[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Der
Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="21"> <l> <pb facs="#f0066" n="54"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Wo er oft war, da hat er vielleicht auf Dinge geſonnen,</l><lb/> <l>Die, aus ſchrecklicher Ferne, der Hoͤlle den Untergang drohen,</l><lb/> <l>Und die von uns verneuerten Muth und Wachſamkeit fordern?</l><lb/> <l>Seht, dieß glaubt ich vielleicht, haͤtt er ſich mit tiefen Geb’anken</l><lb/> <l>Mehr beſchaͤfftigt, als mit der Betrachtung der Blumen und Felder</l><lb/> <l>Und der Kinder um ihn, und mit dem ſclaviſchen Lobe</l><lb/> <l>Deß, der ihn mit den Wuͤrmern aus niedrigem Staube gemacht hat.</l><lb/> <l>Ja, ich waͤre vor Ruh und langer Muſſe vergangen,</l><lb/> <l>Haͤtte mir nicht der Menſchen Geſchlecht ſtets Seelen geopfert,</l><lb/> <l>Die ich, vorm Himmel voruͤber, hieher zur Bevoͤlkerung ſandte.</l><lb/> <l>Endlich ſchien es, als ſollt er auch einmal merkwuͤrdiger werden.</l><lb/> <l>Gottes Herrlichkeit kam, als er einſt am Jordan herumgieng,</l><lb/> <l>Praͤchtig vom Himmel. Sie hab ich mit dieſen unſterblichen Augen</l><lb/> <l>Selbſt am Jordan geſehn; kein Bild, kein himmliſches Blendwerk</l><lb/> <l>Hat mich getaͤuſcht; ſie wars, wie ſie vom Throne des Himmels</l><lb/> <l>Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim wandelt.</l><lb/> <l>Aber, warum, und ob ſie, dem Erdenkinde zu Ehren,</l><lb/> <l>Oder um unſere Wachſamkeit auszuforſchen, herabſtieg,</l><lb/> <l>Dieß weis ich nicht. Zwar hoͤrt ich dabey gewaltige Donner,</l><lb/> <l>Donner mit dieſer Stimme vermengt: das iſt mein Geliebter</l><lb/> <l>Und mein Sohn, der mir innig gefaͤllt! Der war wohl Eloa,</l><lb/> <l>Oder ſonſt einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dieß ausrief.</l><lb/> <l>Gottes Stimme wars nicht; zum mindſten klang ſie viel anders,</l><lb/> <l>Als er uns Goͤttern vordem den Sohn der Ewigkeit aufdrang.</l><lb/> <l>Auch war ein finſtrer Prophet dabey, der dort in der Wuͤſte</l><lb/> <l>Menſchenfeindlich die Felſen durchirrt; der rief ihm entgegen:</l><lb/> <l>Siehe das Lamm Gottes, das der Erden Suͤnde verſoͤhnet!<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0066]
Der Meßias.
Wo er oft war, da hat er vielleicht auf Dinge geſonnen,
Die, aus ſchrecklicher Ferne, der Hoͤlle den Untergang drohen,
Und die von uns verneuerten Muth und Wachſamkeit fordern?
Seht, dieß glaubt ich vielleicht, haͤtt er ſich mit tiefen Geb’anken
Mehr beſchaͤfftigt, als mit der Betrachtung der Blumen und Felder
Und der Kinder um ihn, und mit dem ſclaviſchen Lobe
Deß, der ihn mit den Wuͤrmern aus niedrigem Staube gemacht hat.
Ja, ich waͤre vor Ruh und langer Muſſe vergangen,
Haͤtte mir nicht der Menſchen Geſchlecht ſtets Seelen geopfert,
Die ich, vorm Himmel voruͤber, hieher zur Bevoͤlkerung ſandte.
Endlich ſchien es, als ſollt er auch einmal merkwuͤrdiger werden.
Gottes Herrlichkeit kam, als er einſt am Jordan herumgieng,
Praͤchtig vom Himmel. Sie hab ich mit dieſen unſterblichen Augen
Selbſt am Jordan geſehn; kein Bild, kein himmliſches Blendwerk
Hat mich getaͤuſcht; ſie wars, wie ſie vom Throne des Himmels
Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim wandelt.
Aber, warum, und ob ſie, dem Erdenkinde zu Ehren,
Oder um unſere Wachſamkeit auszuforſchen, herabſtieg,
Dieß weis ich nicht. Zwar hoͤrt ich dabey gewaltige Donner,
Donner mit dieſer Stimme vermengt: das iſt mein Geliebter
Und mein Sohn, der mir innig gefaͤllt! Der war wohl Eloa,
Oder ſonſt einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dieß ausrief.
Gottes Stimme wars nicht; zum mindſten klang ſie viel anders,
Als er uns Goͤttern vordem den Sohn der Ewigkeit aufdrang.
Auch war ein finſtrer Prophet dabey, der dort in der Wuͤſte
Menſchenfeindlich die Felſen durchirrt; der rief ihm entgegen:
Siehe das Lamm Gottes, das der Erden Suͤnde verſoͤhnet!
Der
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