traͤumer vergoͤttert.
Jch war auf Erden, und wartete dort auf des goͤttlichen Knabens
Hohe Geburt. Jtzt wird aus deinem Schoße, Maria,
Dacht ich, der Goͤttliche kommen. Geſchwinder als fliegende Blicke,
Schneller noch als die Gedanken der Goͤtter vom Zorne befluͤgelt,
Wird er gen Himmel erwachſen. Jtzt deckt er in ſeiner Erhoͤhung
Mit dem einen Fuße das Meer, mit dem andern den Erdkreis.
Jtzt waͤgt er in der erſchrecklichen Rechte den Mond und die Sonne,
Jn der Linken die Morgenſterne. Da koͤmmt er und toͤdtet!
Mitten in Stuͤrmen, die er aus allen Welten herbeyrief,
Rauſcht er zum Sieg unaufhaltſam daher. Ach fliehe nur, Satan!
Fliehe! damit er dich nicht mit ſeinem allmaͤchtigen Donner
Ungeſtuͤm faſſe, bis du durch tauſend Erden geworfen,
Sinnlos bezwungen, ja todt, im Unermeßlichen liegeſt.
Seht, ſo dacht ich, ihr Goͤtter; allein ihm gefiel es noch itzo,
Daß er ein Menſch blieb, ein weinendes Kind, wie die Soͤhne der Erde,
Die ſchon bey ihrer Geburt um ihre Sterblichkeit weinen.
Zwar ſang um ſeine Geburtszeit ein Chor der himmliſchen Geiſter.
Denn ſie kommen bisweilen hernieder, die Erde zu ſehen,
Wo wir herrſchen; da Huͤgel der Todten und Gruͤfte zu ſehen,
Wo vordem Paradieſe nur ſtunden: dann kehren ſie thraͤnend,

Und
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[52/0064] Der Meßias. Ewig ſollte die Macht des großen Koͤnigreichs dauern. Dieſes vernahmt ihr. Warum erſtaunten die Goͤtter der Hoͤlle, Da ſie dieß hoͤrten? Jch ſelber, ich habe viel mehr noch geſehen; Doch mich erſchreckt nichts. Jch will euch alles treulich entdecken. Nichts will ich euch verſchweigen, damit ihr ſehet, wie feurig Sich mein Muth in Gefahren erhebt; finds anders Gefahren, Wenn ſich auf unſerer Welt ein ſterblicher Traͤumer vergoͤttert. Jch war auf Erden, und wartete dort auf des goͤttlichen Knabens Hohe Geburt. Jtzt wird aus deinem Schoße, Maria, Dacht ich, der Goͤttliche kommen. Geſchwinder als fliegende Blicke, Schneller noch als die Gedanken der Goͤtter vom Zorne befluͤgelt, Wird er gen Himmel erwachſen. Jtzt deckt er in ſeiner Erhoͤhung Mit dem einen Fuße das Meer, mit dem andern den Erdkreis. Jtzt waͤgt er in der erſchrecklichen Rechte den Mond und die Sonne, Jn der Linken die Morgenſterne. Da koͤmmt er und toͤdtet! Mitten in Stuͤrmen, die er aus allen Welten herbeyrief, Rauſcht er zum Sieg unaufhaltſam daher. Ach fliehe nur, Satan! Fliehe! damit er dich nicht mit ſeinem allmaͤchtigen Donner Ungeſtuͤm faſſe, bis du durch tauſend Erden geworfen, Sinnlos bezwungen, ja todt, im Unermeßlichen liegeſt. Seht, ſo dacht ich, ihr Goͤtter; allein ihm gefiel es noch itzo, Daß er ein Menſch blieb, ein weinendes Kind, wie die Soͤhne der Erde, Die ſchon bey ihrer Geburt um ihre Sterblichkeit weinen. Zwar ſang um ſeine Geburtszeit ein Chor der himmliſchen Geiſter. Denn ſie kommen bisweilen hernieder, die Erde zu ſehen, Wo wir herrſchen; da Huͤgel der Todten und Gruͤfte zu ſehen, Wo vordem Paradieſe nur ſtunden: dann kehren ſie thraͤnend, Und

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/64>, abgerufen am 21.11.2024.